Emmy Eisenberg

österreichische Bergsteigerin, Kletterin und Essayistin

Emmy Eisenberg (verheiratet Emmy Hartwich-Briochi, geboren am 3. Februar 1888 in Wien; gestorben um 1980 ebenda) war eine österreichische Bergsteigerin, Kletterin und Essayistin.

Emmy Eisenberg 1911 in Gröden zwischen Paul Preuss und Walter Schmidkunz

Eisenberg wurde 1888 in Wien in eine jüdische Familie geboren, ihr Vater James Eisenberg war Arzt und stammte aus Prag,[1] ihre Mutter war Karoline Mauthner, die Tochter des Hof-Advokaten Philipp Mauthner.[2] Sie war eine für die damalige Zeit sehr gebildete Frau, sie war geprüfte Sprachlehrerin und beherrschte fünf Sprachen. Sie veröffentlichte mehrere Essays; bekannt und überliefert sind ihre Veröffentlichungen über das Klettern.[3] Am 20. Dezember 1913 heiratete sie Alexander Hartwich,[4] von dem sie sich nach dem Ersten Weltkrieg wieder scheiden ließ.[5] In diesen Jahren unterzeichnete sie ihre Veröffentlichungen mit Emmy Eisenberg-Hartwich.[3] In den 1920er-Jahren heiratete sie Otto Brioschi, der aus einer wohlhabenden Wiener Familie stammte. Von da an nannte sie sich Emmy Hartwich-Brioschi. 1940 übersiedelte sie in die Provence; dort überlebte sie unter dem Vichy-Regime versteckt den Zweiten Weltkrieg.[5]

Ihr Leben lang erinnerte sie sich an Paul Preuß, ihre große Jugendliebe, der im Alter von 27 Jahren gestorben war. In den 1970er-Jahren, da war Eisenberg bereits über 90, teilte sie ihre Erinnerungen mit Reinhold Messner, der diese in sein Buch über Paul Preuß einfließen ließ.[5]

Alpinistische Karriere

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Eisenberg war eine begabte Kletterin und Bergsteigerin und mit den bekanntesten und berühmtesten Bergsteigern ihrer Zeit bekannt und unternahm mit ihnen zahlreiche Klettertouren. Dazu gehörten Kletterer wie Paul Preuß, Guido Mayer, Emilio Comici und Mary Varale.[6] Vor allem mit Paul Preuß war sie eng verbunden, Eisenberg war häufig seine Seilpartnerin bei schweren und schwierigen Touren. Ihr Kletterstil wurde als „leicht wie eine Feder“ beschrieben, ausdauernd und ehrgeizig. Sie soll sich nie beklagt haben, weder über die Schwere einer Tour noch über Unannehmlichkeiten.[7] Ihre Stärken waren glatte und überhängende Wände, Traversen und Risse. Sie selbst bekannte freimütig, dass sie manchmal in Kaminen Schwierigkeiten hatte.[8] Über sich selbst schrieb sie sehr bescheiden: „Eine wirklich gute Bergsteigerin war ich nie, nur recht geschickt, nie ängstlich, sehr leicht im Gewicht und ungemein begeistert, also tauglich zum Mitgenommen-Werden. Dass es die Besten meiner Epoche waren, die mich mitnahmen, bleibt mein Stolz.“[2] Trotz ihrer bescheidenen Selbsteinschätzung gehörte sie nach dem Urteil von wesentlichen Bergsteigern zu den besten Kletterinnen ihrer Zeit.

Eisenberg war viel in den Tiroler Bergen und in den Dolomiten unterwegs, dies zeigt ein 1927 verfasster Artikel über ihre Besteigung der Vajolet-Türme im Rosengartenmassiv, auch heute noch eine anstrengende Klettertour.[3] Sie war Mitglied in der Sektion Donauland des deutschen und österreichischen Alpenvereins, die viele der wegen Antisemitismus aus anderen Sektionen verstoßenen Mitglieder aufgenommen hatte.[3]

Werke/Schriften

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1925 veröffentlichte Eisenberg in der Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins den Artikel Frau in den Bergen. Darin stellte sie die Frage, warum Frauen in ihrer Eignung als Bergsteigerinnen nicht gewürdigt werden. Frauen hätten durchaus wesentliche Bergsteiger-Eigenschaften, da die Männer sie aber nicht gerne zur Kenntnis nähmen, würden sie diese umbenennen. Das nahm sie in den Fokus und stellte weibliche und männliche Beschreibungen von Begehungen einander gegenüber: „Nur, da die Nomenklatur von Männern gemacht wurde, heißen sie bei uns anders. Und zwar: Mut – blöder Leichtsinn, Entschlossenheit – sträflicher Eigensinn, Ausdauer – eine gewisse Zähigkeit, Geistesgegenwart – glücklicher Zufall, Liebe zur Sache – Liebe zum Mann …“[9]

