Geometrische Stetigkeit ist ein Begriff aus dem Gebiet geometrische Modellierung und beschreibt die Güte des Kontaktes zweier ebener Kurven bzw. Flächen in einem gemeinsamen Punkt ohne Berücksichtigung der zufällig gewählten (parametrisierten oder impliziten oder expliziten) Darstellung der Kurven bzw. Flächen.

Kurven mit -Kontakt (Kreise und eine Gerade)
Kurven mit -Kontakt
(links: Kurven , rechts: Ellipse mit Scheitelkrümmungskreise)
-stetige Übergangsfläche (grün) zwischen zwei Tensorprodukt-Bezierflächen
  • -Stetigkeit zwischen
- zwei Kurven in einem gemeinsamen Punkt bedeutet, dass beide Kurven in dieselbe Tangente besitzen (siehe 1. Bild).
- zwei Flächen in einem gemeinsamen Punkt bedeutet, dass beide Flächen im Punkt dieselbe Tangentialebene besitzen.
  • -Stetigkeit zwischen
- zwei Kurven in einem gemeinsamen Punkt bedeutet, dass beide Kurven in dieselbe Tangente und dieselbe (orientierte) Krümmung besitzen (siehe 2. Bild).
- zwei Flächen in einem gemeinsamen Punkt bedeutet, dass beide Flächen in dieselbe Tangentialebene und dieselben Normalkrümmungen besitzen.

Es lässt sich allgemein die -Stetigkeit definieren. Dabei bedeutet -Stetigkeit, dass beide Kurven/Flächen nur Kontakt in dem betreffenden Punkt haben. In der Praxis spielen - und -stetige Kurven/Flächen die wichtigste Rolle. Beispielsweise sollte beim Übergang einer geraden Straße in eine kreisbogenförmige Straße der Übergang natürlich mindestens tangential () erfolgen. Geht die Straße tangential direkt in den Kreis über, muss der Fahrer beim Übergang aber ruckartig das Lenkrad von der Geradeaus-Stellung auf die Kreisbewegung verändern. Um dies harmonischer zu gestalten, wird der Übergang zwischen Gerade und Kreis durch eine Übergangskurve, die -kontakt sowohl zur Gerade als auch zum Kreis hat, übernommen. Dies ist nicht mit einem Teil eines Kegelschnitts (Kurven zweiten Grades) zu erreichen. Man muss hierfür mindestens eine Kurve 3-ten Grades (parametrisiert oder implizit) verwenden. Ein Beispiel für die Notwendigkeit von -Kontakten zwischen Flächen stammt aus der Autoindustrie. Eine Karosserie wird in der Regel aus mehreren Teilstücken zusammengesetzt. Erfolgt diese Zusammensetzung nur mit Tangentialkontakt (), so erhalten Spiegelbilder von Objekten an diesen Stellen einen Knick, was unvorteilhaft aussieht. Dies lässt sich mit -stetigen Übergängen vermeiden.

Bemerkung zu den Bildern: Die Bilder zeigen jeweils eigenständige Kurven mit einem gemeinsamen Punkt, in dem die Kurven sich berühren. In der Praxis wird ein Teil der einen Kurve am Berührpunkt durch die zweite Kurve fortgesetzt. Analoges gilt auch für Flächen.

Ebene Kurven

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Um ebene Kurven auf geometrische Stetigkeit (Kontakt) untersuchen zu können, sind Kenntnisse aus der elementaren Differentialgeometrie nötig.

Darstellungen von Kurven

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Eine ebene Kurve wird in der Regel als Bild eines reellen Intervalls   bezüglich einer stetigen Funktion   erklärt. Diese Definition liefert eine

  • Parameterdarstellung  .

Ist die Funktion   n-mal stetig differenzierbar, so heißt die Kurve  -stetig oder Kurve der Klasse  .

  • Eine  -Kurve heißt regulär, wenn in jedem Punkt der Tangentenvektor   ist.

Beispiele:

  1.   ist der Kreis mit Radius 2 und Mittelpunkt im Nullpunkt. Da   gilt, ist diese Darstellung regulär.
  2.   ist ein Teil der Normalparabel  . Da   ist die Darstellung regulär.
  3.   ist ein Teil der Normalparabel  . Da   ist für  , ist die Darstellung nicht regulär.

Im Sonderfall   lässt sich die Kurve als Graph der Funktion   darstellen. Eine solche Darstellung nennt man explizit und schreibt  , wobei   ist:

  • explizite Darstellung  .

Ist   eine  -Funktion, so ist diese Darstellung immer regulär.

Beispiele:

  1.   ist der obere Halbkreis mit Radius 2 und Mittelpunkt im Nullpunkt. Der ganze Kreis lässt sich nicht explizit darstellen.
  2.   ist ein Teil der Normalparabel.

Eine dritte, wesentliche Darstellung einer ebenen Kurve ist die implizite Darstellung. Dabei wird die Kurve als Teil der Lösungsmenge einer Gleichung   aufgefasst. Die Rechtfertigung hierfür liefert der Satz von der impliziten Funktion. Er besagt, dass unter gewissen Voraussetzungen eine Gleichung   lokal nach y oder x aufgelöst werden kann, d. h., es existiert lokal eine explizite Darstellung.

  • implizite Darstellung  .

