Newmark-beta-Verfahren sind Methoden zur impliziten numerischen Integration von Differentialgleichungen. Die Verfahren gehören zu den Einschrittverfahren, da zur Berechnung der Werte zur Zeit nur die Werte des vorangegangenen Zeitschritts zur Zeit benötigt werden. Dabei werden zwei Parameter und eingeführt, mit denen die Stabilität und die Genauigkeit des Verfahrens gesteuert werden. Die Verfahrensklasse ist in der numerischen Analyse der Dynamik von Festkörpern wie in der Finite-Elemente-Methode weit verbreitet. Benannt ist sie nach Nathan M. Newmark, der sie 1959 für die Anwendung in der Strukturdynamik entwickelte.[1]

Herleitung Bearbeiten

 
Annahme linearer oder konstanter Beschleunigung

Im Zeitintervall  , in dem eine Lösung   einer Differentialgleichung zweiter Ordnung in der Zeit gesucht wird, sei eine streng monoton steigende Folge von Zeitpunkten   vorgegeben, zu denen die Lösung   berechnet werden soll. Der Wert der Variable  , ihre Rate   und Beschleunigung   seien zur Zeit   bekannt. Die Beschleunigung wird im Intervall   linear interpoliert, siehe Bild:

(I)      

worin   eine Näherungslösung der gesuchten Funktion   bezeichnet. Integration über die Zeit liefert mit  :

(II)      

(III)      

Mit

     und     

sind diese Formeln für lineare Systeme exakt und liefern das lineare Beschleunigungsverfahren. Die von Newmark ursprünglich angegebenen Werte

     und     

entsprechen dem #Konstante Durchschnittsbeschleunigungsverfahren mit

 .

Unter der Voraussetzung, dass die Extremwerte der Beschleunigung im Intervall   an den Grenzen des Intervalls auftreten, stellen die Integrale in Gleichungen (II) und (III) eine abgebrochene Taylorreihe mit Restglied dar, wobei mit   und   andere Approximationen   gefunden werden. So können auch andere Werte für die Konstanten   und   motiviert werden.

Start der Berechnung Bearbeiten

Der Newmark-Algorithmus startet zur Zeit   mit  . Zumeist wird angenommen, dass für   die Beschleunigungen verschwinden. Mit dieser Annahme ist der Algorithmus unter Vorgabe der Anfangswerte   und Anfangsgeschwindigkeit   selbststartend, d. h. die Anfangsbeschleunigungen brauchen nicht in einem ersten Schritt berechnet zu werden.

Aktualisierung der Variablen Bearbeiten

Mit dem Newmark-Algorithmus werden aus gegebenen Werten   und   zur Zeit   die entsprechenden Werte zur Zeit   berechnet. Die im Intervall   liegenden Werte können mit den Gleichungen (I) bis (III) interpoliert werden. Mit   und   bekommt man aus Gleichungen (II) und (III):

(IV)      ,

(V)      .

Die beiden Gleichungen (IV) und (V) enthalten drei Unbekannte   und  . Die dritte zum Abschluss benötigte Gleichung liefert die zu lösende Differentialgleichung.

Bei   kann auch   als primäre Unbekannte gewählt werden:

 
 .

Sind einmal die Werte   und   berechnet, wird der Zähler   inkrementiert und die Berechnung fortgesetzt, bis das Ende des interessierenden Zeitintervalls erreicht ist.

Spezialfälle Bearbeiten

Konstante Durchschnittsbeschleunigungsverfahren Bearbeiten

Die ursprüngliche Form des Newmark-Verfahrens entspricht einer konstanten mittleren Beschleunigung

 

mit der man in den obigen Formeln (IV) und (V)

  und  

bekommt.

Gleichung Folgerung
   
   

Zentrale Differenzenquotienten Bearbeiten

Die zentralen Differenzenquotienten

(VI)     

(VII)      

entsprechen den obigen Formeln (IV) und (V) mit

  und  .
Gleichung Folgerung
   
   

Explizite Zeitintegration Bearbeiten

Das explizite Zeitintegrationsverfahren gehört nicht zur Familie der (impliziten!) Newmark-beta Algorithmen und wird hier nur zu Vergleichszwecken angegeben. Die obigen Formeln (VI) und (VII) für die zentralen Differenzen sind äquivalent zu

 
 .

Hier fällt auf, dass die Geschwindigkeiten immer in der Mitte der Zeitintervalle berechnet werden. Mit der Annahme

 

können die Werte   und die Geschwindigkeiten   zum Zeitpunkt   auf bereits bekannte Ergebnisse   zurückgeführt werden und die Differentialgleichung liefert die Bestimmungsgleichung für die nunmehr einzige Unbekannte  .

Beispiel Bearbeiten

 
Zeitintegration mit Algorithmen der Newmark Familie

Eine Schwingung gehorche in Abwesenheit einer Erregung der homogenen Differentialgleichung

 .

Mit den Anfangsbedingungen

 
 

hat die Differentialgleichung die analytische Lösung

 

zu der die Anfangsbeschleunigung

 

gehört. Die Differentialgleichung liefert die Gleichung für die primäre Unbekannte   :

 

Die Zeitintegration mit dem Newmark-Verfahren ergibt die Gleichungen für die Werte   und Raten   aus der Tabelle

Parameter Aktualisierungsvorschrift
   
   
   
explizit  

Die Lösungen im Intervall   und   haben den Verlauf im Bild. Die mittlere Abweichung

 

gibt die Tabelle:

Verfahren Mittlere Abweichung  
Lineares Beschleunigungsverfahren 0.021778594324355638
Zentrales Differenzenverfahren 0.022202937295615111
Konstante mittlere Beschleunigung 0.043283257071468406
Explizites Verfahren 0.022202937295615576

Literatur Bearbeiten

  • Robert Gasch, Klaus Knothe, Robert Liebich: Strukturdynamik, Springer Verlag 2012, ISBN 978-3-540-88977-9
  • T. Belytschko, T.J.R. Hughes (Hrsg.): Computational methods for transient analysis. North-Holland 1986. ISBN 9780444864796

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Newmark, Nathan M.: A method of computation for structural dynamics. In: Journal of Engineering Mechanics. 85 (EM3). ASCE, 1959, S. 67–94.