In der Mengenlehre postuliert die Suslin-Hypothese (benannt nach dem russischen Mathematiker Michail Jakowlewitsch Suslin) eine spezielle Charakterisierung der Menge der reellen Zahlen. Sie ist in dem üblichen System der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre weder beweis- noch widerlegbar.

Motivation Bearbeiten

Georg Cantor zeigte folgende ordnungstheoretische Charakterisierung der reellen Zahlen: Eine lineare Ordnung   ist genau dann isomorph zu   falls gilt:

  •   ist unbeschränkt: Für jedes   gibt es   sodass  .
  •   ist dicht: Für jedes Paar   mit   gibt es ein   sodass  .
  •   ist vollständig: Jede nichtleere nach oben beschränkte Teilmenge von   hat ein Supremum in  .
  •   ist separabel:   enthält eine abzählbare, dichte Teilmenge.

Jede solche lineare Ordnung   erfüllt zudem die sogenannte abzählbare Antikettenbedingung:

  • Jede Familie von offenen, paarweise disjunkten Intervallen von   ist höchstens abzählbar.

Der Beweis dieser zusätzlichen Eigenschaft folgt direkt der Separabilität. Suslin stellte 1920 die Hypothese auf, dass auch die Umkehrung gilt, also Separabilität und abzählbare Antikettenbedingung äquivalent sind[1].

Formulierung und Konsequenzen Bearbeiten

Die Suslin-Hypothese lässt sich also ausdrücken:

Jede unbeschränkte, dichte, vollständige lineare Ordnung, die die abzählbare Antikettenbedingung erfüllt, ist isomorph zu der Ordnung der reellen Zahlen.

Ronald Jensen zeigte 1968, dass in dem Modell   der konstruktiblen Mengen die Suslin-Hypothese falsch ist[2]. Mit Hilfe der Forcing-Methode konstruierten Robert M. Solovay und Stanley Tennenbaum 1971 ein Modell, in dem die Hypothese wahr ist[3], sie ist also weder beweis- noch widerlegbar.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Michail J. Suslin: Problème 3. In: Fundamenta Mathematicae. Band 1. 1920, S. 223.
  2. Ronald Jensen: Souslin’s hypothesis is incompatible with V=L. In: Notices of the American Mathematical Society. Band 15, 1968, S. 935.
  3. Robert M. Solovay, Stanley Tennenbaum: Iterated Cohen extensions and Souslin’s problem. In: Annals of Mathematics. Serie 2, Band 94. 1971, S. 201–245.

Literatur Bearbeiten

  • Jech, Thomas: Set Theory, Springer-Verlag Berlin Heidelberg (2006), ISBN 3-540-44085-2.
  • Kunen, Keneth: Set Theory: An Introduction to Independence Proofs, North-Holland (1980), ISBN 0-444-85401-0.