Eine implizite Darstellung   einer Kurve ist regulär, wenn   in jedem Punkt der Kurve differenzierbar ist und   gilt.

Beispiele:

  1.   beschreibt implizit den Kreis mit Radius 2 und Mittelpunkt im Nullpunkt.
  2.   beschreibt implizit den Kreis mit Radius 2 und Mittelpunkt im Nullpunkt.
  3.   beschreibt implizit die Normalparabel.

Eine ebene Kurve lässt sich also mit Hilfe verschiedener Darstellungen beschreiben.

Für das Zusammensetzen von Kurven (geometrisches Modellieren) spielen nur die geometrischen Eigenschaften Tangente, Krümmung, … eine Rolle. Also benötigt man hierfür geeignete Formeln.

Tangente einer ebenen Kurve

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Die Tangente in einem Kurvenpunkt   kann parametrisiert dargestellt werden durch

  •   mit einem geeigneten Richtungsvektor  .

Ein Richtungsvektor einer in einem Punkt einer

  • parametrisierten regulären Kurve   ist  ,
  • expliziten Kurve   ist  ,
  • impliziten Kurve   ist  .

Krümmung einer ebenen Kurve

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Die Krümmung   einer ebenen Kurve gibt an wie schnell sich die Einheitstangente entlang der Kurve verändert. Bei einer Gerade ist die Krümmung  , bei einem Kreis mit Radius r ist die Krümmung  . Bei einer ebenen Kurve gibt es nur zwei mögliche Richtungen, in denen sich eine Kurve krümmen kann: links oder rechts. Der Betrag der Krümmung

  • einer parametrisierten Kurve   ist  ,
  • einer expliziten Kurve   ist  ,
  • einer impliziten Kurve   ist  

Cn-Kontakt ebener Kurven

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Definition: Zwei reguläre ebene parametrisierte Kurven   haben  -Kontakt in einem gemeinsamen Punkt  , falls die Ableitungen der Funktionen   bis zur Ordnung n im Punkt   übereinstimmen.

Analog definiert man den  -Kontakt von zwei expliziten bzw. impliziten Kurven.

Gn-Kontakt ebener Kurven

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Definition: Zwei reguläre parametrisierte oder explizite oder implizite ebene Kurven haben  -Kontakt in einem gemeinsamen Punkt  , falls es lokal für beide Kurven reguläre parametrisierte (oder explizite oder implizite) Darstellungen gibt, die  -Kontakt in   haben.

  • Im Fall von  -Kontakt genügt der Nachweis, dass die beiden Kurven parallele Tangentenvektoren   in   besitzen. Denn dann existiert für jede Kurve eine Bogenlängen-Parametrisierung   bzw.   mit  -Kontakt in  .
  • Im Fall von  -Kontakt genügt der Nachweis, dass die beiden Kurven parallele Tangentenvektoren   und dieselben (orientierten) Krümmungen   in   besitzen. Denn dann existiert für jede Kurve eine Bogenlängen-Parametrisierung   bzw.   mit  -Kontakt in  . Die Vektoren   sind normierte zu   bzw.   senkrechte Vektoren.
 
Kegelschnitt-Schar: p fest,   variabel

Beispiel: Die Gleichungen   mit festem Parameter   und Scharparameter   beschreiben implizit eine Kegelschnittschar mit dem gemeinsamen Punkt   (s. Bild). Um festzustellen, ob die Kegelschnitte  -Kontakt im Nullpunkt haben, bilden wir die partiellen Ableitungen:

 .

Im Nullpunkt gilt:

 .

Da   von   abhängt, haben die Kurven keinen  -Kontakt.

Berechnet man nach obiger Formel die Krümmung, erhält man  . Also ist   unabhängig vom Scharparameter  . Damit besitzen je zwei Kegelschnitte dieser Schar im Nullpunkt  -Kontakt.

Bemerkung:  -Kontakt lässt sich analog auch für Raumkurven definieren.[1]

Gn-Kontakt von Flächen

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 -Kontakt lässt sich formal analog für Flächen definieren. Die Krümmung wird im Flächenfall durch die Normalkrümmungen ersetzt.[2]

Bemerkung: Das Zusammensetzen von Kurven/Flächen mit  -Kontakt ist relativ einfach. Kurven mit  -Kontakt zu modellieren ist etwas schwieriger. Ziemlich schwer ist es, Flächen mit  -Kontakt herzustellen.[3] In der vorwiegend englischsprachigen Literatur findet man die Erzeugung  -stetiger Kurven und Flächen unter dem Titel blending curves and surfaces.

Siehe auch

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Literatur

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  • Gerald E. Farin: Kurven und Flächen im Computer Aided Geometric Design, Vieweg-Verlag 1994, ISBN 3-528-16542-1, Seite 155, 272
  • Gerald E. Farin, Josef Hoschek, Myung-Soo Kim (Hrsg.): Handbook of Computer Aided Geometric Design. Elsevier Science & Technology, 2002, ISBN 0-444-51104-0, S. 193 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Josef Hoschek: Grundlagen der geometrischen Datenverarbeitung, B.G. Teubner-Verlag 1989, ISBN 3-519-02962-6, Seite 185, 277
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Einzelnachweise

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  1. Geometry and Algorithms …, op. cit., Seite 55
  2. Geometry and Algorithms …, op. cit., Seite 55
  3. Geometry and Algorithms …, op. cit., Seite 119