Servier

französisches Pharmazieunternehmen

Les Laboratoires Servier ist ein französisches Pharmaunternehmen. Es wurde 1954 von Jacques Servier gegründet. Servier ist das zweitgrößte französische Pharmaunternehmen und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021/2022 weltweite Umsatzerlöse von rund 4,9 Milliarden Euro in rund 150 Ländern. Die Unternehmenszentrale befindet sich bei Paris (Suresnes) in Frankreich. Das Unternehmen beschäftigt etwa 22.400 Mitarbeiter. Über 20 Prozent der Pharma-Umsatzerlöse werden in Forschung und Entwicklung investiert. Eine deutsche Tochtergesellschaft für klinische Forschung wurde 1985 gegründet, die deutsche Vertriebs-Tochtergesellschaft 1996.[2][3]

Servier

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Rechtsform S.A.S
Gründung 1954
Sitz Suresnes, Frankreich Frankreich
Leitung Olivier Laureau (President)[1][2]
Mitarbeiterzahl 21.400 (2023)[3]
Umsatz 4,9 Mrd. Euro (2021/2022)[3]
Branche Pharmazie
Website www.servier.de
www.servier.com

Geschichte Bearbeiten

1954 wurde Servier von dem Arzt und Apotheker Jacques Servier als Forschungslabor mit neun Personen gegründet. 2021 beschäftigt Servier 22.500 Mitarbeiter in rund 150 Ländern.[2][3]

Nach dem Tod des Gründers im Jahr 2014 übernahm ein Stiftungsrat unter dem Vorsitz des Präsidenten Olivier Laureau die Leitung des Unternehmens.[2][4]

Von den ca. 4,9 Milliarden Euro Umsatz in 2021/22[3] entfielen ca. 3,7 Milliarden Euro auf so genannte Brandname Medikamente und ca. 1,2 Milliarden Euro auf Generika. Die Tochterfirma Biogaran ist das größte französische Generikaunternehmen; Egis ist eines der führenden Generikaunternehmen in Ungarn & Osteuropa.[5]

Servier besteht in Deutschland aus zwei Geschäftseinheiten: Servier Forschung und Pharma Entwicklung GmbH, München (gegründet 1985): Klinische Studien für alle DACH-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz). Und Servier Deutschland GmbH, München (gegründet 1996): u. a. Verwaltung, Medizin, Gesundheitspolitik/Market Access, Marketing und Vertrieb.[6]

Weltweit betreibt Servier:[7]

  • 5 Forschungszentren in Europa (3× Frankreich, 1× Ungarn, 1× Dänemark) und 1 Forschungszentrum in den USA
  • 16 Produktionsstandorte in 11 Ländern: 98 % der pharmazeutischen Grundstoffe von Serviers Original-Medikamenten werden in Frankreich produziert
  • 15 klinische Forschungszentren
  • 2 Servier-BioInnovation-Offices in 2 Ländern (USA, China)

Im Jahr 2023 wurde das Forschungs- und Entwicklungsinstitut von Servier im interdisziplinären Innovationszentrum von Paris-Saclay eröffnet.[8] Bereits in 2022 eröffnete Servier ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Boston, Massachusetts, USA.[9]

Medikamente Bearbeiten

In Deutschland werden insbesondere Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hämatologie & Onkologie und Depression vermarktet.

deprexis ist ein interaktives und individualisiertes Online-Psychotherapieprogramm zur Behandlung von milden bis mittelschweren Depressionen. Das Programm simuliert einen individuellen, dynamischen Dialog mit dem Patienten und verknüpft flexibel zehn Themenbereiche, überwiegend aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie.[25] deprexis ist seit dem 1. März 2021 als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verordnungsfähig und wird durch die gesetzlichen Krankenkassen bei unipolarer Depression und/oder depressiver Verstimmung ohne Zuzahlung durch die Patienten erstattet. Die betroffenen Patienten können deprexis entweder von ihrem behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten auf Rezept verordnet bekommen oder bei vorliegender Diagnose mit Genehmigung ihrer Krankenkasse erhalten.[26] deprexis wurde im Juli 2019 von Stiftung Warentest mit der Bestnote „empfehlenswert“ ausgezeichnet.[27][28]

