Kissinger Sommer

jährlich stattfindendes internationales Musikfestival in Bad Kissingen, Bayern

Der Kissinger Sommer ist ein jährlich stattfindendes internationales Musikfestival in Bad Kissingen.

Geschichte Bearbeiten

Anfangsjahre Bearbeiten

Das Festival findet seit 1986 von Mitte Juni bis Mitte Juli statt. Da Bad Kissingen damals nahe an der Grenze zur DDR lag, legte das Festival in den Anfangsjahren seinen Schwerpunkt auf die Festigung der kulturellen Verbindungen zwischen Ost- und Westeuropa. Jedes Jahr war ein osteuropäisches Land Partner des Festivals, beginnend mit Ungarn im Jahr 1986. Polen, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion folgten. So wurde das Festival zu einem Ort der Begegnung mit Künstlern aus West und Ost, vor allem aus den jeweiligen Partnerländern und Ostdeutschland.[1] Unter den Künstlern der ersten Jahre waren Ludwig Güttler, Dmitri Sitkowetski, Boris Pergamenschikow und Swjatoslaw Richter. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs erweiterte sich das Spektrum des Festivals. Die Partnerländer kamen nun aus ganz Europa, hinzu kamen Nordamerika und China.[2]

Das Programm umfasst Barockmusik, Klassik, Romantik und Moderne, Kammermusik und Vokalmusik. Einerseits gibt es Auftritte international bekannter Künstler. Zu den bereits aufgetretenen Interpreten zählen die Sängerin Cecilia Bartoli, der Countertenor Philippe Jaroussky, die Pianisten Lang Lang, Jewgeni Kissin, Arcadi Volodos, Grigori Sokolow, Jean-Yves Thibaudet und Lars Vogt. Andererseits treten auch junge Künstler auf, für die der Kissinger Sommer oft ein Sprungbrett am Beginn ihrer Karriere wurde. Darunter waren bislang unter anderem David Garrett, Igor Levit und Diana Damrau.

Zeitgenössische Musik Bearbeiten

Das Festival bietet seit seinen Anfangsjahren auch ein Podium für zeitgenössische Komponisten wie Alfred Schnittke, Sofia Gubaidulina, Edison Denissow oder Aribert Reimann, Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka und Udo Zimmermann.[3] Es wurden auch Werke von Jean Françaix (Dixtuor im Jahr 1987[4]), Krzysztof Penderecki (Sinfonietta Nr. 2 im Jahr 1994[5]) und Fazil Say (Sonata für Klarinette und Klavier, op. 42, im Jahr 2012[6]) uraufgeführt. Seit 2006 gibt es in der „Bad Kissinger Liederwerkstatt“ Konzerte mit Uraufführungen, die von zeitgenössischen Komponisten mit den jeweiligen Interpreten speziell für den Kissinger Sommer erarbeitet werden.[7] Bis zum Jahr 2018 waren so im Rahmen der Liederwerkstatt bereits rund 80 Uraufführungen zusammengekommen.[8] Uraufführungen gibt es aber weiterhin auch außerhalb der Liederwerkstatt, so 2018 das Konzert Nr. 1 für Violine und Orchester von Gediminas Gelgotas[9] und 2019 eine Neufassung der Oper „Orfeo ed Euridice“ von Damian Scholl[10].

Intendanten Bearbeiten

Seit seiner Gründung wurde das Festival über 30 Jahre lang von Intendantin Kari Kahl-Wolfsjäger geleitet. Sie beendete ihre Tätigkeit mit dem Kissinger Sommer 2016.[11]

Im April 2015 berief der Stadtrat von Bad Kissingen Tilman Schlömp, zuvor Leiter des Künstlerischen Betriebs beim Beethovenfest Bonn, zum Nachfolger von Kahl-Wolfsjäger ab dem Veranstaltungsjahr 2017.[12] Er ersetzte das Konzept der Partnerländer durch Schwerpunktthemen, beginnend 2017 mit dem Schwerpunkt „1830 – Romantische Revolution“.[13] Der Kissinger Sommer 2018 stand unter dem Motto „1918 – Aufbruch in die Moderne“.[14][15][16][17] Im Sommer 2019 wurden Konzerte dem Thema „1762 – nach der Natur gemalt“ gewidmet. Außerdem führte Schlömp neue Formate ein, darunter die Institution eines festen Festivalorchesters.[18] Der Kissinger Sommer 2020 zum Thema „1770-1827 Beethoven-Metamorphosen“ musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen.[19] Allerdings gab es im Herbst 2020 eine Kurzfassung mit sechs Konzerten.[20] Mit dem Kissinger Sommer 2021 (Motto: „Fin de de Siècle – Erinnerungen an eine Epoche“) lief Schlömps Vertrag aus.[21]

