Jochen Hallof

deutscher Ägyptologe, Sudanarchäologe und Meroitistiker

Jochen Hallof (* 1957) ist ein deutscher Ägyptologe, Sudanarchäologe und Meroitist.

Leben Bearbeiten

Jochen Hallof studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Fritz Hintze, Steffen Wenig und Karl-Heinz Priese Sudanarchäologie und Meroitistik und wurde 1986 mit einer Dissertation über die meroitische Tempelanlage von Musawwarat es Sufra promoviert.[1] Fritz Hintze und Karl-Heinz Priese zählten seinerzeit zu den weltweit führenden Meroitisten.[2][3] Nach der Wende begab sich Hallof nach Paris, wo er seine Arbeit am Institut français d’archéologie orientale fortsetzte, welches damals von Nicolas Grimal geleitet wurde. An der Seite von Sylvie Cauville engagierte er sich für die Erstellung einer ägyptischen Hieroglyphen-Liste der griechisch-römischen Zeit. Gemeinsam mit Nicolas Grimal, Dirk van der Plas und Hans van den Berg wertete Hallof auf der Basis der von Franc̣ois Daumas erstellten Montpellier-Liste[4] das von Erich Winter und Sylvie Cauville gesammelte, hieroglyphenschriftliche Material aus und fügte dieses zu einer völlig neuen, sehr umfassenden Zeichen-Liste der griechisch-römischen Zeit zusammen, welche in Fachkreisen großen Anklang fand. Endlich lag eine für die griechisch-römische Zeit bis dahin ausstehende Hieroglyphen-Liste vor.[5] Das Ausmaß der von Hallof und Grimal in die Auswertung einbezogenen Inschriften lässt sich aus den von Sylvie Cauville veröffentlichten Beiträgen über ihre Arbeiten am Tempel von Dendera ablesen.[6]

Im Zuge dieser Aufnahme bearbeitete Hallof zudem auch den Nachlass des Ägyptologen Serge Sauneron. Nicolas Grimal hatte ihm als Direktor des Institut français d’archéologie orientale gestattet, die durch Sauneron im Tempel von Esna aufgenommenen Inschriften Nr. 547 bis 646, welche bis dahin unveröffentlicht geblieben waren, zu edieren. Dank zweier wissenschaftlicher Missionen gelang es Hallof zunächst, dieses noch unbearbeitete Manuskript, welches die Fortsetzung der Inschriften der römischen Kaiser enthielt, anhand von detaillierten Fotos aus den IFAO-Archiven zu edieren. Bei dieser Gelegenheit bezog er auch die wissenschaftlich wertvollen Zeichnungen von Laila Ménassa ein, welche unter der Leitung von Sauneron sowohl die Inschriften entlang der Architrave als auch auf den Außenwänden des Tempels von Esna durchgängig aufgenommen hatte. Dann aber hinderten ihn berufliche Aufgaben daran, sich dieser Publikationsarbeit weiterhin mit jener nötigen Sorgfalt zu widmen, welche sie verdiente. Es sollte ein Jahrzehnt vergehen, bis es Hallof gelang, diesen ausstehenden Band zu den Inschriften des Tempels von Esna schließlich doch noch zu veröffentlichen.[7]

Ab 1999 forschte Hallof an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg am Lehrstuhl für Ägyptologie unter Horst Beinlich mit Schwerpunkt Meroitische Inschriften. Gemeinsam erstellten Beinlich und Hallof zunächst eine Datenbank mit Ritualszenen aus oberägyptischen Tempeln.[8] Dann fassten sie eine Bearbeitung der vor Ort befindlichen, zunächst etwa 700 meroitischen Inschriften aus Qasr Ibrim ins Auge und unternahmen eine Forschungsreise nach Assuan, wo sie unter anderem das Nubische Museum besuchten. Im Zuge dieser Reise konnte mit Pamela Rose, der langjährigen Ausgrabungsleiterin in Qasr Ibrim von der Universität Cambridge, vereinbart werden, dass die Universität Würzburg alle Fotodokumente zu den damals bereits seit über 50 Jahren laufenden Ausgrabungen in Qasr Ibrim digitalisieren dürfe.[9][10] Verfügte die Wissenschaft bis zum Jahr 2000 über etwa 1.000 zumeist funeräre meroitische Texte, so konnte ihre Zahl in den darauf folgenden 15 Jahren deutlich vermehrt werden, denn im Rahmen der UNESCO-Kampagne zur Rettung der nubischen Altertümer wurden bei Grabungen in Qasr Ibrim sowie am Berg Gebel Adda und im Batn el Hagar zahlreiche umfangreiche Textsammlungen geborgen. Dadurch erweiterte sich der Wortbestand des Meroitischen ganz enorm. Diese maßgeblich auch durch Beinlich und Hallof erschlossene Quellenlage schuf die Voraussetzung dafür, dass Hallof aus dem nunmehr vorliegenden Reichtum dieser Schriftsprache ein sieben Bände umfassendes Wörterbuch erstellen konnte. Das aus der Erschließung der meroitischen Inschriften hervorgegangene Analytische Wörterbuch des Meroitischen umfasst rund 23.000 Einträge und bezieht sich auf jene durch Worttrenner definierten Wörter, welche im Zuge der Forschung aus ca. 2.300 Texten gewonnen werden konnten. Mit dieser umfassenden grammatischen Textanalyse legte Hallof im Jahr 2022 ein Corpus vor, welches vermutlich die entscheidende Grundlage für das sich nunmehr abzeichnende, vollständige Verständnis der meroitischen Sprache bilden wird. Damit ist der Ägyptologe Hallof einer der weltweit führenden Meroitisten seiner Zeit.[11]

