Joris Peters

belgischer Zoologe und Paläobiologe

Joris Peters (* 14. März 1958 in Herentals, Belgien) ist ein belgischer Zoologe, seit 2000 Professor an der Tierärztlichen Fakultät[1] der Ludwig-Maximilians-Universität in München, dort Inhaber des Lehrstuhls für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin sowie seit 2000 Direktor der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie (SNSB-SAPM).[2] Seit der Umstrukturierung der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) 2021 leitet Joris Peters die Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-SPM). Zum 1. Januar 2022 hat Joris Peters das Amt des Generaldirektors bei den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) übernommen.[3] Er ist zudem Initiator der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft ArchaeoBioCenterLMU[4] im Exzellenz-Programm LMU-Innovativ, welche sich mit Aspekten der Entstehung und Entwicklung von Kulturen und anthropogenen Ökosystemen seit der Jungsteinzeit befasst.[5]

Ausbildung Bearbeiten

Joris Peters wuchs in Flandern auf und erlangte die Hochschulreife 1976 in Sint-Niklaas. Ab Herbst 1976 studierte er an der Universität Gent Biologie und schloss das Studium 1981 mit dem Lizenziatsdiplom in Zoologie und einer Abschlussarbeit ab, in der er sich der Analyse von Tierresten aus einer prähistorischen Siedlung im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo befasste.[6] Von 1981 bis 1986 arbeitete Joris Peters als Doktorand bei Achilles Gautier am Laboratorium voor Paleontologie der Universität Gent und wurde dort zum Doctor in der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften promoviert mit dem Dissertationsthema „Bijdrage tot de archaeozoölogie van Sudan en Egypte“ (Beitrag zur Archäozoologie des Sudan und Ägyptens).

Beruflicher Werdegang Bearbeiten

1987 erhielt Peters eine Festanstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin (LMU) unter der Leitung von Joachim Boessneck. 1996 habilitierte er an der Tierärztlichen Fakultät bei Joachim Boessnecks Nachfolgerin Angela von den Driesch[7] mit der Schrift „Römische Tierhaltung und Tierzucht. Eine Synthese aus archäozoologischer Untersuchung und schriftlich-bildlicher Überlieferung“[8].

Mit dem Erwerb der Venia legendi für die Fächer Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin erfolgte seine Ernennung zum Dr. med. vet. habil. 2000 wurde Joris Peters auf den Lehrstuhl für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin sowie ab 2015 als Direktor an die Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie (SNSB-SAPM) berufen und im selben Jahr zum Direktor der Abteilung Paläoanatomie der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie (SNSB-SAPM), jetzt Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-SPM) ernannt. 2015 übernahm er die kommissarische Leitung der Abteilung Anthropologie, jetzt Staatssammlung für Anthropologie München (SNSB-SAM). Im Januar 2022 wurde er zum Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns ernannt.[9][10]

Forschung Bearbeiten

Joris Peters' Forschungsschwerpunkte sind die Mensch-Tier-Umwelt-Beziehungen in nacheiszeitlichen Kulturen Zentraleuropas, des Vorderen Orients sowie Nordost- und Südwestafrikas. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Analysen von Tierresten aus archäologischen Fundstellen in Eurasien und Afrika, die mit morphologischen und molekularbiologischen Methoden untersucht werden[11][12][13][14]. Peters zeigt in diesen Forschungen auch auf, dass in Kombination mit bildlichen Darstellungen[8] und frühen tierheilkundlichen Texten zu Symptomatik, Diagnose und Therapie von Erkrankungen bei Nutztieren der Tierreste einmalige Einblicke in das Mensch-Tier-Verhältnis und in die vielfältige Rolle von Tieren in vergangenen Kulturen ermöglicht werden.[15][16]

Geographisch liegt Joris Peters' Forschungsfokus auf Zentraleuropa, Südwestasien und dem nordöstlichen sowie südlichen Afrika. Aus kulturhistorischer Perspektive betrachtet stehen spätquartäre Jäger-Sammler-Gesellschaften,[17][18] vorgeschichtliche Ackerbauer und Viehzüchter[19] sowie Zivilisationen des Altertums[20] im Mittelpunkt seiner Forschung. Von Peters erforschte osteologische Befunde zeigen u. a. die Bedeutung von Wild- und Haustieren in der Ernährung des Menschen sowie Aspekte des Managements von Viehherden, der Nutzung von Haustieren und ihrer Rolle in Opferpraktiken und in der religiösen Vorstellungswelt[21][22].