Zu Schlömps Nachfolger ab dem Veranstaltungsjahr 2022 wurde Alexander Steinbeis berufen, der zuvor Orchesterdirektor des DSO Berlin war.[22][23] Als Schwerpunkt seiner ersten Spielzeit wählte er unter dem Titel „Wien. Budapest. Prag. Bad Kissingen“ die kulturellen Verbindungen zwischen Bad Kissingen und der Habsburger Monarchie.[24] Um neue Besuchergruppen zu erschließen führte er kostenlose Prélude-Konzerte unter freiem Himmel an wechselnden Orten ein und machte vermehrt Konzerte auch im Internet verfügbar.[25]

Spielorte Bearbeiten

Die Konzerte finden in den Sälen des Regentenbaus und im Kurtheater Bad Kissingen sowie an Spielorten in der Umgebung statt, wie z. B. der Stadtpfarrkirche in Hammelburg, im Kursaal von Bad Brückenau oder im Kloster Maria Bildhausen. Im Jahr 2015 kamen zu den rund 50 Konzerten mehr als 25.000 Besucher.[26] Für 2016 wird die Zahl der Besucher mit knapp unter 30 000 angegeben.[27]

Artists in Residence Bearbeiten

Artists in Residence waren bislang unter anderem Ning Feng und Igor Levit (2014)[28], Daniil Trifonov (2016)[29], Patricia Kopatchinskaja und Vesselina Kasarova (2017)[30], Sol Gabetta (2018)[31] und Julia Lezhneva (2019)[32]. Von 2017 bis 2021 wurde die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zum Festivalorchester berufen.[33][34]

 
Der Konzertsaal „Regentenbau“ ist einer der Hauptveranstaltungsorte des Kissinger Sommers und Winterzaubers

Luitpoldpreis Bearbeiten

Alljährlich vergibt der am 24. Januar 1992 gegründete Förderverein Kissinger Sommer – nach 20-jährigem Bestehen mit über 1.100 Mitgliedern der größte Sponsor des Musikfestivals[35] – den mit 5.000 Euro dotierten Luitpoldpreis. Dieser Förderpreis ist nach dem Prinzregenten Luitpold von Bayern benannt, dem Bauherrn des Bad Kissinger Festspielhauses Regentenbau, und wird seit 1999 von einer aus Fachleuten und Laien gemischt besetzten Jury an jenen jungen Künstler vergeben, der im jeweiligen Sommerfestival besonders positiv auffiel.

Zu diesen Preisträgern gehörten bisher:

