Strandbeest

kinetische Kunstobjekte von Theo Jansen

Strandbeesten sind kinetische Kunstobjekte. Der Name ist niederländisch und bedeutet „Strandtier“. Entwickelt werden sie seit 1990 von Theo Jansen. Das große Thema der Strandbeesten ist Evolution. Jede Generation soll besser an ihre Umwelt angepasst sein als die vorhergehende. Seine Arbeit und Detaillösungen beschreibt Jansen oft mit Analogien aus der Biologie.

Strandbeest in Kerkrade (2013)
Strandbeest in Hannover (2007)

Konstruktion Bearbeiten

Beine Bearbeiten

 
Proportionen der Beine
 
Animierte Kinematik eines Strandbeestbeins
 
Animation eines laufenden Strandbeests

Um die charakteristische Laufbewegung hinzubekommen, entwickelte Theo Jansen das im Bild zu sehende Bein. Um die Proportionen der Stangen zu bestimmen, entwickelte Jansen ein Computerprogramm auf einem Atari-Computer. Der Algorithmus begann mit Zufallswerten, wählte dann die besten aus und erzeugte daraus wiederum Varianten (evolutionärer Algorithmus).

Die ersten so berechneten Zahlen verwendete Jansen beim ersten Strandbeest („Animaris Currens Vulgaris“). Da die Beine sich nicht bewährten, ließ er den Algorithmus noch einmal laufen. Die resultierenden Zahlen – von ihm als „(eleven) holy numbers“ bezeichnet[1] – haben sich bis heute bewährt.[2]

Die Kinematik der Beine wird auch in Lehrbüchern für Technische Mechanik als Beispiel für viergliedrige Koppelgetriebe mit Kurbelschwinge besprochen.[3] Sie ähnelt derer des Klann-Mechanismus und der Laufmaschine von Tschebyschow, die auch Plantigrade Machine genannt wird.

Material Bearbeiten

Die Wahl der charakteristischen gelben PVC-Kunststoffrohre (genauer Isolationsrohre[1]) fiel 1990 aufgrund der sehr guten Verfügbarkeit und des Preises. Jansen experimentierte von 1997 bis 2001 auch mit Holz[4][5] und 2004 mit Stahl[4], kam aber wieder zum ursprünglichen Material zurück.

Jansen nennt die Rohre seine „Proteine“.[1][6][7] Die Kunststoffrohre schränken die Gestaltungsmöglichkeiten einerseits zwar ein, andrerseits inspirieren sie ihn auch zu kreativen Problemlösungen.[6]

Energiegewinnung und Speicherung Bearbeiten

Die ersten Modelle konnten sich ohne menschliches Zutun nicht bewegen.[1][8] Konkret mussten die Strandbeesten entweder gezogen oder geschoben werden.[9]

Mittlerweile ist für Strandbeesten die Energiegewinnung aus Wind charakteristisch. Spätere Generationen (2001–06) nutzen zusätzlich in PET-Flaschen gespeicherte Druckluft.[10][6] Diese Flaschen nennt Jansen „Windmagen“.[11]

Gehirn Bearbeiten

Spätere Generationen der Strandbeesten (ab 2006) haben Sensoren und Logikbausteine verbaut. Jansen verwendet dazu Druckluft und selbst gebaute Ventile, also Pneumatik. Dieses „Gehirn“ ermöglicht es den Strandbeesten zum Beispiel, die nahende Flut zu bemerken und in Richtung Dünen zu laufen bzw. sich bei einem Sturm zu verankern.[10][6]

Verbindungstechnik Bearbeiten

Ursprünglich wurden die Strandbeesten von Klebeband zusammengehalten.[6] Da sich das nicht bewährte, tüftelte Jansen weiter. Für die heutigen Strandbeesten verwendet Jansen Kabelbinder, Nylonschnur, Klebeband und Silikongel.[12][10][6]

Größe Bearbeiten

 
Das „Animaris Rhinoceros Lignatus“ aus Holz wog 250 kg[5]

Das wohl schwerste Strandbeest ist das „Animaris Rhinoceros Transport“.[4] Es ist aus pulverbeschichtetem Stahl gebaut, wiegt 3,2 Tonnen[10] und misst etwa 4,7 × 6 × 5 m.[4]

Modelle Bearbeiten

Von den Strandbeesten gibt es Modelle.[13] Sie lassen sich gruppieren in Bausätze und 3D-gedruckte Modelle. Modelle und Nachbauten stellen für Jansen die Vermehrung der Strandbeesten dar.[7]

Bausätze Bearbeiten

 
Ministrandbeest – „Animaris Ordis Parvus“

Der erste Bausatz („Animaris Ordis Parvus“) erschien 2011 in bzw. mit einem japanischen Magazin.[14] Das Heft und die Bauanleitung wurden später ins Englische übersetzt.