Besondere Aufmerksamkeit widmet Peters den Archäofaunen aus den südostanatolischen Fundstellen Göbekli Tepe, Nevalı Çori und Gürcütepe, die in ihrer Gesamtheit entscheidende Hinweise auf die weltweit frühesten Anfänge der Schaf-, Ziegen-, Schweine- und Rinderhaltung im nördlichen Fruchtbaren Halbmond vor etwa 10.500-10.000 Jahren geben.[23][24] Diese und andere bedeutende kulturelle Phänomene werden in dem DFG-Langzeitprojekt „Die prähistorischen Gesellschaften Obermesopotamiens und ihre Subsistenz“ erforscht, das von dem Prähistoriker Klaus Schmidt, dem Ausgräber von Göbekli Tepe, und Joris Peters gemeinsam konzipiert und durchgeführt wurde.[25]

Joris Peters' Forschungen umfassen auch die Etablierung osteologischer Bestimmungsschlüssel für nah verwandte Huftierarten[26][27], die Entwicklung und Anwendung neuer methodischer Ansätze zum Nachweis der Anfänge der Domestikation bei kleinen Wiederkäuern und Übersichtsarbeiten zur Haustierwerdung von Schaf[28], Esel, Huhn[29], Dromedar und Trampeltier[30]. Im Rahmen eines internationalen Forscherteams erforschte er im heutigen Thailand früheste Belege von der Domestifizierung und Verbreitung des Huhns[31] zum heute zahlenmäßig am meisten verbreiteten Nutztier der Welt.[32]

