Refusenik (von englisch to refuse, „ablehnen“) oder Otkasnik (russisch отказник, von отказывать, d. h. „ablehnen“, hebräisch מסורבי mesorav) war ein inoffizieller sowjetischer Ausdruck für Personen, typischerweise sowjetische Juden, denen die Möglichkeit einer Emigration verweigert wurde.[1][2] Im gegenwärtigen Diskurs findet der Begriff Refuznik meist im Zusammenhang mit Israel Verwendung. Dort bezeichnet er Personen, die Militärdienst in der Armee (IDF) entweder ganz verweigern oder Dienst in den von Israel seit 1967 besetzt gehaltenen Gebieten im Westjordanland bzw. im Gazastreifen verweigern.

In Israel

Bearbeiten

Susan Sontag bezeichnete in Refusenik!: Israel’s Soldiers of Conscience die Wehrdienstverweigerer der israelischen Armee als Refuseniks. Die erste solche Bewegung gab es, als sich am 28. April 1970[3] während des sogenannten Abnutzungskriegs mit Ägypten 56[3] Gymnasiasten, die kurz vor der Einberufung standen, in einem Brief an die Regierung von Golda Meir kritisch zum Militärdienst äußerten. Die Gymnasiasten protestierten damit gegen deren Weigerung, auf Verhandlungsangebote einzugehen, die Nahum Goldmann (WJC) und Gamal Abdel Nasser angebahnt hatten. Unter den Unterzeichnern befand sich Shmouel Chem-Tov[3] der Sohn von Victor Chem-Tov, einem Minister der Partei Mapam. Der Brief wurde in Haaretz veröffentlicht. Die meisten der Unterzeichner leisteten einige Monate später jedoch den Dienst, einige an der ägyptischen Front.

Seitdem gab es zahlreiche Initiativen dieser Art. Beispielsweise wurde in Folge des Libanonkriegs der 1980er Jahre die Gruppe Jesch Gvul[4] gegründet. Am 19. August 2001[5] kündigten 62 Gymnasiasten der Gruppe Schministim[5] (dt. etwa Die vom 12. Schuljahr) in einem Brief an Ariel Scharon Dienstverweigerung an. Der Name der Gruppe war ein Verweis auf eine ähnliche Organisation in den 1970er Jahren. Die Öffentlichkeit reagierte ablehnend auf ihr Anliegen.[5] Einige der Schüler verbrachten die ganzen[5] für den Militärdienst vorgesehenen drei Jahre im Gefängnis. Andere Mitglieder der Gruppe erhielten in Einzeleinheiten abzusitzende Gefängnisstrafen von 133 bis 160 Tagen.[5]

Die Gruppe Ometz LeSarev[5] bildeten 52[5] Offiziere und Unteroffiziere, die im Januar 2002[5] erklärten, nicht mehr zum Dienst in den besetzten Gebieten bereit zu sein. Sie konnten in den folgenden zwölf Monaten rund 1000[5] Nachahmer finden. Dem Aufruf schlossen sich 2003 in einer öffentlichen Erklärung an die Regierung zum ersten Mal in der Geschichte der Luftwaffe 27[5] Militärpiloten an, darunter der Brigadier General Yiftah Spector.[6] Spector gab jedoch später an, er habe die Erklärung, keine zivilen Ziele (mit)angreifen zu wollen, zuvor nicht gründlich gelesen.[7] Die Öffentlichkeit reagierte in weiten Teilen mit Verständnis,[5] da die Refuznik das Argument ihrer großen Diensterfahrung[5] vorbrachten. Die Justizreform von 2023 durch das Kabinett Netanjahu VI brachte einen neuen Anstieg der Dienstverweigerung unter Schülern[8] mit bevorstehendem Militärdienst und unter den Reservisten. Anerkannte Refuznik sind weiter politischen Anfeindungen ausgesetzt.[9]

Adaptionen

Bearbeiten

Unter der Regie von Laura Bialis wurde 2007 ein US-amerikanischer Dokumentarfilm unter dem Titel Refusenik über die Bemühungen und Schwierigkeiten der Emigration sowjetischer Juden gedreht.[10]

Literatur

Bearbeiten
  • Asaf Shapira: Arbaïm Chanah LeMikhtav HaChministim HaRischon. Israel Democracy Institute, 24. April 2010 (hebräisch).
  • Peretz Kidron (Hrsg.), Susan Sontag (Redakteur): Refusenik!: Israel’s Soldiers of Conscience. Palgrave Macmillan, 2004, ISBN 1-84277-451-4.
Bearbeiten
Commons: Refuseniks – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Mark Azbel, Grace Pierce Forbes: Refusenik, trapped in the Soviet Union. Houghton Mifflin, 1981, ISBN 0-395-30226-9.
  2. Dan Senor, Saul Singer, foreword by Shimon Peres: Start-up Nation – The Story of Israel's Economic Miracle. 2. Auflage. Twelve (Hachette Book Group), New York 2011, ISBN 978-1-4555-0239-4, S. 153.
  3. a b c Steve Jourdin, préface de Élie Barnavi: Israël : autopsie d’une gauche (1905-1995). Hrsg.: Jean-Luc Veyssy. Éditions le bord de l’eau, Lormont (Gironde) 2021, ISBN 978-2-35687-802-1, S. 183 f.
  4. Juliet J. Pope: The Place of Women in Israeli Society. In: Keith Kyle, Joel Peters (Hrsg.): Whither Israel? – The Domestic Challenges. The Royal Institute of International Affairs/I. B. Tauris Publishers, London/New York 1993, ISBN 1-85043-643-6, Kap. 11, S. 202–222, hier S. 218.
  5. a b c d e f g h i j k l Thomas Vescovi: L’échec d’une utopie – Une histoire des gauches en Israël. Éditions La Découverte, Paris 2021, ISBN 978-2-348-04311-6, S. 266 f.
  6. Michel Goya: L’Embrasement: Comprendre les enjeux de la guerre Israël-Hamas. Hrsg.: Christophe Parry. Éditions Perrin/Éditions Robert Laffont, Paris 2024, ISBN 978-2-221-27544-3, S. 52.
  7. Lily Galili: Top-ranking Refuser Modifies His Stand on Pilots' Letter. In: Haaretz. 3. Oktober 2003, abgerufen am 26. Juni 2024.
  8. Linda Dayan: 'The Overhaul Opened Their Eyes': Israeli Youth Publicly Refuse Draft. In: Haaretz. 4. September 2023, abgerufen am 4. September 2023.
  9. Linda Dayan: A Conscientious Objector's Vision of Life for Israelis and Palestinians From the River to the Sea. In: Haaretz. 17. Juni 2024, abgerufen am 26. Juni 2024.
  10. Review von Refusenik auf avclub.com, 8. Mai 2008 (englisch).