Anabole Steroide

künstlicher Abkömmling des Testosteron zum Muskelaufbau
(Weitergeleitet von Steroidanabolika)

Anabole Steroide sind synthetische Abkömmlinge des männlichen Sexualhormons Testosteron. Sie wurden während des Zweiten Weltkriegs entwickelt und dienten ursprünglich dazu, entkräfteten und unterernährten Kriegsgefangenen eine bessere Rekonvaleszenz zu ermöglichen. Außerdem wurden sie aufgrund ihrer eiweißaufbauenden Wirkung bei konsumierenden Krankheiten und Muskelatrophie sowie als Mittel gegen Blutarmut eingesetzt.

Chemische Struktur des natürlichen männlichen Sexualhormons Testosteron, 17β-Hydroxy-4-androsten-3-on
Chemische Struktur von Trenbolon – Beispiel für ein anaboles Steroid mit erkennbarer Ähnlichkeit zu natürlichem Testosteron

Sehr bald schon fanden sie auch Anwendung im Sport, wo sie als unerlaubtes Doping zur Leistungssteigerung an gesunde Athleten verabreicht wurden. In der Medizin kommen anabole Steroide heute noch bei einer Insuffizienz der Hoden (Mangel der Bildung körpereigenen Testosterons), bei Wachstumsstörungen oder bei körperlicher Schwäche (z. B. bei alten Menschen) zum Einsatz.

Allgemein gehören sie zur Gruppe der Anabolika; als die wichtigsten Vertreter sind Dehydrochlormethyltestosteron, Nandrolon, Metandienon, Stanozolol, Furazabol und Metenolon zu nennen.

Alle üblichen Präparate basieren auf dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron. Dabei werden zwei Wirkungen unterschieden:

  • die anabole Wirkung (aufbauende Wirkung, von ἀναβολή anabolé „Aufwurf“, aus ἀνά ana „auf“ und βάλλειν bállein „werfen“)
Durch die Wirkung der anabolen Steroide auf den Proteinstoffwechsel, die von den Anwendern gewünscht ist, wird der Aufbau von Eiweiß (Protein) in der Muskulatur gesteigert. Oft ist behauptet worden, dass ein deutlicher Effekt nur bei gleichzeitigem intensiven Muskeltraining eintrete. Eine 1996 veröffentlichte Studie deutet allerdings darauf hin, dass dies zumindest bei Trainingsanfängern nicht der Fall zu sein scheint – Teilnehmer nahmen durch Steroidkonsum ohne Training im Schnitt deutlich mehr Muskelmasse zu als durch Training ohne Steroidkonsum.[1] Außerdem können anabole Steroide die Regenerationsfähigkeit des Konsumenten erhöhen. Er kann somit häufiger und mit geringeren Pausen trainieren.
  • die androgene Wirkung (virilisierende Wirkung (virilis „männlich“), von gr. ἀνήρ, ἀνδρός anér, andrós „Mann“; -gen „erzeugend“ von γίγνομαι gígnomai „werden“)
Während die anabole Wirkung der Anabolika in den meisten Fällen den eigentlichen Grund für die Anwendung darstellt, ist die androgene Wirkung in der Regel ein unerwünschter Nebeneffekt. Hierunter versteht man den Einfluss der künstlichen Hormone auf die inneren und äußeren Geschlechtsmerkmale sowie auf die Psyche.

Bei der synthetischen Herstellung von Anabolika versucht man die androgene Komponente möglichst gering zu halten, jedoch ist diese immer vorhanden und führt möglicherweise zu unerwünschten Nebenwirkungen beim Konsumenten.

Anabole Steroidhormone stellen die Gruppe der am häufigsten verwendeten Dopingsubstanzen dar. Nach Berechnungen des italienischen Sportwissenschaftlers Alessandro Donati werden weltweit jährlich ca. 700 Tonnen anaboler Steroide von 15 Millionen Konsumenten zu Dopingzwecken verwendet.[2]

Im Fitness- und Breitensport (ursprünglich aus der Bodybuilding-Szene stammend) ist der Gebrauch dieser Substanzen mittlerweile weit verbreitet und wird dort verharmlosend oft als Kur bezeichnet. Etliche durch die Medien bekanntgewordene Todesfälle unter Bodybuildern, etwa der des Profi-Bodybuilders Andreas Münzer im Jahr 1996, und Wissen über Todesfälle auch im Amateurbereich haben kaum zu einer Reduzierung geführt. Die in den Medien kontinuierlich wachsende Präsenz und die teilweise bewusst geförderte Verherrlichung eines muskulösen Körpers hat in den letzten zehn Jahren besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu einer ungewöhnlichen Zunahme von Anabolika-Gebrauch und einer gefährlichen Akzeptanz dieser Art von Ästhetik geführt. Die psychische Abhängigkeit, die bereits nach kurzfristigem Konsum anaboler Steroide hervorgerufen wird, ist nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand vergleichbar mit psychotropen Genuss- und Rauschmitteln.

