Krönung der Jungfrau (Botticelli)

Gemälde von Sandro Botticelli

Die Krönung der Jungfrau (italienisch Incoronazione della Vergine) oder auch Krönung Mariens mit vier Heiligen ist ein Altarbild des italienischen Renaissance-Malers Sandro Botticelli, das sich früher in der Kirche des Dominikanerkonvents von San Marco befand und daher auch den Namen Altarbild von San Marco (italienisch Pala di San Marco) trägt. Heute befindet sich das Gemälde in den Uffizien und zählt nach seiner Restaurierung zu den Hauptwerken aus Botticellis Spätzeit.

Krönung der Jungfrau (Krönung Mariens mit vier Heiligen) (Sandro Botticelli)
Krönung der Jungfrau
(Krönung Mariens mit vier Heiligen)
Sandro Botticelli, 1489–1490
Tempera auf Pappelholz
378 × 258 cm
Galleria degli Uffizi, Florenz

Bildbeschreibung

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Sandro Botticelli

Der Bildraum, der nach oben nahezu halbkreisförmig abschließt, ist in zwei deutlich voneinander getrennte Abschnitte unterteilt. Im oberen Bildabschnitt ist eine Begebenheit aus den himmlischen Sphären mit Gottvater und Maria dargestellt, im unteren Abschnitt findet sich dagegen eine irdische Szenerie mit vier Heiligen vor einer hügeligen Landschaft. Das obere Bildfeld ist auf einem leuchtenden Goldgrund gestaltet und grenzt sich dadurch von der schlichten unteren Bildhälfte ab, in der durch eine Landschaft mit einem graublauen Himmel als Hintergrund räumliche Tiefe vermittelt wird.

Gottvater und Maria, die beide eine eher sitzende Körperhaltung eingenommen haben, befinden sich auf einem feinen Wolkenteppich, der von einem blumenverzierten Goldgrund umgeben ist. Gottvater ist im Begriff, der sich demutsvoll verneigenden Maria mit seiner linken Hand die Krone aufs Haupt zu setzen, während er ihr mit der Rechten seinen Segen erteilt. Die Krönung Mariens ereignete sich nach der Vorstellung der katholischen Kirche mit der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel. Die Marienkrönung war seit dem Mittelalter ein bedeutendes Thema in der bildenden Kunst.

 
Altarretabel mit Predella

Gottvater und Maria werden umrahmt von geflügelten Cherubim und Seraphim, die eine senkrecht ausgerichtete dunkelblau-rote Gloriole bilden. Die Cherubim und Seraphim, die menschliche Gesichter erkennen lassen, zählen seit dem Frühmittelalter zu obersten Hierarchie der Neun Chöre der Engel und erfüllen eine Schutz- und Wächterfunktion. In horizontaler Ausrichtung sind Gottvater und Maria umgeben von einem Reigen schwebender Engel, die in der Engelhierarchie und entsprechend bildlich unter den Cherubim und Seraphim angeordnet sind. Der Reigen umfasst etwa 16 Engel, von denen wahrscheinlich vier verdeckt sind. Die räumliche Tiefe des Reigens wird verstärkt, indem im Hintergrund zwischen Maria und Gottvater ein Engel hinter den Goldstrahlen sichtbar wird. Links und rechts sind über dem Reigen jeweils zwei weitere blumenstreuende Engel abgebildet.

In der unteren Bildhälfte stehen die vier Heiligen:

Die vier Heiligen bringen in unterschiedlichen Haltungen ihre Reaktionen auf das himmlische Geschehen zum Ausdruck. Die ersten drei sind jeweils mit einem Buch in der Hand abgebildet, da sie in ihren Werken von der Aufnahme Mariens in den Himmel berichtet haben. Johannes weist mit weit ausholendem rechten Arm auf das himmlische Geschehen, während er in der linken Hand sein Evangelium dem Betrachter darbietet. Augustinus notiert konzentriert die Krönung Mariens in seinen Aufzeichnungen. Hieronymus blickt andächtig auf das himmlische Geschehen und legt ergriffen von dem Ereignis in der jenseitigen Welt die Hand auf sein Herz. Eligius wendet dagegen als einziger seinen durchdringenden Blick auf den Betrachter und hebt mit einer Segensgeste die rechte Hand. Als Schutzheiliger der Goldschmiedezunft wendet er sich mit seinem Segen in erster Linie an deren Mitglieder. Alle Heiligen zeichnen sich durch eine ausgeprägte Plastizität und eine für Botticellis Werk ausdrucksstarke Mimik aus. Auffallend ist die Anteilnahme aller Bildfiguren, die sich in ihrer Intensität von den früheren Darstellungen Botticellis absetzt und ein wichtiges Charakteristikum seines Spätwerks ankündigt. Auch die Engel sind von einem wirbelnden Schwung ergriffen, der sich in ihren stark gebauschten Gewändern und bewegten Haaren zeigt.