Veröffentlichungen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. LMU Tierärztliche Fakultät. vetmed.uni-muenchen, abgerufen am 14. August 2022.
  2. Joris Peters Institutsvorstand und Direktor der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München. uni-muenchen.de, abgerufen am 14. August 2022.
  3. Joris Peters neuer Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. snsb.de, 1. Januar 2022, abgerufen am 14. August 2022.
  4. Das ArchaeoBioCenter an der LMU. uni.muenchen.de, abgerufen am 14. August 2022.
  5. Katja Henßel: Joris Peters neuer Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. idw.online, 18. Januar 2022, abgerufen am 28. Mai 2020.
  6. J Peters: Late Pleistocene Hunter-gatherers at Ishango (Eastern-Zaire). In: Revue de Paléobiologie. Nr. 9, 1990, S. 73–112.
  7. Joris Peters: In Gedenken an Frau Prof. Dr. Angela von den Driesch. archaeobiocenter.uni-muenchen.de, 23. April 2012, abgerufen am 13. August 2022.
  8. a b Joris Peters: Römische Tierhaltung und Tierzucht. Eine Synthese aus archäozoologischer Untersuchung und schriftlich-bildlicher Überlieferung. In: M. Leidorf (Hrsg.): Passauer Universitätsschriften zur Archäologie. Band 5. Rahden/Westfalen 1998 (amazon.com).
  9. Martina Scherf: Wissenschaft in München: Funde, die eine Sensation bedeuten. sueddeutsche.de, 2. April 2022, abgerufen am 14. August 2022.
  10. Über uns: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (SNSB). snsb.de, abgerufen am 14. August 2022.
  11. J Peters, A von den Driesch, D Helmer: The upper Euphrates-Tigris basin: cradle of agro-pastoralism? In: Vigne et al. (Hrsg.): The First Steps of Animal Domestication. Oxbow Books, 2005, S. 96–124.
  12. S Lösch, G Grupe, J Peters: Stable isotopes and dietary adaptations in humans and animals at pre‐pottery Neolithic Nevallı Çori, southeast Anatolia. In: American Journal of Physical Anthropology. Nr. 131, 2006, S. 181–193.
  13. F Almathen, P Charruau, E Mohandesan, …, J Peters, O Hanotte, PA Burger: Ancient and modern DNA reveal dynamics of domestication and cross-continental dispersal of the dromedary. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 113, Nr. 24, 2016, S. 6707–6712.
  14. MB Sharif, AF Mohaseb, MI Zimmermann, J Peters, E Mohandesan: Ancient DNA refines taxonomic classification of Roman equids north of the Alps, elaborated with osteomorphology and geometric morphometrics. In: Journal of Archaeological Science. Band 143, 2022, 105624.
  15. J Peters, A von den Driesch: The two‐humped camel (Camelus bactrianus): New light on its distribution, management and medical treatment in the past. In: Journal of Zoology. Band 242, Nr. 4, 1997, S. 651–679.
  16. A von den Driesch, D Kessler, J Peters: Mummified baboons and other Primates from the Saitic-Ptolemaic Animal Necropolis of Tuna el-Gebel, Middle Egypt. In: Documenta Archaeobiologiae. Band 2, 2004, S. 231–278.
  17. J Peters: Late Quaternary Mammalian remains from Central and Eastern Sudan and their palaeoenvironmental Significance. In: Palaeoecology of Africa. Band 23, 1992, S. 91–115.
  18. N Pöllath, O Dietrich, J Notroff, L Clare, L Dietrich, Ç Köksal-Schmidt, J Peters: Almost a chest hit: An aurochs humerus with hunting lesion from Göbekli Tepe, south-eastern Turkey, and its implications. In: Quaternary International. Nr. 495, 2018, S. 30–48.
  19. J Peters, N Pöllath, A von den Driesch: Early and Late Bronze Age Transitional Subsistence at Tall al-'Umayri. In: Andrews University Press and the Institute of Archaeology (Hrsg.): Madaba Plains Project – ‘Umayri. Nr. 5. Berrien Springs, Michigan 2002, S. 290–332.
  20. J Peters, A von den Driesch, D Helmer: The upper Euphrates-Tigris basin: cradle of agro-pastoralism? In: Vigne et al. (Hrsg.): The First Steps of Animal Domestication. 2005, S. 96–124.
  21. N Pöllath, J Peters: ‘Smoke on the Mountain’ – Animal Sacrifices for the Lord of Doliche. In: Rudolf Habelt (Hrsg.): Asia Minor Studien. Nr. 64. Bonn 2011, S. 47–68.
  22. J Peters, K Schmidt: Animals in the symbolic world of Pre-Pottery Neolithic Göbekli Tepe, south-eastern Turkey: a preliminary assessment. In: Anthropozoologica. Band 39, Nr. 1, 2004, S. 179–219.
  23. S Lösch, G Grupe, J Peters: Stable isotopes and dietary adaptations in humans and animals at pre‐pottery Neolithic Nevallı Çori, southeast Anatolia. In: American Journal of Physical Anthropology. Nr. 131, 2006, S. 181–193.
  24. S Lösch, G Grupe, J Peters: Stable isotopes and dietary adaptations in humans and animals at pre‐pottery Neolithic Nevallı Çori, southeast Anatolia. In: American Journal of Physical Anthropology. Nr. 131, 2006, S. 181–193.
  25. Die prähistorischen Gesellschaften Obermesopotamiens und ihre Subsistenz. gepris.dfg.de, abgerufen am 30. August 2022.
  26. J Peters, BS Arbuckle, N Pöllath: Subsistence and beyond: animals in Neolithic Anatolia. In: T M Özdoğan et al. (Hrsg.): The Neolithic in Turkey. Band 6. Archaeology & Art Publications, Istanbul 2014, S. 135–203.
  27. J Peters: Osteomorphological features of the appendicular skeleton of African buffalo, Syncerus caffer (Sparrman, 1779) and of domestic cattle, Bos primigenius f. taurus Bojanus, 1827. In: Zeitschrift für Säugetierkunde. Band 53, Nr. 1, 1989, S. 108–123.
  28. N Pöllath, R García-González, S Kevork, U Mutze, MI Zimmermann, M Özbaşaran: A non-linear prediction model for ageing foetal and neonatal sheep reveals basic issues in early Neolithic husbandry. In: Journal of Archaeological Science. Nr. 130, 2021, 105344.
  29. J Peters, O Lebrasseur, EK Irving-Pease et al.: The bio-cultural origins and dispersal of domestic chickens. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 119, Nr. 24, 2022.
  30. M Heide, J Peters: Camels in the Biblical World: History, Archaeology, and Culture of the Levant. Hrsg.: Eisenbrauns. Penn State University Press.
  31. Joris Peters, Ophélie Lebrasseur, Evan K. Irving-Pease, Greger Larson: The biocultural origins and dispersal of domestic chickens. plas.org, 6. Juni 2022, abgerufen am 15. August 2022.
  32. Hühnerhaltung:Erst verehrt, dann verzehrt. sueddeutsche.de, 7. Juni 2022, abgerufen am 15. August 2022.
  33. Documentation Archaeobiologiae - DOAB. Edited by Gisela Grupe and Joris Peters. antimakler.de, abgerufen am 15. August 2022.