Ein weiterer Faktor, der den ständig anwachsenden Konsum anaboler Steroide fördert, ist sicherlich in den Anforderungen der heutigen Leistungsgesellschaft zu sehen. Laut der Studie British Crime Survey nehmen allein in Großbritannien rund 42.000 Menschen, überwiegend Männer (Dunkelziffer liegt weit höher), Steroide ein.[3] Forscher gehen davon aus, dass ein erheblicher Teil der herzbedingten Todesfälle unter jüngeren Leistungssportlern verschiedener Disziplinen in Deutschland auf Anabolika-Gebrauch zurückgehen könnte.[4]

Erstmals verboten wurden Anabolika 1974, nachdem man Nachweisverfahren für Abbauprodukte synthetischer Hormone entwickelt hatte. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal kam es dann erstmals zu Kontrollen auf synthetisch hergestellte Anabolika, seit 1984 ist auch die Anwendung des körpereigenen Steroidhormons Testosteron verboten, der Nachweis des Dopings mit körpereigenen Hormonen bleibt allerdings bis heute schwierig. Gaben des natürlichen Testosterons sind nicht nachzuweisen, daher wird bei den Tests das Verhältnis des Testosteron zum Epitestosteron bestimmt. Liegt der Testosteron-Kontrollwert über dem festgelegten Wert, muss der Sportler mittels einer Langzeitkontrolle nachweisen, dass er natürlicherweise einen erhöhten Testosteronspiegel hat. Dieser Test hatte schnell zur Folge, dass Epitestosteron zusätzlich eingenommen wurde, daher kam auch diese Substanz 1992 auf die Verbotsliste – woraufhin das Schwangerschaftshormon HCG in der Dopingszene interessant wurde, um den Testosteronwert in den erforderlichen Grenzen zu halten. Bereits 1983 soll HCG auch im Radsport breite Anwendung gefunden haben.

Zu den am meisten (zu nicht medizinischen Zwecken) verwendeten synthetischen Anabolika zählen Dehydrochlormethyltestosteron, Nandrolon (= Nortestosteron), Trenbolon, Metandienon, Stanozolol und Metenolon. Seit 1998 werden im Ausland, vor allem in den Vereinigten Staaten, sogenannte Prohormone von Testosteron und Nortestosteron als Nahrungsergänzungsstoffe gehandelt. Die Anwendung dieser Hormonvorstufen ist durch die offiziell anerkannten Sportverbände wie das IOC ebenfalls verboten.

Disziplinspezifische Dosierungen

Bearbeiten

Da Anabolika-Forschungen im Sport kriminalisiert wurden, ist ungewiss, ob die Anabolika selbst oder die verwendeten Dosierungen ursächlich für die negativen Folgen der Anabolika-Verwendung sind. Das spanische Lehrbuch von Garcia Manso gibt als tägliche Dosis an:

  • Gewichtheben: 10- bis 100-faches der therapeutischen Dosis (Ziel: Kraft/Schnellkraft)
  • Bodybuilding: 10- bis 100-faches der therapeutischen Dosis (Ziel: Muskelmasse)
  • Schnelligkeit (Leichtathletik): 1,5- bis 2-faches der therapeutischen Dosis (Ziel: Kraft/Schnellkraft)
  • Ausdauer (Leichtathletik): einfache therapeutische Dosis (Ziel: Antikatabolische Wirkung)[5]

Als therapeutische Dosis ist die Dosis zu verstehen, welche für das Medikament vom Hersteller angegeben ist. Um die Dosierungen im Rahmen zu halten, wird in der Literatur Stacking empfohlen. Darunter wird der geplante Wechsel zwischen verschiedenen der 17 verschiedenen anabolen Substanzen verstanden. Das Stacking ist im Rahmen der Periodisierung des sportlichen Trainings zu koordinieren.[6]

Nebenwirkungen

Bearbeiten

Bekannte Nebenwirkungen von Anabolika variieren je nach Dosis und Dauer der Einnahme. Bekannt sind:

Illegaler Handel

Bearbeiten

In den Ländern, in denen der Verkauf und Erwerb von anabolen Steroiden verboten ist oder diese nur gegen Rezept erworben werden können, gibt es oftmals einen großen Schwarzmarkt an anabolen Steroiden.[9] Diese Steroide werden hauptsächlich im Ausland hergestellt und illegal eingeführt. Wie in den meisten Fällen von Schmuggel ist auch beim Schmuggel von anabolen Steroiden hauptsächlich die Organisierte Kriminalität mit involviert.