Unterhalb des Altaraufsatzes (Altarretabel) befindet sich ein langer Sockel (Predella) mit einer schmalen Bildnis, das thematisch zu den Darstellungen des Altarretabels Bezug nimmt. Fünf Szenen, die durch aufgemalte gedrechselte Säulen voneinander getrennt sind, beschreiben besondere Begebenheiten aus dem Leben der Heiligen und der Gottesmutter. Ganz links sieht man den Evangelisten Johannes beim Verfassen einer seiner Schriften auf Patmos, wohin er von römischen Kaiser Domitian verbannt wurde. Im nächsten Bild sieht man Augustinus in seiner Klosterzelle an einem Tisch sitzend mit Bücherschränken im Hintergrund. Im mittleren Feld ist eine Verkündigungsszene mit Maria und dem Erzengel Gabriel abgebildet. Dann folgt ein Bild mit Hieronymus bei einer Bußübung während seiner dreijährigen Askese. Ganz links werden legendenhafte Ereignisse aus der Zeit von Eligius als Hufschmied dargestellt. In einer dieser Legenden muss der Heilige ein vom Teufel besessenes Pferd beschlagen und trennt ihm dazu ein Vorderbein ab. Nachdem er das Hufeisen befestigt hat, setzt er dem Pferd das Bein mit dem Kreuzzeichen wieder an. In der Mitte zwischen dem Pferd und dem Heiligen versteckt eine Frau ihre Nase. Hier wird auf eine Begebenheit angespielt, bei der Satan in Frauengestalt in die Hufschmiede kam, um ihn zu verführen. Eligius erkannte ihn jedoch und trennte ihm mit einer glühenden Zange die Nase ab.

Hintergrund

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Gegen Ende der 1480er Jahre hatte sich Botticelli mit dem Bardi-Altar, der Tafel von San Barnaba und dem Verkündigung von Cestello ein hohes Ansehen als Maler von Altarbildern erworben. Wahrscheinlich nach Fertigstellung der Verkündigung von Cestello erhielt Botticelli zwischen 1489 und 1490 von der Zunft der Goldschmiede den Auftrag, für ihre Kapelle in der Kirche des Dominikanerkonvents von San Marco ein Altarbild anzufertigen. Die Goldschmiede gehörten zur Zunft der Arte della Seta und waren für die Pflege von San Marco zuständig. Daher hatten sie ein starkes Interesse daran, ein besonders repräsentatives Altarbild zu stiften. Das zeigt sich bereits in der ungewöhnlichen Größe des Gemäldes, dessen bemalte Fläche mit 9,75 m² fast alle Altarbilder im Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts übertraf. Auch das Hochaltarbild von San Marco, das Fra Angelico geschaffen hatte, war deutlich kleiner. Da die Marienkrönung nur für einen Nebenaltar bestimmt war, musste hier die Größe des Bildes besonders auffallen.

Repräsentativ waren auch das Thema und die formale Struktur von Botticellis Gemälde. Häufig wählte man für den Schmuck von Hochaltären groß- und hochformatige Marienbilder. Ein weiterer Grund für die Wahl des Formats ergibt sich aus dem Thema des Bildes, denn die Marienkrönung setzt die Himmelfahrt Mariens und ihre Ankunft im Himmel voraus. Hieraus ergibt sich eine gewisse Notwendigkeit, das Gemälde in eine irdische und eine himmlische Zone zu unterteilen und das Sujet im Hochformat darzustellen. Allerdings war in Florenz zu jener Zeit ein oben rund abgeschlossenes Altarbild ungewöhnlich. Dieser Typus war damals vor allem in Oberitalien verbreitet.

Der mittelalterlich anmutende Goldgrund im oberen Bildabschnitt lässt sich durch die Auftraggeber erklären. Zweifellos wollte die Zunft der Goldschmiede mit der aufwendigen Benutzung des Goldes auf ihren Beruf hinweisen. Dadurch wird auch die Präsenz des ansonsten selten dargestellten Eligius verständlich, der als Schutzheiliger der Goldschmiede verehrt wurde. Dazu fügte man den Evangelisten Johannes als Patron der Arte della Seta, der Zunft der Seidenhändler, die mehrere Gilden umfasste, unter anderem jene der Goldschmiede.