Kissinger Klavierolymp Bearbeiten

Verbunden mit dem Kissinger Sommer ist der Kissinger KlavierOlymp, ein Wettbewerb junger Pianisten im Herbst, der seit 2003 stattfindet. Der Preis für die Sieger ist ein Auftritt beim Kissinger Sommer. Zu den Preisträgern gehörten bisher unter anderem Martin Helmchen, Igor Levit, Alice Sara Ott, Herbert Schuch, Kit Armstrong, Olga Scheps und Behzod Abduraimov.[57]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. mehrere Autoren (1989) „Travel and Exchange“, GDR Bulletin, Vol. 15: Iss. 2. [1]
  2. @1@2Vorlage:Toter Link/www.deseretnews.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Weltstars und junge Elite - Ein Festival vom Feinsten. In: infranken.de. 17. Juni 2015, abgerufen am 24. Februar 2024.
  4. Françaix Dixtuor (Memento vom 11. Februar 2017 im Internet Archive)
  5. http://www.klassika.info/Komponisten/Penderecki_Krzysztof/Symphonie/1994_04/index.html
  6. https://de.schott-music.com/shop/sonata-952.html
  7. Thomas Ahnert: Die „LiederWerkstatt“ des Kissinger Sommers ist immer für Überraschungen gut | nmz - neue musikzeitung. In: nmz.de. 8. Juli 2015, abgerufen am 16. März 2024.
  8. Jesper Klein: Fräulein Else sucht nach Musik, Frankfurter Allgemeine, 4. Juli 2018, S. 11
  9. Elke Tober-Vogt: Als hätte der Komponist die Natur belauscht, Main Post, 9. Juli 2018
  10. Thomas Ahnert: Wie eine neue Oper Trauerarbeit leisten kann, Saale-Zeitung, 8. Juli 2019
  11. Susann El Kassar: Kari Kahl-Wolfsjäger: Kissinger Sommer sollte eigentlich ein „kleines Festival“ werden, Deutsche Welle, 29. Juli 2016, abgerufen am 24. September 2021
  12. Ralf Ruppert: Neuer Intendant aus Bonn. Saale-Zeitung, 24. April 2015, Seite 1
  13. https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/kissinger-sommer-2017-programm-100.html
  14. @1@2Vorlage:Toter Link/www.t-online.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  15. http://www.musik-heute.de/16847/kissinger-sommer-2018-mit-aufbruch-in-die-moderne/
  16. Bad Kissingen: 1918 - Aufbruch in die Moderne: Programm für Kissinger Sommer 2018 steht. In: welt.de. 4. November 2017, abgerufen am 24. Februar 2024.
  17. Bad Kissingen: "1918 - Aufbruch in die Moderne": Programm für Kissinger Sommer 2018 steht. In: Focus Online. 4. November 2017, abgerufen am 24. Februar 2024.
  18. Er hinterlässt „nachhaltige Spuren“, Saale-Zeitung, 19. Juli 2021
  19. Musikfestival „Kissinger Sommer“ für 2020 abgesagt, Musik heute, 25. Mai 2020
  20. Endlich wieder Kultur in Bad Kissingen, Saale-Zeitung, 25. September 2020
  21. Kissinger Sommer zum letzten Mal mit Intendant Schlömp, t-Online.de, 13. Juni 2021
  22. Das ist der Neue, Saale-Zeitung, 10. März 2021
  23. Alexander Steinbeis wird Intendant des Kissinger Sommers, Musik heute, 10. März 2021
  24. Neustart beim Kissinger Sommer, Frankfurter Allgemeine, 1. Februar 2022
  25. Klassikfestival Kissinger Sommer: Kur in Moll und Dur, Tagesspiegel, 24. Juli 2022
  26. Thomas Ahnert: Das Festival trotzte der Hitze; Saale-Zeitung, 21. Juli 2015, Seite 3
  27. Thomas Ahnert: Wie gewohnt, aber anders. In: infranken.de. 25. Juli 2016, abgerufen am 2. März 2024.
  28. Das klingende Treiben beginnt, Main Post, 12. Juni 2014
  29. Kissinger Sommer feiert 30-jähriges Jubiläum mit Staraufgebot, Deutsche Welle, 24. Juni 2016
  30. »Palastrevolution« beim Kissinger Sommer, Main Post, 3. November 2016
  31. Sol Gabetta wird Artist in Residence beim Kissinger Sommer, Main Post, 3. November 2017
  32. Julia Lezhneva, die Sopranistin im Wunderland, Main Post, 18. Juni 2019
  33. Bayerisches Staatsbad Bad Kissingen, Stadt Bad Kissingen: Kissinger Sommer , Themen. Abgerufen am 5. März 2021 (deutsch).
  34. Klassische Revolte, Rondo, 3/2017
  35. Thomas Ahnert: Kunst gibt's nur für Geld. Vor 20 Jahren wurde der Förderverein Kissinger Sommer gegründet. In: Saale-Zeitung vom 12. Januar 2012
  36. Geehrt mit dem Luitpoldpreis, Main Post, 18. Juli 2010
  37. Es begann mit einer Cornflakes-Schachtel, Main Post, 3. Januar 2003
  38. Luitpoldpreis für Jochen Kupfer, Main Post, 15. Juli 2001
  39. 5000 Euro für den Tenor Jan Kobow, Main Post, 19. Juli 2004
  40. Luitpoldpreis für Mojca Erdmann, Main Post, 17. Juli 2005
  41. Luitpoldpreis für eine Norwegerin, Main Post, 16. Juli 2007
  42. David Lomeli als Pappkamerad, Main Post, 14. Juli 2008
  43. „Igor, kommst du zu mir?“, Main Post, 19. Juli 2009
  44. Luitpoldpreis für den Tenor Kejia Xiong, Main Post, 18. Juli 2010
  45. Luitpold-Preis ging an 21-jährige Sopranistin Anna Lucia Richter, Main Post, 17. Juli 2011
  46. Tenor Dmitry Korchak bekam Luitpoldpreis, Main Post, 27. Juli 2012
  47. Luitpoldpreis gleich zweimal, Main Post, 14. Juli 2013
  48. Beginn einer Karriere: Der Cellist Kian Soltani, Main Post, 10. Juli 2015
  49. Thomas Ahnert: Beliebte Regularien; Saale-Zeitung, 20. Juli 2015, Seite 6
  50. Medaillen zum Abschied, Saale-Zeitung, 25. Juli 2016
  51. Der Gewinner heißt Julian Trevelyan, Saale-Zeitung, 16. Juli 2017
  52. Würdigung für Sheva Tehoval beim Kissinger Sommer, Saale-Zeitung, 16. Juli 2018
  53. Luitpoldpreis für Julian Habermann, Main Post, 15. Juli 2019
  54. Französische Sopranistin erhält den Luitpoldpreis, InFranken.de, 13. Juli 2021
  55. Erfolgreicher Abschluss des Kissinger Sommers 2022, Radio Primaton, 18. Juli 2022
  56. Eine Spanierin gewinnt den Luitpoldpreis, Saale-Zeitung, abgerufen 17. Juli 2023
  57. Preisträger seit 2003, Website des Klavierolymp (archivierte Version vom 10. Oktober 2017)