In Deutschland ist der Bausatz mit dem englischsprachigen Heft (welches auch die Bauanleitung erhält) und einer beiliegenden deutschsprachigen Bauanleitung erhältlich. Die englischsprachige Bauanleitung gibt es auch online.[15]

Ein weiterer Bausatz ist das „Animaris Rhinoceros Parvus“.[16]

3D-Modelle Bearbeiten

Es werden 3D-gedruckte Strandbeestmodelle in verschiedenen Größen angeboten. Die Modelle sind direkt nach dem Drucken und Reinigen lauffähig. Es ist keine Montage erforderlich. Für Jansen sind diese Modelle die nächste logische Evolution.[17]

Strandbeesten in den Medien Bearbeiten

Strandbeesten in der Forschung Bearbeiten

  • Bei der US-Raumfahrtbehörde NASA wird die Idee untersucht, für die extrem heiße Oberfläche der Venus einen Rover zu entwickeln, der sich nach dem Prinzip eines Strandbeests bewegt.[22]

Publikationen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Strandbeesten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Theo Jansen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d Produktinformation – Strandbeest. (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive).
  2. Leg system. (Memento vom 7. November 2017 im Internet Archive).
  3. Theo Jansens Strandbeest-Mechanismus. Abgerufen am 21. April 2022.
  4. a b c d Theo Jansen’s mini rhinoceros. (Memento vom 1. August 2016 im Internet Archive). (PDF; 8,92 MB).
  5. a b Anneke Bokern: Windspiel mit Strandbiestern. (Memento vom 17. Juli 2016 im Internet Archive).
  6. a b c d e f g h Ian Frazier: The March of the Strandbeests. Theo Jansen’s wind-powered sculpture. In: The New Yorker. 29. August 2011, abgerufen am 21. April 2022.
  7. a b c Lawrence Weschler: Theo Jansen’s Lumbering Life-Forms Arrive in America. In: The New York Times Magazine. 26. November 2014, abgerufen am 21. April 2022.
  8. Bild des von einem Menschen gezogenen „Animaris Rhinoceros Transport“. Auf Facebook abgerufen am 21. April 2022.
  9. Bennett Haselton: Gift Review: Strandbeest Model Kit. (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive).
  10. a b c d e Nico Weber: Ein moderner da Vinci. Theo Jansen und seine Skulpturen. (Memento vom 23. Juli 2013 im Internet Archive).
  11. Bart Dirks: Beesten in turbinehal. In: de Volkskrant. 13. März 2014, abgerufen am 21. April 2022.
  12. a b Die unheimlichen Strandbiester des Theo Jansen zu Besuch in Zürich. (Memento vom 19. August 2014 im Internet Archive).
  13. Products. Abgerufen am 21. April 2022.
  14. Theo Jansen’s Mini Strandbeest. Abgerufen am 21. April 2022.
  15. How to Assemble and Use the Mini Strandbeest. (PDF; 3,98 MB). Abgerufen am 21. April 2022.
  16. Strandbeest USA Web Shop. (Memento vom 25. Januar 2019 im Internet Archive).
  17. 3D Printed Strandbeest – Animaris Geneticus Parvus. (Memento vom 20. November 2018 im Internet Archive).
  18. My creations, a new form of life. Abgerufen am 21. April 2022.
  19. Adam Savage’s One Day Builds: Strandbeest Model Kit. Abgerufen am 21. April 2022.
  20. Theo Jansen’s Strandbeests. Abgerufen am 21. April 2022.
  21. The Nightmare After Krustmas. Abgerufen am 21. April 2022.
  22. Loura Hall: Automaton Rover for Extreme Environments (AREE) April 2017 auf nasa.gov