Forschung und Entwicklung / Kooperationen Bearbeiten

Die Hauptgebiete in der Forschung von Servier sind Onkologie / Hämatologie, Neurodegenerative Erkrankungen & Autoimmunerkrankungen, Kardiologie / Metabolismus (Spezifische Projekte, z. B. Mehrfachkombinationen).[8] Zudem forciert Servier die Forschung, Entwicklung und den Vertrieb von Patienten-orientierten digitalen Anwendungen "beyond the pill".[29] Von München aus verantwortet Servier klinische Studien für die so genannten DACH-Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz). 2009 wurde das Unternehmen für das Arzneimittel Procoralan (Ivabradin) mit dem Galenus-von-Pergamon-Preis ausgezeichnet.[30]

  • Im Januar 2023 erhielt Vorasidenib zur Behandlung von bösartigen Hirntumoren in der EU "Orphan drug Status". Das bedeutet u. a., dass der Entwickler von der EMA wissenschaftliche und regulatorische Unterstützung erhält, um sein Medikament so weit voranzubringen, dass er eine Marktzulassung beantragen kann.[31] Im März 2023 hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA für Vorasidenib den Fast-Track-Status vergeben, was zu einer schnelleren Zulassung führen könnte.
  • Im September 2022 übte Servier die exklusive Lizenzierungsoption für das Kooperationsprogramm mit Oncodesign zur Behandlung von Parkinson durch LRRK2-Kinase-Inhibition aus.[32]
  • Im Juli 2022 eröffnete Servier ein globales Forschungs- und Entwicklungszentrum in Boston.[9]
  • Im April 2021 schloss Servier die Übernahme des Onkologie-Geschäftsbereichs von Agios Pharmaceuticals ab.[33]
  • Im April 2021 erfolgte die EU-Zulassung für ein Bevacizumab-Biosimilar, das Servier Deutschland als Teil der Kooperation mit mAbxience in Deutschland vertreibt.[34][35]
  • Im Juni 2020 schloss Servier die Übernahme von Symphogen ab. Dadurch soll die F&E-Pipeline im Bereich der antikörperbasierten Immunonkologie verstärkt werden.[36]
  • Im September 2019 erfolgte die europäische Zulassung von Lonsurf (Tipiracil) für eine neue Therapieoption von metastasiertem Magenkrebs.[14]
  • Ende August 2018 übernahm Servier international den Onkologie-Geschäftsbereich von Shire.[4][37][38]
  • Mit Novartis bestand von November 2017 bis September 2020 eine Vertriebs-Kooperation in Deutschland. Kern der Vereinbarung war die deutschlandweite Co-Promotion von Sacubitril/Valsartan (Handelsame: Entresto) zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion.[39]
  • Seit Mai 2017 besteht eine Kooperations-Erweiterung zwischen Servier und CTI BioPharma zur Vermarktung von Pixuvri (Pixantron) auch in Deutschland.[40]
  • Mit Boehringer Ingelheim bestand von Februar 2017 bis 2019 eine Vertriebs-Kooperation in Deutschland. Kern der Vereinbarung war die deutschlandweite gemeinsame Vermarktung (Co-Promotion) von Pradaxa (Dabigatran) und Praxbind (Idarucizumab) bei bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen.[41]
  • Anfang 2017 erfolgte eine Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Biotechnologie-Unternehmen Pieris Pharmaceuticals im Bereich „duale PD-1-Checkpoint-Inhibition“, um Krebszellen durch das körpereigene Immunsystem zu bekämpfen. Insgesamt werden gemeinsam bis zu fünf therapeutische Programme entwickelt und die Vertriebsrechte im Erfolgsfall geografisch aufgeteilt.[42]

Wissenschaftspreise Bearbeiten

Servier vergibt den folgenden Wissenschaftspreis:

  • Rudi Busse-Young-Investigator-Award

Mit dem nach Rudi Busse benannten Preis werden experimentell tätige junge Wissenschaftler bis 35 Jahre ausgezeichnet.

