Gerhard Stötzel

deutscher Politiker (Zentrum), MdR

Gerhard Stötzel (* 4. Dezember 1835 in Grissenbach bei Siegen; † 1. Juni 1905 in Berlin-Charlottenburg)[1] war ein deutscher Politiker der Zentrumspartei und der erste Arbeitervertreter innerhalb der Zentrumspartei im Deutschen Reichstag.[2]

Gerhard Stötzel

Leben Bearbeiten

Gerhard Stötzel wurde als Sohn des Tilmann Stötzel und dessen Ehefrau Elisabeth geb. Müller geboren.[1] Nachdem er eine Lehre als Dreher abgeschlossen hatte, war Stötzel bei den Kruppwerken in Essen beschäftigt. Danach wurde er Redakteur des christlich-sozialen Blattes Rheinisch-Westfälischer Volksfreund. Als Kandidat der Zentrumspartei und Mitglied der christlich-sozialen Arbeitervereine im Ruhrgebiet (nicht zu verwechseln mit der christlich-sozialen Arbeiterpartei von Adolf Stoecker) gewann er mit Unterstützung der Sozialdemokraten.[3] Der bürgerliche Flügel der Zentrumspartei veröffentlichte in der gleichen Ausgabe der Essener Volkszeitung einen Aufruf „Katholische Wähler!“, in dem dieser Flügel der Zentrumspartei erklärte, Stötzel sei für Katholiken nicht wählbar. 1877 gegen den weiteren Kandidaten des Zentrums Christoph Ernst Friedrich von Forcade de Biaix die Wahl zum Reichstag im Wahlkreis Düsseldorf 5 (Essen).[4] Stötzel schloss sich der Fraktion der Zentrumspartei im Reichstag an.[5] In der Reichstagswahl von 1878 siegte er mit einem Stimmenvorsprung von 600 Stimmen in Essen über seinen früheren Arbeitgeber Friedrich Alfred Krupp.[6] Stötzel konnte den Wahlkreis bis zu seinem Tode 1905 halten und blieb über Jahrzehnte der einzige Arbeiter in der Reichstagsfraktion der Zentrumspartei.[7] Sein Nachfolger als Reichstagsabgeordneter für den Wahlkreis Essen wurde Johannes Giesberts. Von 1886 bis zu seinem Tod war er auch Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. Darüber hinaus war Stötzel Vorstandsmitglied im Volksverein für das katholische Deutschland.

Gerhard Stötzel war verheiratet und hatte Kinder. Um die Erziehung der Kinder kümmerte sich zeitlebens seine Schwester, die ihn auch in den Tagen seiner Krankheit pflegte.[8]

Am 1. Juni 1905 starb Stötzel in seiner Berliner Wohnung in Berlinerstraße 118 an einer Lungenentzündung.[9][1] Zu seiner Beisetzung am 5. Juni 1905 erschienen Abordnungen von knapp hundert Vereinen mit ihren Vereinsfahnen und zahlreiche Vertreter der Stadt Essen, der Zentrumsfraktionen des Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses.[10] Die Schwester von Gerhard Stötzel hatte kein eigenes Einkommen, sondern lebte von der Armenunterstützung der Stadt. Nach Stötzels Tod blieb sie allein in der Wohnung. Da niemand sich um sie kümmerte, war sie auf das Mitleid von den Hausbewohnern angewiesen, welche sie vor dem Hungertod bewahrten.[8]

Ehrungen Bearbeiten

Nach Gerhard Stötzel ist in Essen eine Straße benannt. Ein angedachtes Denkmal kam wohl nicht zustande.[8] Am 30. Mai 2023 wurde in seinem Geburtsort Netphen-Grissenbach dort, wo früher sein Geburtshaus gestanden hat, der Gerhard-Stötzel-Platz eingeweiht und zu seinen Ehren eine Gedenktafel aufgestellt.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Standesamt Charlottenburg II: Sterbeurkunde Gerhard Stötzel. Nr. 414/1905.
  2. Vera Bücker: Katholizismus im Ruhrgebiet. Hrsg. vom Verein Kirche im Ruhrgebiet, 2007. (PDF; 101 kB)
  3. vgl. den von führenden örtlichen Sozialdemokraten unterzeichneten Aufruf zur Stichwahl „An die Sozialisten des Kreises Essen“, darin u. a.: „Forcade ist der Kandidat der ultramontanen Bourgeoisie, Stötzel der von den Arbeitern aufgestellte Kandidat. ... Darum am Wahltage die Parole: Wählen wir Stötzel! ... Auf zur Wahl, Stötzel muss durch!“. Wahlaufruf abgedruckt in Essener Volkszeitung, Ausgabe 17/1877.
  4. A. Phillips (Hrsg.): Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1883. Statistik der Wahlen zum Konstituierenden und Norddeutschen Reichstage, zum Zollparlament, sowie zu den fünf ersten Legislatur-Perioden des Deutschen Reichstages. Verlag Louis Gerschel, Berlin 1883, S. 104.
  5. Georg Hirth (Hrsg.): Deutscher Parlaments-Almanach. 12. Ausgabe vom 13. Februar 1877. Verlag G. Hirth, Leipzig 1877, S. 235.
  6. Fritz Specht, Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904, S. 166; vgl. auch: Georg Hirth (Hrsg.): Deutscher Parlaments-Almanach. 13. Ausgabe vom September 1878. Verlag G. Hirth, Leipzig 1878, S. 233f.
  7. Reinhard Richter: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik (= Theologie. Band 21). LIT Verlag, Münster 2000, S. 43; zugleich Diss.phil. Universität Bochum 2000 (Digitalisat)
  8. a b c Ein Denkmal für eine Zentrumsgröße, in: Berliner Volkszeitung, 28. August 1905.
  9. Rheinisch-Westfälische Zeitung. 445/1905, 2. Juni 1905.
  10. Rheinisch-Westfälische Zeitung. 555/1905, 6. Juni 1905.