Predator: The Secret Scandal of J-Pop

britischer Dokumentationsfilm (2023)

Predator: The Secret Scandal of J-Pop (japanischer Titel: J-POPの捕食者 秘められたスキャンダル) ist ein britischer Dokumentationsfilm aus der Dokumentationsreihe This World des Senders BBC, welcher erstmals am 7. März 2023 auf BBC 2 gezeigt wurde.

Dokumentarfilm
Titel Predator: The Secret Scandal of J-Pop
Produktionsland Vereinigtes Königreich
Originalsprache Englisch, Japanisch
Erscheinungsjahr 2023
Produktions­unternehmen BBC
Stab
Regie Megumi Inman
Drehbuch Mobeen Azhar
Besetzung
  • Mobeen Azhar: Interviews

Die Regie führte Megumi Inman, während der Journalist und Filmemacher Mobeen Azhar das Drehbuch anfertigte und Interviews mit verschiedenen Persönlichkeiten führte.

Die Dokumentation fokussiert sich auf das Unternehmen Johnny & Associates, dessen Gründer Johnny Kitagawa sowie seinen Skandalen wegen sexuellen Missbrauchs gegen frühere Schützlinge.

Hintergrund Bearbeiten

Johnny Kitagawa (* 1931; † 2019) war ein US-amerikanisch-japanischer Geschäftsmann und Talentsucher, der vor allem durch die Gründung seiner Talentagentur Johnny & Associates zu einem der einflussreichsten Persönlichkeiten in der japanischen Unterhaltungsindustrie wurde.[1][2]

Zwischen den Jahren 1988 bis Anfang der 2000er-Jahre war Kitagawa Hauptangeklagter in mehreren Fällen von sexuellem Missbrauch an seinen Schützlingen, die von unsachgemäßen Berührungen bis hin zu Vergewaltigung an mehreren minderjährigen Jungen reichten.[1][2][3] Bis zum Jahr 2017 war es in Japan vom Gesetz her nicht möglich, dass Jungen und Männer Opfer von Vergewaltigung sein konnten, weswegen Kitagawa lediglich aufgrund von Kindesmissbrauch angezeigt wurde.[4] Im Jahr 1999 veröffentlichte das japanische Magazin Shukan Bunshun eine zehnteilige Artikelreihe, die sich mit mehren Fällen des sexuellen Missbrauchs an Minderjährige durch Kitagawa auseinandersetzten.[5] Vor Gericht wurde ausgesagt, dass die Anschuldigungen gegen Kitagawa unwahr sind und wohl von ehemaligen Mitarbeitern der Talentagentur ausgegangen seien.[2] Offizielle sagten aus, dass weder die Jugendlichen noch deren Eltern Anzeige gegen Kitagawa erhoben haben.[2][3]

Kitagawa verklagte das Shukan-Bunshun-Magazin später aufgrund von Verleumdung[6] und erhielt in erstinstanzlicher Ebene einen Schadenersatz in Höhe von knapp neun Millionen Yen zugesprochen, welche nach einer Revision herabgesetzt wurde.[1][3] Abseits des wöchentlich erscheinenden Shukan Bunshun berichtete keines der führenden Medienformate über die Anschuldigungen, der Anhörung vor dem Parlament oder den Gerichtsprozess, was mit Kitagawas massivem Einfluss auf die Medien erklärt wurde.[2][3]

Inhalt Bearbeiten

Die Dokumentation geht zu Beginn auf die Geschichte der Talentagentur Johnny & Associates und deren Erfolg, vor allem auf nationaler Ebene ein und beschreibt knapp die innere Struktur des Unternehmens.

Kitagawa gilt als Begründer des Talentsystems, welches bis heute im J- und K-Pop Anwendung findet.[7] Es wurden kurze Interviews mit Teilen der Bevölkerung geführt, in der die Interviewpartner unter anderem über die Rolle Kitagawas für die japanische Popmusikindustrie befragt wurden. Kitagawa gilt als Erfinder der japanischen Popmusik und als Erfinder der Musikrichtung.[7][8] Innerhalb der japanischen Gesellschaft genießt Kitagawa über seinen Tod hinaus großes Ansehen und wird als Held, gar als Gott betrachtet.[9] Im weiteren Verlauf der Dokumentation werden Vertreter des Shukan-Bunshun-Magazins, ehemalige Talente der Agentur sowie die Anwälte der Betroffene über die Missbrauchsvorwürfe, den Gerichtsprozess und die scheinbare Verweigerung der Berichterstattung durch die japanischen Medien befragt.