Galenus von Pergamon-Preis (Prix Galien) Bearbeiten

2009 erhielt Servier für Procoralan den Galenus von Pergamon-Preis (Prix Galien) in der Kategorie Primary Care.[30]

Skandal um das Präparat „Mediator“ Bearbeiten

Der auch als Appetitzügler eingesetzte Lipidsenker „Mediator“ (Benfluorex) wurde bis zum europaweiten Verbot des Präparats 2009 durch Servier vertrieben. Das Produkt wird für den Tod von mindestens 2000 Menschen weltweit verantwortlich gemacht. Mehrere Tausend Menschen mussten sich in stationäre Behandlung begeben, da das Mittel Herz- und Kreislaufschäden hervorgerufen haben soll. Ende März 2021 wurden die Urteile verkündet. Servier wurde zwar vom Betrugsvorwurf freigesprochen, aber zugleich der schweren Täuschung und fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Das Gericht erließ eine Geldstrafe von 2,7 Millionen Euro und verurteilte das Unternehmen zudem dazu, insgesamt mehrere hundert Millionen Euro Schadensersatz an die 6500 Kläger zu zahlen. Darüber hinaus wurde auch die für die Überwachung von Arzneimitteln zuständige nationale Gesundheitsbehörde ANSM zu einer Geldstrafe von 300.000 Euro verurteilt.[43][44]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Members of the Foundation Council, Company WebSite Servier (englisch), abgerufen am 11. August 2023
  2. a b c d An independent Group governed by a non-profit foundation, Company WebSite Servier (englisch), abgerufen am 11. August 2023
  3. a b c d e Servier key figures, Company WebSite Servier (englisch), abgerufen am 11. August 2023
  4. a b c d History WebSite Servier (englisch), abgerufen am 12. August 2023
  5. Servier full year 2021/22 results confirm the transformation trajectory of the Group, PM Servier vom 2. Februar 2023, abgerufen am 18. August 2023
  6. Servier in Deutschland, WebSite Servier Deutschland, abgerufen am 11. August 2023
  7. Servier Annual Report 2021–2022, Company WebSite Servier (englisch), abgerufen am 12. August 2023
  8. a b Servier Research & Development Institute, Company WebSite Servier (englisch), abgerufen am 12. August 2023
  9. a b Servier Affirms Commitment to Cancer by Announcing the Opening of a Global R&D Center and Expanded Offices in Boston's Seaport, PM vom 20. Juli 2022, abgerufen am 22. August 2023
  10. patienteninfo-service.de, der Roten Liste, abgerufen am 12. August 2023
  11. Servier stärkt Onkologie-Portfolio, www.journalonko.de, abgerufen am 12. August 2023
  12. patienteninfo-service.de, der Roten Liste, abgerufen am 14. August 2023
  13. patienteninfo-service.de, der Roten Liste, abgerufen am 12. August 2023
  14. a b EPAR Lonsurf, European Medicines Agency, abgerufen am 13. August 2023
  15. Phase-III-Studie zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Lonsurf (Trifluridin/Tipiracil) bei Patienten mit metastasiertem Magenkrebs, die Standardtherapien gegenüber resistent sind (die TAGS-Studie), erreicht primären Endpunkt, Servier Media Relations vom 9. Mai 2018, abgerufen am 12. August 2023
  16. EMA-Zulassung für LONSURF® in Kombination mit Bevacizumab, PM Servier vom 7. August 2023 (DocCheck geschützt), abgerufen am 16. August 2023
