Die Linealgeometrie bezeichnet die Einschränkung von Konstruktionsaufgaben der euklidischen Geometrie, bei der der Zirkel nicht verwendet werden darf (und somit auch keine Winkel oder anderen Zeichengeräte). Lediglich das Lineal (ohne Skaleneinteilung) darf verwendet werden. Manchmal wird auch zum Beispiel die Verwendung eines einzelnen Kreises zusätzlich erlaubt, die weitere Konstruktion darf dann aber nur noch mit dem Lineal erfolgen. Die Bezeichnung stammt von Johann Heinrich Lambert (in seinem Buch Freye Perspective, Zürich 1759, 1774). Die Linealgeometrie wurde außer von August Ferdinand Möbius[1] vor allem von Jakob Steiner und Karl Georg Christian von Staudt ausgebaut. Von Steiner und Jean Victor Poncelet stammt der Satz, dass Konstruktionen mit Zirkel und Lineal auch mit Lineal und einem vorgegebenen Kreis ausgeführt werden können.[2]

Linealgeometrie, Halbierung einer Strecke
Linealgeometrie, Halbierung einer Strecke

Beispiele

Bearbeiten

Tangenten an Kreis

Bearbeiten
 
Bild 1: Tangenten an Kreis

Gegeben sei ein Punkt   und ein Kreis (Mittelpunkt nicht bekannt). Gesucht sind die beiden Tangenten von   an den Kreis (siehe Bild 1). In der Linealgeometrie erhält man die Lösung folgendermaßen: Man zieht von   aus zwei Sekanten durch den Kreis und erhält die Punkte   bis   Es folgen die Verbindungen der Punkte   mit   und   mit   sowie die Halbgeraden ab   durch   und ab   durch   dabei ergeben sich die Schnittpunkte   bzw.   Zieht man jetzt eine Linie von   durch   bis zum Kreis, erhält man die beiden Tangentenpunkte   und  

Parallele zu einer Geraden

Bearbeiten

Es ist nicht möglich, mit dem Lineal allein eine Parallele zu einer gegebenen Geraden zu zeichnen. Ist jedoch auf der Geraden eine Strecke und deren Halbierungspunkt – wie im Bild 2 dargestellt – gegeben, kann man eine Parallele zur Geraden konstruieren.[3]

Es sei   eine Strecke auf einer Geraden,   der Halbierungspunkt von   sowie   ein Punkt, durch den die gesuchte Parallele zu   verlaufen soll.

Man beginnt mit einer Halbgeraden ab   durch   und einem darauf beliebig festgelegten Punkt   Es folgen die Verbindungen der Punkte   mit     mit   sowie   mit  ; dabei ergibt sich der Schnittpunkt   Nun zieht man eine gerade Linie ab   durch   bis sie die Strecke   in   schneidet. Die abschließende Gerade durch   und   ist die gesuchte Parallele.[4]

 
Bild 2: Parallele durch   zur gegebenen Strecke   nach Steiner

Halbierungspunkt einer Strecke

Bearbeiten

Es ist nicht möglich, mit dem Lineal allein eine Strecke zu halbieren. Ist jedoch zu einer Strecke eine Parallele – wie im Bild 3 dargestellt – vorgegeben, kann man den Halbierungspunkt der Strecke konstruieren.[3]

Gegeben sei eine Strecke   und eine Parallele zu   Gesucht ist der Halbierungspunkt der Strecke  .

Man beginnt damit, einen beliebig festgelegten Punkt   mit den Punkten   und   zu verbinden; dabei entstehen die Schnittpunkte   bzw.   Es folgen die Verbindungen der Punkte   mit   sowie   mit  ; dabei ergibt sich der Schnittpunkt   Abschließend zieht man eine gerade Linie ab   durch   bis zur Strecke   und erhält damit den gesuchten Halbierungspunkt   der Strecke  [4]

 
Bild 3: Halbierungspunkt   der Strecke   nach Steiner

Siehe auch

Bearbeiten
  • Linealgeometrie. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 572.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Möbius Von den metrischen Relationen in dem Gebiete der Lineal-Geometrie, Journal für reine und angewandte Mathematik, Band 4, 1829.
  2. Jakob Steiner: Die geometrischen Konstructionen, ausgeführt mittelst der geraden Linie und Eines festen Kreises, als Lehrgegenstand auf höheren Unterrichts-Anstalten und zur praktischen Benutzung. Hrsg.: Ferdinand Dümmler. Berlin 1833 (Titelansicht [abgerufen am 26. Januar 2020]).
  3. a b J. Sommer: Elementare Geometrie vom Standpunkt der neueren Analysis aus, Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften, Band III, 1,2, S. 790 ff., 7. Konstruktionen mit dem Lineal. SUB Göttinger Digitalisierungszentrum, abgerufen am 26. Januar 2020.
  4. a b Jakob Steiner: Die geometrischen Konstructionen, ausgeführt mittelst der geraden Linie und Eines festen Kreises, als Lehrgegenstand auf höheren Unterrichts-Anstalten und zur praktischen Benutzung. Hrsg.: Ferdinand Dümmler. Berlin 1833 (ETH-Bibliothek, II Konstructionen mittels Lineal unter gewissen Voraussetzungen [Seite 14 §. 6.] S. 15, Aufgabe I. siehe auch Tafel I, Fig.3 [abgerufen am 26. Januar 2020]).