Ines Langemeyer

deutsche Psychologin

Ines Langemeyer (* 1972 in Münster) ist Psychologin und Universitätsprofessorin für Lehr-Lernforschung am Karlsruher Institut für Technologie.

Langemeyer studierte von 1994 bis 2000 Psychologie an der Freien Universität Berlin und schloss als Diplom-Psychologin ab. Sie wurde 2005 an der Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg als Dr. phil. promoviert. Von 2001 bis 2011 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin, der Universität Erfurt, der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, war danach als Post-doctoral Research-Fellow an der Universität Oslo tätig und wurde 2011 auf die Professur für Lebenslanges Lernen an der PH Ludwigsburg und am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Bonn berufen. 2013 erhielt sie einen Ruf auf die Professur für Erwachsenenbildung an der Universität Tübingen, 2014 einen Ruf auf die Professur für Lehr-Lernforschung am Karlsruher Institut für Technologie.[1]

Wissenschaftliche Arbeit Bearbeiten

Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Subjektwissenschaft, Verwissenschaftlichung des Denkens und der Arbeit, Kompetenztheorie mit Schwerpunkt kooperative Kompetenz und Achtsamkeit; Lehr-Lern-Forschung im universitären Bereich bzw. Hochschulbildungsforschung, Wissenschafts- und Technikforschung, Wissenskulturen, Kulturhistorische Schule.

Langemeyer geht davon aus, dass in avancierten Arbeitsfeldern eine neue Art der Verwissenschaftlichung zu beobachten ist, diese hänge mit der Digitalisierung zusammen. Der Begriff „digitale Arbeit“ verweise nach Langemeyer metonymisch auf die veränderte Logik von Arbeit im Allgemeinen. Die Formveränderung zwischen analogen und digitalen Gegenständen trete aus der stofflichen Kette von Naturkräften und -materialien heraus. Im digitalen Produkt würden also weder die materiellen noch die energetischen Eigenschaften des analogen Vorbilds als solche genutzt. Vielmehr würden dessen Eigenschaften zu Daten gemacht, wofür eine wissenschaftliche Logik benötigt wird. Nur wenn sichergestellt sei, dass es eine solche allgemein erschließbare Logik bei der Übersetzung von analogen in digitale Parameter zugrunde gelegt wird, würden die geschaffenen Daten über Softwareeinsatz zu sinnvoll verwertbaren Daten. In digitaler Gestalt würden analoge Parameter (Farbe, Größe, Geschwindigkeit, Lage etc.) technisch verrechenbare Größen, aber erst die wissenschaftliche Logik, die in der Digitalisierung Anwendung findet, sichert die breite gesellschaftliche Verwertbarkeit. Viele Wirklichkeitsbereiche würden zudem auf diese Weise zu simulierbaren und modellierbaren Gegenständen. Die Digitalisierung erlaube nicht nur eine neue Art von Planung und Steuerung, sondern auch experimentelles, forschendes und entwickelndes Handeln im Umgang mit verschiedenen Ausschnitten der Realität. Der Gebrauch dieser Möglichkeiten müsse mit dem Begriff der Verwissenschaftlichung von Denk- und Handlungsfähigkeit gefasst werden. Phänomenologisch lassen sich Aspekte dieser Veränderung von Arbeit als "Lernförmige Arbeit" begreifen.

Kompetenz nennt Langemeyer eine Form gekonnten Handelns. Sie kritisiert, dass viele Ansätze gekonntes Handeln als Resultat bedingt durch dahinterstehende ‚Kompetenzen‘ interpretieren würden. Lege man diesen Gedanken dem Kompetenzbegriff zugrunde, so würden Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Einstellungen als kausale Ursachen gesetzt, psychologische Merkmale, die auf der Innenseite des Subjekts liegen. Langemeyer argumentiert dagegen mit Kurt Lewin und Lew Semjonowitsch Wygotski, dass Kausalitäten in der Psychologie anders verstanden werden müssen; mit Gilbert Ryle argumentiert sie, dass weder Wissen eine Ursache für Können, noch Kompetenz eine Ursache für Performanz sei, sondern dass „Kompetenz“ ein Begriff sei, mit dessen Hilfe wir nicht nur Können bei anderen oder im Allgemeinen erkennen, sondern auch uns selbst einer bestimmten Denk- und Handlungsfähigkeit bewusst werden und sie unserem Selbst zuschreiben können: „Ich weiß, wie es geht“ oder „Ich weiß, warum mein Handeln sinnvoll bzw. richtig ist“. Kompetenz sei nach Langemeyer eine Zuschreibung, die auf einem Urteil basiert. Dies sei nicht dasselbe wie das Hervorbringen einer Handlung. Die Gleichsetzung von Kompetenz mit Können sei entsprechend nur dann sinnvoll, wenn man damit eine Dimension des reflexiven (Selbst-)Bewusstseins meint. In der Verwendung des Plurals werfe der Kompetenzbegriff, ähnlich wie Ryle es in seiner Kritik der intellektualistischen Legende zeigte, die Frage auf, warum sich welche Kompetenz gegenüber einer Vielzahl anderer Kompetenzen in einem Moment des Handelns durchsetzen kann. Unter der Annahme, dass Kompetenzen ursächlich auf Performanz wirkten, führe diese Überlegung nach Langemeyer in einen infiniten Regress, der psychologisch nicht haltbar ist.