In den vergangenen Jahren nahm auch die Zahl gefälschter anaboler Steroide zu. Die Ursache dafür liegt in der modernen Technologie, die es ermöglicht, die Produktdesigns leichter zu fälschen. Oftmals ist in diesen Produkten von pflanzlichen Ölen bis hin zu hochgiftigen Stoffen alles zu finden. Es sind Fälle berichtet, in denen Menschen nach der Einnahme von anabolen Steroiden starben. Oftmals führt die Einnahme von illegal erworbenen Steroiden zu Blutvergiftungen, Methanolvergiftungen oder Abszessen an der Injektionsstelle.[10] Dies, und die mangelnde Betreuung durch Fachärzte bei illegal eingenommenen Anabolika, sind mitunter gewichtige Antriebs- und Motivationsgründe für die weiter unten beschriebenen Legalisierungsbemühungen.

Rechtslage

Bearbeiten

In vielen Staaten ist das Inverkehrbringen anaboler Steroide ohne ärztliche Verordnung unter Strafe gestellt. Dennoch gibt es Staaten, in denen anabole Steroide ohne ärztliche Verordnung legal erworben werden können. In Deutschland fallen anabole Steroide unter das Arzneimittelgesetz und zusätzlich unter die Arzneimittelverschreibungsverordnung, so dass sie nur mit Erlaubnis gehandelt und nur mittels Rezept an den Endverbraucher abgegeben werden dürfen. Anabole Steroide werden von Ärzten aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (begrenzter therapeutischer Nutzen bei gleichzeitig schweren Nebenwirkungen) selten verordnet.

Historische Literatur

Bearbeiten
  • G. A. Overbeek: Anabole Steroide. Chemie und Pharmakologie. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg / New York 1966.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Shalender Bhasin, Thomas W. Storer, Nancy Berman, Carlos Callegari, Brenda Clevenger: The Effects of Supraphysiologic Doses of Testosterone on Muscle Size and Strength in Normal Men. In: New England Journal of Medicine. Band 335, Nr. 1, 4. Juli 1996, S. 1–7, doi:10.1056/NEJM199607043350101, PMID 8637535.
  2. Alessandro Donati: World Traffic in Doping Substances. (PDF; 530 kB) In: wada-ama.org. Februar 2007, abgerufen am 9. Februar 2023 (englisch).
  3. Junger Bodybuilder durch Steroide voller Narben. Erhalt der Muskelmasse für viele wichtiger als die eigene Gesundheit. In: Innovationsreport, 22. August 2008, abgerufen am 3. Februar 2009.
  4. Alex Vermeulen: Androgene und das kardiovaskuläre System. In: Medizin 2000 plus, 2000, 11, S. 28–29, hdl:1854/LU-126807, (dopingnews.de (Memento vom 7. März 2009 im Internet Archive)).
  5. Juan Manuel Garcia Manso: La Fueza. Findamentatcion, Valoracion y Entrenamiento. Gymnos, Madrid 1999, S. 139. vgl. Arnd Krüger: Spanische Doping-Dokumentation vom „Feinsten“. (Memento vom 1. November 2014 im Internet Archive) In: NZZ, 9. Dezember 2000.
  6. Steve Gallawax: The steroid bible. 3. Auflage. BI Press, Sacramento 1997, ISBN 1-890342-00-9.
  7. Leal C. Herlitz u. a.: Development of focal segmental glomerulosclerosis after anabolic steroid abuse. In: Journal of the American Society of Nephrology. Band 21, Nr. 1, Januar 2010, S. 163–172, doi:10.1681/ASN.2009040450, PMID 19917783.
  8. Elevated Testosterone Kills Nerve Cells. 27. September 2006.
  9. Charles Yesalis: Anabolic Steroids in Sport and Exercise. 2000, ISBN 0-88011-786-9.
  10. Dori Stehlin: For athletes and dealers, black market steroids are risky business. In: FDA Consumer, 1987.