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

  • Die Baustufen I bis IV der Großen Anlage von Musawwarat es Sufra (= Beiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie. Band 8). GHP, London 2006, ISBN 0-9550256-7-2 (Dissertation; Digitalisat).

Weblinks Bearbeiten

  • IdRef (Identifiants et Référentiels pour l’Enseignement supérieur et la Recherche): Hallof, Jochen. – mit Schriften von Jochen Hallof Auf: idref.fr; zuletzt abgerufen am 17. August 2023.
  • Robert Emmerich: Ägyptologen erforschen die älteste Schrift Schwarzafrikas. In: einBlick. Würzburg 2008, S. 56–58 (Digitalisat).
  • Francis Breyer: Die meroitische Sprachforschung. Gegenwärtiger Stand und zukünftige Ansätze. In: Mitteilungen der Sudanarchäologischen Gesellschaft. Band 23, 2012, S. 117–149 (Digitalisat).
  • Universität Würzburg/ Horst Beinlich: Wörterbuch der meroitischen Sprache. vom 26. April 2022; zuletzt abgerufen am 17. August 2023.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Jochen Hallof: Die Baustufen I bis IV der Großen Anlage von Musawwarat es Sufra. Hochschulschrift, Berlin 1986.
  2. Fritz Hintze, Ursula Hintze, Karl-Heinz Priese: Musawwarat es Sufra (Sudan). Die Ausgrabungen der Humboldt-Universität zu Berlin 1960 bis 1970. Band 1, Nr. 2: Der Löwentempel. Tafelband, Berlin 1971; Fritz Hintze, Karl-Heinz Priese, Steffen Wenig, Gisela Buschendorf-Otto, Ursula Hintze: Musawwarat es Sufra (Sudan). Die Ausgrabungen der Humboldt-Universität zu Berlin 1960 bis 1970. Band 1, Nr. 1: Der Löwentempel. Textband, Berlin 1993.
  3. Karl-Heinz Priese: Das meroitische Sprachmaterial in den ägyptischen Inschriften des Reiches von Kusch. Hochschulschrift, Berlin 1965.
  4. Franc̣ois Daumas: Valeurs phonétiques des signes hiéroglyphiques d’époque greco-romaine.2 Bände, Publikation de la Recherche/ Université de Montpellier, Montpellier 1988-1995.
  5. Nicolas Grimal, Jochen Hallof, Dirk van der Plas, Hans van den Berg: Hieroglyphica: sign list. Centre for Computer-aided Egyptological Research, Utrecht 1993; Hieroglyphica: sign list = liste des signes = Zeichenliste. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Centre for Computer-aided Egyptological Research, Utrecht 2000 (Digitalisat).
  6. Sylvie Cauville, Jochen Hallof, Hans van den Berg: Le temple de Dendara: Les chapelles Osiriennes. Band 3, Kairo 1997; Sylvie Cauville, Jochen Hallof, Hans van den Berg: Le temple de Dendara: La porte d’Isis. Kairo 1999; Sylvie Cauville, Jochen Hallof, Hans van den Berg: Dendara: Les fêtes d’Hathor. Leuven u. Paris 2002; Sylvie Cauville, Jochen Hallof, Pollin Gael: Dendara: La porte d’Horus. Kairo 2021; Sylvie Cauville, Jochen Hallof, Pollin Gael: Dendara: La porte d’Hathor. Kairo 2021.
  7. Serge Sauneron, Jochen Hallof: Le temple d’Esna. [Tome VII], Nos 547-646 (= Publications de l’Institut Français d’Archéologie Orientale. Band 1007, 7). Institut français d’archéologie orientale, Kairo 2009.
  8. Jochen Hallof: Schreibungen der Pharaonennamen in den Ritualszenen der Tempel der griechisch-römischen Zeit Ägyptens. 2 Teile, J. H. Röll, Dettelbach 2010.
  9. Robert Emmerich: Ägyptologen erforschen die älteste Schrift Schwarzafrikas. In: einBlick. Ausgabe 03 - 2008, Pressestelle der Universität Würzburg 2008.
  10. Jochen Hallof: The Meroitic inscriptions from Qasr Ibrim. 6 Teile, J. H. Röll, Dettelbach 2011-2020.
  11. Jochen Hallof, Gabriele Hallof: Analytisches Wörterbuch des Meroitischen, Analytic Meroitic dictionary. 6 Bände, J. H. Röll, Dettelbach 2022.