Die Landschaft im Hintergrund des unteren Bildteils wirkt dagegen sehr einfach und schlicht. Wahrscheinlich wurde die Landschaft von Hilfskräften aus Botticellis Werkstatt ausgeführt, was bei etablierten Malern nicht ungewöhnlich war. Ein weiterer Grund für die Schlichtheit der unteren Bildhälfte dürfte die vergleichsweise geringe Bezahlung für das Altarbild gewesen sein. Botticelli erhielt für das Gemälde 200 Goldflorin, also etwa dieselbe Summe wie für den wesentlich kleineren Bardi-Altar. Diese Unterschiede in der Bezahlung ergaben sich aus den finanziellen Möglichkeiten und Ansprüchen der Auftraggeber. Dementsprechend darf die außerordentliche Gesamtfläche des Bildes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Marienkrönung von Botticelli und seiner Werkstatt im Detail einfach und ohne ein allzu anspruchsvolles Bildprogramm ausgeführt wurde.

Provenienz und Rezeption

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Das Altarbild mit dem Rahmen aus der Kirche Santa Maria dei Battilani

Das Altarbild, von dem mehrere Skizzen und Kompositionszeichnungen erhalten geblieben sind, verblieb in der Seitenkapelle von San Marco bis Ende des 16. Jahrhunderts und war in dieser Zeit sehr populär. Giorgio Vasari erwähnte das Gemälde auch in seinem Werk Le vite, einer Sammlung von Künstlerbiographien.[1] Anhand von Kupferstichen fand das Altarbild auch Verbreitung außerhalb Italiens. Dann wandelte sich der Kunstgeschmack und 1596 wurde das Werk im Verlauf einer Neugestaltung der Kapelle mit einem frühbarocken Gemälde der Verklärung Christi von Giovanni Battista Paggi ersetzt. Man brachte es daraufhin im Kapitelsaal des anliegenden Klosters unter. Zu dieser Zeit ging wahrscheinlich die ursprüngliche Einfassung verloren und wurde später durch einen fein geschnitzten Rahmen ersetzt, der aus der Florentiner Kirche Santa Maria dei Battilani stammte. 1808 kam das Gemälde im Zuge der Enteignung kirchlicher Güter unter Napoleons Herrschaft über Italien in die Accademia, wo es 1830 von Francesco Acciai einer ersten Restaurierung unterzogen wurde.

1919 wurde das Altarbild anlässlich der Reorganisation der staatlichen Sammlungen in die Uffizien verbracht, wo es 1921 von Fabrizio Lucarini erneut restauriert wurde. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustands konnte man die Qualität des Werks nicht vollständig einschätzen. Die Ursache für Schadhaftigkeit des Gemäldes ist vor allem bei Botticelli selbst zu finden. Der Maler unterließ die übliche Grundierung und trug die Farbe unmittelbar auf die Holztafel auf. Gleichzeitig benutzte er bei der Herstellung der Farben ungewöhnlich viel Öl, sodass sie zu schnell trockneten und aus diesem Grund nicht in das Holz eindrangen. Beide Faktoren verursachten die Loslösung der Farben von ihrem Untergrund. Zuletzt war das Gemälde nahezu vollständig mit Papierstreifen bedeckt, die notdürftig die vollständige Loslösung der Farben verhindern sollten.

1969 wurde das Werk in die Florentiner Restaurierungswerkstatt der Fortezza da Basso verbracht, um seine endgültige Zerstörung zu verhindern. Es durfte dabei nur waagrecht transportiert werden, da die Farbe von dem Holzträger abzufallen drohte. In zwanzigjähriger Restaurierungsarbeit, die vom Opificio delle Pietre Dure unter der Leitung von Marco Ciatti und Antonio Paolucci durchgeführt wurde, fixierte man die Farbpartikel wieder an ihrem Holzträger und besserte die Fehlstellen aus. 1990 wurde das Bild mit einem schlichten Rahmen in einer viel beachteten Ausstellung in den Uffizien präsentiert, um die Qualität des Gemäldes und der Restaurierung zu würdigen. Seitdem hat das Altarbild eine Neu- und Umbewertung erfahren, da es sich von den vorangegangenen Altarbildern formal und stilistisch deutlich unterscheidet. Es zählt nun zu den ersten Werken, in denen ein Stilwandel des Künstlers erkennbar wird, der den Beginn seines Spätwerks markiert. Diese Schaffensphase, in der sich Botticelli nahezu ausschließlich mit religiösen Themen befasste, zeichnet sich sich durch intensive Gefühlsregungen der Bildfiguren und einer schlichten Bildkomposition aus. Das Altarbild gilt heute auch wegen seiner innovativen Bildunterteilung als eines der Hauptwerke aus Botticellis Spätzeit.

Literatur

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Commons: Altarbild von San Marco – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Giorgio Vasari: Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori. Band 1, Giunti, Florenz 1568, S. 471 (pdf).