Während die Berichterstattung über die Missbrauchsvorwürfe gegen Kitagawa in den japanischen Medien keine Erwähnung fanden, wurde über dessen Tod im Jahr 2019 auf nationaler Ebene berichtet. Es wurde ein Gedenkkonzert im Tokyo Dome mit mehr als 150 Künstlern aus seiner Talentagentur veranstaltet; selbst der damalige Premierminister Shinzō Abe betrauerte den Tod Kitagawas und veröffentlichte eine Kondolenznachricht.[7]

Die Dokumentation legt offen, wie sich Kitagawa an seinen Schützlingen vergangen haben soll. So habe er junge „Talente“, die eine künstlerische Ausbildung in seiner Agentur durchlaufen, zu sich nach Hause eingeladen und in einem Bereich, der als „Wohnheim“ oder „Schlafstube“ Bekanntheit erlangte, übernachten lassen. Laut Aussagen diverser Betroffener lief der Aufenthalt in Kitagawas Anwesen ähnlich ab: Diese seien von „Freundlichkeit, Rücksichtnahme, ein gemeinsames Bad, Massagen usw.“ geprägt gewesen.[9]

Veröffentlichung Bearbeiten

Die einstündige Dokumentation wurde am 7. März 2023 auf BBC Two ausgestrahlt und ist Teil der Dokumentationsreihe This World des Muttersenders BBC.[9] Am 10. April 2023 wurde eine um fünfzehn Minuten gekürzte Fassung der Dokumentation im Rahmen der Dokumentationsreihe Four Corners auf ABC gezeigt.

Rezensionen und Auswirkungen Bearbeiten

Lucy Mangan schrieb am 7. März 2023 eine Rezension über die Dokumentation für die britische Zeitung The Guardian, in der sie den Inhalt des Films kurz zusammenfasste.[9] Die Dokumentation zeige einen seltenen Einblick, wie Grooming funktioniere und wie tief die Psychologie von Missbrauch ist. Anstatt die Schamkultur Japans und die Wichtigkeit der Höflichkeit innerhalb der japanischen Gesellschaft weiter zu erörtern, reagiere Azhar mit kindischer Wut und Unglauben. Auch seine Reaktion auf die Ablehnung eines Interviews mit der Agentur Johnny & Associates empfindet sie mehr reizend als professionell.[9]

Infolge der Dokumentation kündigte die Talentagentur unter Führung von Kitagawas Nichte Julie Fujishima in einem Statement an, daran zu arbeiten, die organisatorischen Strukturen des Unternehmens transparent offenzulegen.[7] Auch traten nach der Ausstrahlung der Dokumentation weitere Berichte in Magazinen und Büchern ans Tageslicht, die bis in die 60er-Jahre zurückreichen; das älteste Schriftstück stammt aus der japanischen Zeitung Sankei Shimbun, datiert auf den 29. März 1965.[10] Im April 2023 erklärte der Musiker Kauan Okamoto in einer Pressemitteilung vor dem Foreign Correspondents’ Club of Japan, dass er zwischen 2012 und 2016 mehrfach von Kitagawa sexuell missbraucht wurde und beschuldigte das Management des Unternehmens von den Vorfällen gewusst zu haben.[11] Okamoto gab zu Protokoll, dass zu Kitagawas Zeit bei Johnnys & Associates zwischen 100 und 200 Jungen in sein Anwesen eingeladen wurden, und diejenigen, zu denen er sagte, dass sie „heute Abend früh zu Bett gehen“ sollten, die nächsten seien mit denen Kitagawa verkehrt.[12][13]

Kurz nach der Pressekonferenz Okamotos gab die Agentur bekannt, die Fälle innerhalb des Unternehmens zu prüfen, ohne dabei gezielt auf die Anschuldigungen Okamotos Stellung einzugehen.[13] Wenige Wochen später berichtete der japanische Fernsehsender NHK, dass das Unternehmen seine Mitarbeiter und Talente bezüglich der Vorwürfe befrage, um weitere Details herauszufinden. In einem veröffentlichten Dokument, dass Johnny & Associates an seine Geschäftspartner versandte, hieß es, dass erste Befragungen keine neuen Verdachtsfälle hervorgebracht habe, diese aber bei weitem nicht ausreichend seien, um die ganze Wahrheit ans Licht zu führen.[14] Im Mai 2023 entschuldigte sich Präsidentin Fujishima und kündigte an, Maßnahmen ergreifen zu wollen, um den Betroffenen Hilfe anzubieten.[15] Penlight, eine Fangruppierung der Agentur, forderte diese auf die Ermittlungen der Missbrauchsvorwürfe fortzusetzen, da Fujishimas Statement viele Fragen unbeantwortet ließen.[16][17]

