Muazzez İlmiye Çığ

türkische Sumerologin

Muazzez İlmiye Çığ, geboren als Muazzez İlmiye İtil (* 20. Juni 1914 in Bursa) ist eine türkische Sumerologin.

Muazzez İlmiye Çığ

Biographie und Karriere Bearbeiten

Die zum Volk der Krimtataren gehörenden Vorfahren von Muazzez İlmiye İtil hatten die Krim verlassen und waren in die Türkei ausgewandert; die Familie ihres Vaters hatte sich in Merzifon niedergelassen, die ihrer Mutter in Bursa. Dort kam Muazzez nur wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur Welt. Ihre Eltern zogen zunächst nach İzmir und später, nachdem griechische Truppen am 15. Juni 1919 in İzmir einmarschiert waren, weiter nach Çorum.

In Çorum besuchte sie die Grundschule, später in Bursa die Privatschule Bizim Mektep, wo sie Französisch und Geige spielen lernte. Im Jahr 1926 bestand sie die Eintrittsprüfung der Bursa Kız Muallim Mektebi (Lehrerinnenschule in Bursa). Nach der Absolvierung dieser Schule 1931 wurde sie in Eskişehir eingesetzt, wo auch ihr Vater als Lehrer tätig war. Sie übte diesen Beruf viereinhalb Jahre lang in Bursa aus.

Im Einklang mit dem republikanischen Zeitgeist suchte die von Mustafa Kemal Atatürk gegründete Sprach-, Geschichts- und Geographiefakultät der Universität Ankara gezielt weibliche Studenten. Muazzez Çığ bewarb sich 1938 und bekam einen Platz in der Abteilung für Altertumswissenschaften. Dort studierte sie bei den aus dem Dritten Reich geflüchteten deutsch-jüdischen Wissenschaftlern Hans Gustav Güterbock und Benno Landsberger Deutsch, Hethitologie und Sumerologie. Im Jahr 1940 schloss sie ihr Studium ab. Zur gleichen Zeit heiratete sie Kemal Cığ (1913–1983), den Direktor des Topkapi Museums in Istanbul[1]; mit ihm blieb sie zeit seines Lebens zusammen.[2]

 
Sumerische Tontafel

Am Archäologischen Museum Istanbul arbeitete sie im Team von Samuel Noah Kramer an der Restaurierung und Übersetzung von 75.000 sumerischen Tontafeln. 1971 ging sie in den Ruhestand. Sie blieb in der Disziplin aktiv und besuchte internationale Sumerologen-Kongresse, übersetzte „Die Geschichte beginnt mit Sumer“ von Samuel Noah Kramer ins Türkische und verfasste eine Vielzahl populär-wissenschaftlicher Werke für die türkische Leserschaft.[3]

Kopftuchdebatte Bearbeiten

Als Historikerin stellte sie die These auf, dass sich das Kopftuch erstmals bei den Sumerern nachweisen lässt. Es sei bei den Sumerern eine Kleidervorschrift für Tempelhuren gewesen. Diese wissenschaftliche These brachte ihr 2006 eine Klage wegen Verbreitung religiöser Feindschaft (Beleidigung des Islam) ein. Das Gericht sprach sie frei und kam zu dem Schluss, dass ihr Buch keine Feindseligkeiten in der Türkei schüre.[4]

 
Büste von Muazzez İlmiye Çığ in einem öffentlichen Park in Kuşadası

Dokumentarfilm Bearbeiten

Der Dokumentarfilm Son Sümer Kraliçesi (dt. Die letzte sumerische Königin) durchleuchtet ihr Leben und gibt Einblicke in die sumerische Geschichte.[5]

Ehrungen Bearbeiten

  • Ehrendoktortitel der Philosophischen Fakultät der Universität Istanbul (4. Mai 2000)[6]
  • Büste im öffentlichen Park von Kuşadası

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Muazzez İlmiye Çığ'a armağan kitap. Cumhuriyet'e adanan bir ömür. Kaynak Yayınları, Galatasaray, İstanbul 2009, ISBN 978-975-343-554-3.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Muazzez İlmiye Çığ – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kemal Cığ im Turkologischen Anzeiger Online (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kjc-fs2.kjc.uni-heidelberg.de auf uni-heidelberg.de, abgerufen am 4. November 2015.
  2. odatv Muazzez İlmiye Çığ: „Favori kadının sensin“
  3. Hürriyet: Muazzez Çığ stands among the world’s best Sumerologists
  4. NZZ: Freispruch für türkische Historikerin – Kopftuch-These keine Beleidigung des Islam
  5. Hürriyet: „Son Sümer Kraliçesi“ belgeseli
  6. Biografische Informationen auf biyografi.info, türkisch, abgerufen am 4. November 2015.