Lutz Reichardt

deutscher Bibliothekar und Ortsnamenforscher

Lutz Reichardt (* 30. Dezember 1934 in Berlin-Schmargendorf; † 29. April 2009 in Biberach an der Riß) war ein deutscher Bibliothekar und als Namenforscher ein maßgeblicher Vertreter der südwestdeutschen Toponomastik.

Leben Bearbeiten

Reichardt besuchte bis 1943 zunächst die Grundschule an seinem Geburtsort und nach dem Umzug nach Goslar das dortige Gymnasium, an dem er Abitur machte. An den Universitäten Marburg und Göttingen studierte er von 1955 bis 1962 die Fächer Germanistik, Geschichte und Sport. 1962 legte er das erste Staatsexamen für das höhere Lehramt ab und war bis zum Assessorenexamen Referendar in Helmstedt und Braunschweig. Reichardt trat anschließend jedoch nicht in den Schuldienst ein, sondern absolvierte ein zweites Referendariat, diesmal als Bibliothekar an den Universitätsbibliotheken von Marburg und Köln. Nach dem neuerlichen Abschluss (1966) arbeitete er zunächst an der Universitätsbibliothek Marburg. Als erster Doktorand des Germanisten Joachim Göschel wurde er 1972 in Marburg mit einer ortsnamenkundlichen Arbeit promoviert.[1] Sein beruflicher Weg führte ihn über die Universitätsbibliothek Ulm im Jahre 1976 an die Pädagogische Hochschule Esslingen, deren Bibliothek er bis 1984 leitete, und schließlich an die Universitätsbibliothek Stuttgart, wo er 1999 als Oberbibliotheksrat in den Ruhestand trat.

Werk Bearbeiten

Reichardt wurde bekannt als „Altmeister der Württembergischen Ortsnamenkunde“.[2] Mit zehn zwischen 1982 und 2001 bei der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg veröffentlichten Ortsnamenbüchern und dem 2004 erschienenen dialekthistorischen Register Der zentralschwäbische Mundartraum habe Reichardt – so heißt es – der Ortsnamenforschung in Württemberg „ein neues Fundament“ gegeben.[3] Obschon als historisch–philologische Ortsnamenbücher typisiert, hätte bei Reichardts Veröffentlichungen der Schwerpunkt „eindeutig auf der Philologie“ gelegen,[4] ein Umstand, der bei Historikern auch zu Kritik führte.[5] Freilich gab es gelegentlich auch begründete Einwände in philologischer Hinsicht.[6] Dem Bearbeiter wurde jedoch grundsätzlich zugutegehalten, dass gewisse „Irrtümer nur durch eine äußerst intensive und zeitraubende, einem Sprachwissenschaftler nicht abzuverlangende Auseinandersetzung mit den Quellen eines Raumes vermieden werden“ könnten.[7] Reichardt wurde 1986 zum korrespondierenden, 1990 zum ordentlichen Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg berufen.

Ehrungen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Gerhard Taddey: Personifizierte Namensforschung in Südwestdeutschland: Lutz Reichardt. In: Ulrich Sieber (Hrsg.): Ortsnamensforschung in Südwestdeutschland. Eine Bilanz. Festkolloquium anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. Lutz Reichardt am 10. Dezember 1999. (= Universität Stuttgart. Reden und Aufsätze, 63). Stuttgart 2000, ISBN 3-926269-31-6, S. 9–15, doi:10.18419/opus-5836
  • Der Südwesten im Spiegel der Namen. Gedenkschrift für Lutz Reichardt. Hrsg. von Albrecht Greule und Stefan Hackl (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen, 184. Band). Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021795-9.
  • Rolf Max Kully: Gleich – ähnlich – anders. Namenkundliche Denkanstöße aus Lutz Reichardts Werk. In: Albrecht Greule, Rolf Max Kully, Wulf Müller, Thomas Zotz (Hrsg.): Die Regio Basiliensis von der Antike zu Mittelalter – Land am Rheinknie im Spiegel der Namen (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen, 195. Band). Stuttgart 2013, ISBN 978-3-17-023379-9, S. 149–159.

Bibliografie Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Publiziert als Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen, Alsfeld und Lauterbach in Hessen. Namenbuch. (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik, 86). Göppingen 1973, ISBN 3-87452-173-7.
  2. Kully: Gleich – ähnlich – anders (s. Literatur), S. 149.
  3. Der Südwesten im Spiegel der Namen (s. Literatur), rückseitiger Einbandtext.
  4. Martina Winner: Baden-Württemberg in Ortsnamenbüchern. In: Der Südwesten im Spiegel der Namen (s. Literatur), S. 1–9, S. 3. – Eine „rein sprachwissenschaftliche Zielsetzung“ sah Thaddäus Steiner: Rez. Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Kreises Göppingen. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 60 (1993), S. 372–374, S. 372.
  5. Heinz Bühler: Rez. Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Kreises Heidenheim. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 49 (1990), S. 501–505; dazu Meinrad Schaab: Die neuen Ortsnamenbücher für die Landkreise in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, ebda. S. 505–507.
  6. Wolfgang Wille: Rez. Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Ostalbkreises. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 59 (2000), S. 572–574; ders.: Rez. Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Kreises Böblingen. Ebda. 62 (2003), S. 582–584.
  7. Klaus Graf: Rez. Lutz Reichardt: Ortsnamenbuch des Kreises Göppingen. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, 27, 1991, S. 131–134, bsz-bw.de (PDF).
  8. Ortsnamensforschung in Südwestdeutschland (s. Literatur).