Die Geschäftsführer der Fernsehsender NHK, Fuji TV, Nippon TV und TV Asahi verurteilten in ihren Pressekonferenzen den Kindesmissbrauch und kündigten interne Untersuchungen an, wobei die Zusammenarbeit mit Künstlern der Agentur Johnny Associates bestehen blieben.[18][19][20][21][22][23]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Chris Campion: J-Pop's dream factory. In: The Guardian. 21. August 2005, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  2. a b c d e Calvin Sims: Lawmakers In Japan Hear Grim Sex Case. In: The New York Times. 14. April 2000, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. Mai 2009; abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  3. a b c d Mark D. West: Secrets, Sex, and Spectacle: The Rules of Scandal in Japan and the United States. University of Chicago Press, 2008, ISBN 978-0-226-89408-9, S. 210 (englisch).
  4. Sayuri Umeda: Japan: Sex Crime Law to Be Amended. In: Library of Congress. 16. März 2017, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  5. James Oaten, Yumi Asada: J-pop mogul Johnny Kitagawa was accused of sexually assaulting young boys in his care, but even in death, he was protected. In: ABC News. 10. März 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  6. Justin McCurry: Japan's star-maker accused of sexually abusing boys. In: The Guardian. 23. April 2000, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  7. a b c d Rhian Daly: Johnny Kitagawa: J-pop founder who faced decades of sexual abuse allegations. In: Rolling Stone. 7. März 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  8. Mark: Japanese pop culture’s ‘godfather’ Johnny Kitagawa accused of child sexual exploitation – BBC. In: Newsrebeat.com. 8. März 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  9. a b c d e Lucy Mangan: Predator: The Secret Scandal of J-Pop review – a breathtaking look at Japan’s paedophile boyband ‘god’. In: The Guardian. 7. März 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  10. Sakiku Yamaguchi: ジャニーズ性加害報道、最初は「1965年」 雑誌や書籍の追及はなぜ見過ごされたか. In: Bengo4.com. 12. Mai 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).
  11. Ex-J-pop hopeful alleges sexual abuse by late music mogul Kitagawa. In: Kyodo News. 12. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  12. Mark Schilling: Johnny Kitagawa, Late Japanese Talent Mogul, Accused of Sexual Abuse by Former Teen Star Okamoto Kauan. In: Variety. 12. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  13. a b Yuri Kageyama: Musician Kauan Okamoto alleges talent manager assaulted him. In: Associated Press. 12. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  14. Japanese talent agency looking into alleged sexual abuse by late president. In: NHK. 22. April 2023, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. April 2023; abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  15. Johnny's head apologizes for alleged sexual abuse by late Kitagawa. In: Kyodo News. 14. Mai 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  16. Justin McCurry: Japanese talent agency apologises over claims founder sexually abused boys. In: The Guardian. 15. Mai 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  17. Fans Call for Further Probe by Johnny & Associates on Alleged Abuse. In: Nippon.com. 15. Mai 2023, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Mai 2023; abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  18. NHK、ジャニー喜多川さんの「性的行為」問題報じる…夕方の5分ニュースで. In: Bengo4.com. 13. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).
  19. ジャニー喜多川氏から性的行為を受けた、元ジャニーズ事務所所属男性が公表…「15歳の僕に悪いこと」. In: Yomiuri Shimbun. 12. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).
  20. Former Johnny’s Jr. , accused of sexual damage by the late Johnny Kitagawa-CNN.co.jp. In: Japan Posts English. 14. April 2023, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. April 2023; abgerufen am 11. Juli 2023 (englisch).
  21. 元ジャニーズJr.、故ジャニー喜多川氏による性的被害を告発. In: CNN Japan. 14. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).
  22. タッキー退社“最後のひと押し”にBBC報道説…ジャニーズ事務所は性被害疑惑調査で自浄なるか. In: Nikkei Gendan. 26. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).
  23. ジャニー喜多川氏の性的行為問題、テレビ各局「コメント控える」「推移を見守る」. In: Yomiuri Shimbun. 28. April 2023, abgerufen am 11. Juli 2023 (japanisch).