Der Begriff der Achtsamkeit nimmt bei Langemeyer Bezug auf die Forschung von Karl Weick und Kathleen M. Sutcliffe zu Teams in High Reliability Organisationen. Sie entwickelt aufbauend auf den Ansätzen von Lew Semjonowitsch Wygotski, Michael Polanyi und Kurt Lewin den Begriff des „Wissens-in-Praxis“.

Ihren Ansatz zur Hochschulbildungsforschung baut Langemeyer auf Lew Semjonowitsch Wygotski, Gaston Bachelard, Ludwik Fleck, Kurt Lewin, Klaus Holzkamp und anderen Wissenschaftstheorien auf. Sie argumentiert, dass das konkrete Verständnis von universitärer Lehre und vom Lernen in der Wissenschaft nicht mit höherer Allgemeinbildung gleichgesetzt werden darf, sondern vom gesellschaftlichen Prozess des Erkennens, Erforschens und Überprüfens her zu denken ist. Für die Untersuchung dieser metakognitiven Fähigkeiten knüpft sie an Deanna Kuhn an. Die wissenschaftliche Erfahrungsebene von einer persönlichen zu unterscheiden, ist leitend für ihre Forschung über das Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlich organisierter Wissenschaft und individuellen Lernprozessen.

Schriften (Auswahl) Bearbeiten

  • Andreas Hirsch-Weber, Ines Langemeyer, Stefan Scherer: Akademische Lehr- und Lernformen am Gymnasium. (Hrsg.) Forschungsperspektive Schlüsselqualifikation. A. Hirsch-Weber, I. Langemeyer, S. Löffler, A. M. Kunz, S. Scherer Verlag Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz 2020
  • I. Langemeyer: Digitalisierung als Herausforderung für Personalentwicklung und Mitbestimmung | Unternehmensstrategien der IT-Branche und ihre Bedeutung für Weiterbildung. In: I. Langemeyer, Verlag Barbara Budrich Opladen • Berlin • Toronto 2019
  • I. Langemeyer: Enkulturation in die Wissenschaftdurch ein forschungsorientiertes Lehren und Lernen. In: M. Kaufmann, H. Mieg, A. Satilmis (Hrsg.): Forschendes Lernen in den Geisteswissenschaften. Springer VS-Verlag, 2018, S. 59–77.
  • I. Langemeyer: Zur erkenntnistheoretischen und praktischen Relevanz einer Hochschulbildungsforschung. In: G. Reinmann, T. Jenert, J. Schmohl (Hrsg.): Hochschulbildungsforschung. Springer VS-Verlag, 2018, S. 56–71.
  • I. Langemeyer, A. Martin: Akademiker*innen ohne Professionsstatus? – Oder: Wie Wissenschaft in die Gesellschaft kommt und was dies für das Studium bedeutet. In: bwp@Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 34, 30. Juni 2018, S. 1–20. (bwpat.de)
  • I. Langemeyer: Selbstregulation im Studium oder: Einsichten in eine persönlichkeitsfördernde Lehre. In: R. Arnold, M. Lermen, M. Haberer (Hrsg.): Selbstlernangebote und Studienunterstützung. Schneider Verlag, Hohengehren 2017, S. 15–28.
  • I. Langemeyer: Das forschungsbezogene Studium als Enkulturation in Wissenschaft. In: H. Mieg, J. Lehmann (Hrsg.): Forschendes Lernen: Lehre und Lernen erneuern. Campus, Frankfurt am Main 2017, S. 91–100.
  • I. Langemeyer: Das Wissen der Achtsamkeit. Kooperative Kompetenz in komplexen Arbeitsprozessen. Waxmann, Münster 2015, ISBN 978-3-8309-3308-3.
  • I. Langemeyer: The most important safety-decive is you! In: International Journal of Action Research. Vol. 11, No. 1–2, 2015.
  • I. Langemeyer, I. Rohrdantz-Herrmann: Wozu braucht eine Universität Lehr-Lernforschung? In: I. Langemeyer, M. Fischer, M. Pfadenhauer (Hrsg.): Epistemic and learning cultures – wohin sich Universitäten entwickeln. Juventa/Beltz, 2015, ISBN 978-3-7799-3277-2, S. 211–227.
  • I. Langemeyer, A. Martin: „Scientification of work“ as a challenge to university education. In: I. Langemeyer, M. Fischer, M. Pfadenhauer (Hrsg.): Epistemic and learning cultures – wohin sich Universitäten entwickeln. Juventa/Beltz, 2015, ISBN 978-3-7799-3277-2, S. 296–307.
  • I. Langemeyer: Learning in a simulation-OT in heart surgery and the challenges of the scientification of work. In: Journal of Education and Work. Band 27, Nr. 3, 2014, S. 284–305.
  • I. Langemeyer: Grundzüge einer subjektwissenschaftlichen Kompetenzforschung. In: REPORT Weiterbildung. Band 1, 2013, S. 15–24.
  • I. Langemeyer: Kompetenzentwicklung zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Arbeitsprozessintegriertes Lernen in der Fachinformatik. Eine Fallstudie. Waxmann, Münster 2005.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. ibap.kit.edu/paedagogik: Ines Langemeyer