Elisa Wipf

Schweizer Germanistin, Lehrerin und Journalistin

Elisa Wipf oder Elise Wipf[1] (* 12. Mai 1882 in Männedorf; † 4. März 1929 in Zürich) war eine Schweizer Germanistin, Lehrerin und Redaktorin. Ihre Dissertation zum Walliserdeutschen war ein Meilenstein der Dialektologie. 1908 trat sie als erste Frau in die Redaktion des Schweizerischen Idiotikons ein. Später arbeitete sie als Lehrerin in South Dakota (USA), dann als Redaktorin der Woche im Bild und der Neuen Zürcher Nachrichten.

Titelblatt der Dissertation von Elisa Wipf

Leben Bearbeiten

1886 zog die Familie – der Vater war Lehrer – von Männedorf nach Zürich.[2] 1902 bestand Elisa Wipf an der Seminarabteilung der Höheren Töchterschule (heute Kantonsschule Hohe Promenade) die Matura. Sie schrieb sich anschliessend an der Universität Zürich für Germanistik und weitere Fächer ein.[3] 1904 erhielt sie «für löbliche Seminarbetätigung» 100 Franken.[4] 1907 schloss sie bei Albert Bachmann mit einer Dissertation über den altertümlichen Dialekt von Visperterminen im Kanton Wallis, der 1910 in der Reihe Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik erschien, das Studium ab.

Ihre Arbeit war die erste wissenschaftliche Abhandlung einer walliserdeutschen Mundart und stellte die junggrammatische Forschungsrichtung beziehungsweise deren Überzeugung, dass Lautgesetze ausnahmslos seien, vor die Frage, warum in der Mundart von Visperterminen eine Reihe althochdeutscher auslautender Vokale (-a, -o, -u) erhalten geblieben sind, die lautgesetzlich hätten schwinden müssen. Wipf erklärte den unterbleibenden Schwund damit, dass «der Stärkeabstand der Schwachtonsilben von den starktonigen […] bei weitem nicht so gross wie sowohl im Musterdeutschen als in sämtlichen andern mir bekannten schweizerdeutschen Mundarten» sei.[5] Im Jahr des Abschlusses der Promotion durchwanderte Wipf im Auftrag des Leitenden Ausschusses des Schweizerischen Idiotikons das Oberwallis, um weitere Aufzeichnungen für dieses Wörterbuch zu machen.[6]

Als zur selben Zeit Eduard Schwyzer seine Tätigkeit als Idiotikon-Redaktor reduzieren musste, da er zum Lehrer an der Höheren Töchterschule gewählt worden war, zog Chefredaktor Albert Bachmann Wipf als Redaktorin bei.[7] Gab es schon zuvor mehrere «Bureaugehilfinnen», so war Wipf die erste Frau, die ab dem 1. April 1908 als «Redaktorin» dem Team des Schweizerischen Idiotikons angehörte und damit nicht nur Vorarbeiten leistete, sondern Wortartikel schrieb.

1910 nahm sie eine Stelle als Lehrerin in Sturgis (South Dakota) an[8][9] und kündigte im Sommer «ganz plötzlich und ohne sich an die vertragliche Kündigungsfrist zu kehren».[10] Dies versetzte die Idiotikon-Redaktion in grössere Schwierigkeiten, zumal im gleichen Jahr Redaktor Hermann Blattner gestorben war.[10] Ein Nachfolger in der Person von Otto Gröger wurde erst im Folgejahr gefunden.[11] Wegen ihrer kurzen Mitarbeit und aus Verärgerung des Chefredaktors erscheint Wipf nicht auf dem Titelblatt der beiden Bände VI und VII, an denen sie mitgearbeitet hat.

Später kehrte Wipf wieder nach Zürich zurück.[12] Sie redigierte für Die Woche im Bild. Illustrierte katholische Familienzeitschrift die Rubrik Aus der Welt der Frauen und schrieb überdies für die (ebenfalls katholisch ausgerichteten) Neuen Zürcher Nachrichten. 1929 verschied sie im Alter von noch nicht 47 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Im Nachruf, den die letztere Zeitung brachte, hiess es:[13]

«Ihr reiches Wissen, das sie sich in gründlichen Studien geholt, und eine große schriftstellerische und kritische Erfahrung befähig[t]en sie zu diesem Beruf ganz besonders. Sie hatte für die volkstümlich-literarische Produktion der Gegenwart ein gutes Auge und traf immer eine gute Auswahl für die Zeitschrift, die in weite Volkskreise Eingang gefunden hat und trotzdem immer auf einer literarisch achtbaren Höhe stand.»