  17. patienteninfo-service.de, der Roten Liste, abgerufen am 12. August 2023
  18. patienteninfo-service.de, der Roten Liste, abgerufen am 12. August 2023
  19. a b c d e f PatientenInfoService der Roten Liste (www.patienteninfo-service.de), abgerufen am 12. August 2023.
  20. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, EMA, abgerufen am 13. August 2023
  21. Zusammenfassung des EPAR für die Öffentlichkeit, European Medicines Agency (EMA), abgerufen am 13. August 2023
  22. Übersicht über Tibsovo und warum es in der EU zugelassen ist | EPAR EMA, abgerufen am 14. August 2023
  23. Zulassungsempfehlung für Ivosidenib PZ vom 24. Februar 2023, abgerufen am 14. August 2023
  24. Leitliniengerechte Behandlung der Hypertonie, Dtsch Arztebl 2019; 116(4): A-151, abgerufen am 12. Mai 2021
  25. Deprexis24, WebSite von Servier Deutschland, abgerufen am 12. Mai 2021
  26. DiGA, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), abgerufen am 12. Mai 2021
  27. Stiftung Warentest, abgerufen am 12. Mai 2021
  28. Stern, abgerufen am 12. Mai 2021
  29. Was ist dran an „Beyond the Pill“?, Coliquio Insights 18. September 2017, abgerufen am 14. Mai 2021
  30. a b Galenus von Pergamon-Preis, Ärzte Zeitung vom 19. Oktober 2009, abgerufen am 14. Mai 2021
  31. Orphan designation for the treatment of glioma, EMA, abgerufen am 15. August 2023
  32. Parkinson: Servier exercises the exclusive licensing option on collaborative program with Oncodesign Precision Medicine, PM Servier vom 26. September 2022, abgerufen am 22. August 2023
  33. Servier Completes Acquisition of Agios Pharmaceuticals Oncology Business, PM Servier vom 1. April 2021 (englisch), abgerufen am 14. Mai 2021
  34. EPAR, European Medicines Agency (englisch), abgerufen am 14. Mai 2021
  35. EC approval for bevacizumab biosimilar Alymsys/Oyavas, Generics and Biosimilars Initiative (GaBI), abgerufen am 14. Mai 2021
  36. Servier schließt Übernahme von Symphogen ab, Wallstreet Online vom 4. Juni 2020, abgerufen am 14. Mai 2021
  37. Servier schließt Übernahme der Shire-Onkologika ab, Ärztezeitung vom 3. September 2018, abgerufen am 13. August 2023
  38. Shire sells cancer drugs to Servier for $2.4 billion as Takeda circles, Reuters vom 16. April 2018 (englisch), abgerufen am 13. August 2023
  39. Servier im Co-Vertrieb für Sacubitril/Valsartan, Ärztezeitung vom 18. Oktober 2017, abgerufen am 14. Mai 2021
  40. Servier ergänzt Onkologie-Portfolio durch Kooperations-erweiterung mit CTI BioPharma, PM Servier vom 3. Mai 2017, abgerufen am 14. Mai 2021
  41. Vertriebs-Kooperation Servier und Boehringer Ingelheim in Deutschland, PM Servier vom 20. Februar 2017, abgerufen am 14. Mai 2021
  42. Pieris Pharmaceuticals and Servier Forge Strategic Immuno-oncology Co-development, PM BioM vom 5. Januar 2017 (englisch), abgerufen am 14. Mai 2021
  43. Millionenstrafe für tödliche Appetitzügler. Tageschschau, 29. März 2021, abgerufen am 14. Mai 2021
  44. Rudolf Balmer: Urteil in Pharmaskandal: Schlankheitspille mit Todesfolge. Neue Zürcher Zeitung, 29. März 2021, abgerufen am 14. Mai 2021

Koordinaten: 48° 52′ 25″ N, 2° 13′ 36,5″ O