Eisenberg war eine engagierte Kletterin, setzte sich aber auch für Frauen im gesellschaftlichen Leben ein, das sei allerdings unvergleichlich mühsamer. Oder in den Worten von Eisenberg: „Die Berge sind die einzigen sichtbaren Ideale, die man schnell erreichen kann.“[10] Sie galt als witzig und geistreich, daher waren ihre Schriften beliebt.[2]

Gedenken

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Eisenberg wurde weitgehend vergessen und die vorliegenden Informationen sind fragmentiert. Das liegt unter anderem an ihrem Geschlecht: Frauenbergsteigen galt als etwas Exotisches und die Erfolge wurden selten bis nie aufgezeichnet. Die Kletterführer- und Fachautorin Anette Köhler bewertete dies als historische „Frauenleiche im Keller“ der Alpenvereine.[11] Aufzeichnungen gab es meist von den jeweiligen Sektionen der Alpenvereine, um ihre Erfolge darzustellen. Frauen wurden bis weit in die 1980er-Jahre nicht als Vollmitglieder aufgenommen und daher ihre Erfolge auch nicht protokolliert, höchstens als Seilpartnerin eines Mannes. Aufgenommen in die Alpenvereine wurden Frauen nur als Ehefrauen bzw. assoziiertes Mitglied ohne Stimmberechtigung. Eine rühmliche Ausnahme ist die Sektion Donauland, die schon früh Frauen als Vollmitglieder aufnahm. Deren Aufzeichnungen wurden aber aus antisemitischen Motiven großteils vernichtet.

Zum anderen liegt es an ihrem Glauben: Antisemitische Tendenzen und der aufkommende Nationalsozialismus hatten dazu geführt, dass Unterlagen und Informationen über jüdische Bergsteiger und Bergsteigerinnen wie Eisenberg weitestgehend getilgt wurden.[2] Dieses Schicksal teilt sie mit anderen jüdischen Bergsteigern wie Paul Preuß, den Brüdern Mayer, Rudolf Reiff, Jeanne Immink oder Joseph Braunstein.

Siehe auch: Deutscher und Österreichischer Alpenverein, Sektion Donauland

Einzelnachweise

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  1. David Smart: Paul Preuß: the Lord of the Abyss. 1. Edition Auflage. Rocky Mountain Books Ltd., ISBN 978-1-77160-323-2, S. 46.
  2. a b c d Ingrid Runggaldier: Frauen im Aufstieg: auf Spurensuche in der Alpingeschichte. Rætia, Bozen 2011, ISBN 978-88-7283-346-9, S. 179.
  3. a b c d Franziska Cont: Frauenbiografien und Straßennamen. In: Projekt des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen, gefördert von der Provinz Bozen, Seite 155. Sieglinde Clementi, 2023, abgerufen am 9. Dezember 2023.
  4. David Smart: Paul Preuss: The Lord of the Abyss. Rocky Mountains Books Ltd., 2019, ISBN 978-1-77160-323-2, S. 207.
  5. a b c David Smart: Paul Preuss: Lord of the Abyss. Rocky Mountain Books, 2019, ISBN 978-1-77160-323-2, S. 212.
  6. Der Philosoph des Freikletterns: die Geschichte von Paul Preuß. Überarb. und erw. Taschenbuchausg Auflage. Nr. 416. Malik, München 2011, ISBN 978-3-492-40416-7, S. 41.
  7. Ulrich Remanofsky: Wen die Götter lieben: Schicksale von elf Extrembergsteigern; Hans Dülfer, Paul Preuß, Willo Welzenbach, Louis Lachenal, Diether Marchart, Toni Kinshofer, Günther Messner, Heini Holzer, Alison Hargreaves, Xaver Bongard und Marco Siffredi. 1. Auflage. Alpinverl, Bad Häring 2012, ISBN 978-3-902656-09-4, S. 11.
  8. Horst Höfler: Sehnsucht Berg: grosse Alpinisten von den Anfängen bis zur Gegenwart. BLV, München Wien Zürich 1989, ISBN 978-3-405-13573-7, S. 89.
  9. Caroline Fink, Karin Steinbach: Erste am Seil: Pionierinnen in Fels und Eis. Wenn Frauen in den Bergen ihren eigenen Weg gehen. Tyrolia, Innsbruck 2013, ISBN 978-3-7022-3252-8, S. 54.
  10. Ingrid Runggaldier: Frauen im Aufstieg: auf Spurensuche in der Alpingeschichte. Rætia, Bozen 2011, ISBN 978-88-7283-346-9, S. 10.
  11. Anette Köhler: Frauenbergsteigen. Auf der Suche nach einer vergessenen Seite der alpinen Geschichte. In: Alpenvereinsjahrbuch 1995, ISBN 3-7633-8058-2, S. 161 f.