Kosmologie schwarzer Löcher

kosmologisches Modell

Die Kosmologie des Schwarzen Lochs (auch Schwarzschild-Kosmologie oder kosmologisches Modell des Schwarzen Lochs genannt) ist ein kosmologisches Modell, in dem das beobachtbare Universum das Innere eines Schwarzen Lochs ist. Solche Modelle wurden in den 1970er Jahren von dem theoretischen Physiker Raj Kumar Pathria[1] und parallel dazu von dem Mathematiker Irving John Good[2] vorgeschlagen.

Ein solches bereits 1935 vom englischen Mathematiker und Astrophysiker Edward Arthur Milne beschriebenes Modell setzt voraus, dass der Hubble-Radius des beobachtbaren Universums gleich seinem Schwarzschild-Radius ist, das heißt dem Produkt aus seiner Masse und der Schwarzschild-Proportionalitätskonstante. Der Radius des Partikelhorizonts wächst demnach mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit::[3]

Hierbei stehen die Symbole für die Gravitationskonstante und für das Alter des Universums. Der heutige Wert beträgt zirka 46,6 Lichtjahre. Diese Hypothese impliziert, dass sich die Masse des Universums oder die Gravitationskonstante zeitlich verändern könnten, wobei die Änderung der Gravitationskonstante innerhalb von tausend Jahren weit unterhalb der Messgenauigkeit liegen würde.[3]

Es ist bekannt, dass diese Hypothese nahezu zutreffend ist; einzelne Kosmologen halten diese enge Übereinstimmung jedoch für einen Zufall.[4]

In der ursprünglich von Pathria und Good vorgeschlagenen und in jüngerer Zeit unter anderem von Nikodem Popławski untersuchten Version[5] ist das beobachtbare Universum das Innere eines Schwarzen Lochs, das als eines von möglicherweise vielen innerhalb eines größeren Mutteruniversums oder Multiversums existiert.

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie bildet der Gravitationskollaps einer ausreichend kompakten Masse ein singuläres Schwarzschild-Schwarzes Loch. In der Einstein-Cartan-Sciama-Kibble-Gravitationstheorie hingegen bildet er eine reguläre Einstein-Rosen-Brücke, ein Wurmloch. Schwarzschild-Wurmlöcher und Schwarzschild-Schwarze Löcher sind unterschiedliche mathematische Lösungen der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Einstein-Cartan-Theorie. Für Beobachter sind die Außenbereiche beider Lösungen bei gleicher Masse jedoch ununterscheidbar. Die Einstein-Cartan-Theorie erweitert die allgemeine Relativitätstheorie, indem sie eine Symmetriebeschränkung der affinen Verbindung aufhebt und ihren antisymmetrischen Teil, den Torsionstensor, als dynamische Variable betrachtet. Die Torsion ist die natürliche Erklärung für den quantenmechanischen Eigendrehimpuls (Spin) der Materie. Die minimale Kopplung zwischen Torsion und Dirac-Spinoren erzeugt eine abstoßende Spin-Spin-Wechselwirkung, die in fermionischer Materie bei extrem hohen Dichten von Bedeutung ist. Eine solche Wechselwirkung verhindert die Bildung einer Gravitationssingularität. Stattdessen erreicht die kollabierende Materie eine enorme, aber endliche Dichte und prallt ab, wobei sie die andere Seite einer Einstein-Rosen-Brücke bildet, die zu einem neuen Universum heranwächst.[6] Demnach war der Urknall ein nicht-singulärer Big Bounce, bei dem das Universum einen endlichen, minimalen Skalenfaktor hatte.[7] Oder der Urknall war ein supermassives weißes Loch, das aus einem supermassiven schwarzen Loch im Herzen einer Galaxie in unserem Mutteruniversum entstand.

Die von Joel Smoller und Blake Temple 2003 vorgeschlagene Stoßwellenkosmologie sieht den „Urknall“ als eine Explosion im Inneren eines Schwarzen Lochs, die das expandierende Volumen von Raum und Materie erzeugt, das das beobachtbare Universum umfasst. Dieses schwarze Loch wird schließlich zu einem weißen Loch, da die Materiedichte mit der Ausdehnung abnimmt.[8] Eine verwandte Theorie schlägt vor, dass die Beschleunigung der Ausdehnung des beobachtbaren Universums, die normalerweise der dunklen Energie zugeschrieben wird, durch einen Effekt der Schockwelle verursacht werden könnte.[9]

Einzelnachweise

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  1. Pathria, R. K.: The Universe as a Black Hole. In: Nature. 240. Jahrgang, Nr. 5379, 1972, S. 298–299, doi:10.1038/240298a0, bibcode:1972Natur.240..298P (englisch).
  2. Good, I. J.: Chinese universes. In: Physics Today. 25. Jahrgang, Nr. 7, Juli 1972, S. 15, doi:10.1063/1.3070923, bibcode:1972PhT....25g..15G (englisch).
  3. a b Edward Arthur Milne: Relativity, gravitation and world-structure. Clarendon Press, Oxford, Great Britain 1935, World picture on the simple kinematic model - Comparison with local Newtonian gravitation and dynamics - §§412-418, S. 291–294 (englisch).
  4. Landsberg, Peter Theodore: Mass Scales and the Cosmological Coincidences. In: Annalen der Physik. 496. Jahrgang, Nr. 2, 1984, S. 88–92, doi:10.1002/andp.19844960203, bibcode:1984AnP...496...88L (englisch).
  5. Popławski, N. J.: Radial motion into an Einstein-Rosen bridge. In: Physics Letters B. 687. Jahrgang, Nr. 2–3, 2010, S. 110–113, doi:10.1016/j.physletb.2010.03.029, arxiv:0902.1994, bibcode:2010PhLB..687..110P (englisch).
  6. Popławski, N. J.: Cosmology with torsion: An alternative to cosmic inflation. In: Physics Letters B. 694. Jahrgang, Nr. 3, 2010, S. 181–185, doi:10.1016/j.physletb.2010.09.056, arxiv:1007.0587, bibcode:2010PhLB..694..181P (englisch).
  7. Popławski, N.: Nonsingular, big-bounce cosmology from spinor-torsion coupling. In: Physical Review D. 85. Jahrgang, Nr. 10, 2012, S. 107502, doi:10.1103/PhysRevD.85.107502, arxiv:1111.4595, bibcode:2012PhRvD..85j7502P (englisch).
  8. Joel Smoller, Blake Temple: Shock-wave cosmology inside a black hole. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 100. Jahrgang, Nr. 20, 30. September 2003, ISSN 0027-8424, S. 11216–11218, doi:10.1073/pnas.1833875100, PMID 12972640, PMC 208737 (freier Volltext), arxiv:astro-ph/0210105, bibcode:2003PNAS..10011216S (englisch).
  9. Clara Moskowitz: 'Big Wave' Theory Offers Alternative to Dark Energy. In: Space.com. 17. August 2009, abgerufen am 23. März 2024 (englisch).