Publikationen Bearbeiten

Quellen und Literatur Bearbeiten

  • Vita im Teildruck der Dissertation.
  • Jahresberichte des Schweizerischen Idiotikons 1907, 1908, 1910.
  • Wipf Elise. In: Matrikeledition der Universität Zürich.
  • Totentafel: Frl. Dr. phil. M. Elise Wipf. In: Neue Zürcher Nachrichten, Band 25, Nummer 66, 8. März 1929, S. 2 (Digitalisat).
  • Wipf, Elise. Im Personenverzeichnis des Kleinen Sprachatlasses der deutschen Schweiz. Hrsg. von Helen Christen, Elvira Glaser, Matthias Friedli. 7., verbesserte Auflage. Huber Frauenfeld, Zürich 2019, S. 364.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Elisa laut ihrer Dissertation sowie laut Bürgerétat der Stadt Zürich 1911 resp. Bürgerbuch der Stadt Zürich 1926, bearbeitet vom Zivilstandsamt der Stadt Zürich, Abteilung Bürgerregister, Zürich 1912, S. 1016 resp. 1927, S. 2000; Elise gemäss der Matrikeledition der Universität Zürich, den Jahresberichten 1907 und 1908 des Schweizerischen Idiotikons und dem Nachruf in den Neuen Zürcher Nachrichten.
  2. Bürgerétat der Stadt Zürich 1892. Supplément für die Niedergelassenen, S. 35 und Bürgerétat der Stadt Zürich 1904, S. 817.
  3. Vita im Teildruck ihrer Dissertation.
  4. Amtliches Schulblatt des Kantons Zürich. 19 (1904), S. 212.
  5. Elisa Wipf: Die Mundart von Visperterminen im Wallis. Frauenfeld 1910, §§ 23, 72. Die Besprecher der Arbeit, Primus Lessiak und Karl Bohnenberger, versuchten das Problem hingegen ganz junggrammatisch so zu lösen, dass es in den fraglichen Positionen neben den kurzen althochdeutschen Vokalen auch lange gegeben haben müsse, die so – in Übereinstimmung mit der damaligen herrschenden Meinung der Wissenschaft – erhalten bleiben konnten. William G. Moulton (Swiss German dialect and Roman patois, Baltimore 1941) zog – durchaus im Einklang mit Wipfs Position – für den Erhalt die parallel laufende phonologische Struktur der frankoprovenzalischen Mundarten bei (die deutschen Dialekte des Oberwallis und die romanischen des Unterwallis machten etliche Entwicklung gemeinsam mit, was auf eine einstige länger anhaltende sprachliche Durchmischung hindeutet, die in einem Gegensatz zur heutigen strikten Trennung der beiden Sprachgebiete stand). Wipf selbst erwähnte § 23, dass man als Zuhörer zunächst «überhaupt» merken müsse, «dass die Leute deutsch und nicht etwa romanisch reden», und § 25, dass die Mundart von Visperterminen in ihrer «Verbindung von schwachem dynamischem mit lebhaftem musikalischem Akzent […] im Verein mit den vielen vollen Endsilbenvokalen» ein «ganz romanisches Gepräge» habe.
  6. Elisa Wipf: Die Mundart von Visperterminen im Wallis. Frauenfeld 1910, S. 3. Dieses Material ging allerdings infolge ihres Amerikaaufenthalts verloren, wie aus einer sich auf die Redaktorin Clara Stockmeyer berufenden Notiz des späteren Chefredaktors Hans Wanner hervorgeht (Bibliothek Schweizerisches Idiotikon).
  7. Jahresberichte 1907 und 1908 des Schweizerischen Idiotikons, je S. 1 f.
  8. Wipf Elise. In: Matrikeledition der Universität Zürich.
  9. Gemäss der Passagierliste des Dampfers Lapland, mit dem Wipf von Antwerpen nach New York fuhr (The Statue of Liberty – Ellis Island Foundation Inc. > Passenger Search) war ihr erstes Ziel das Benediktinerinnenkloster in Yankton (South Dakota), das zum Kloster Einsiedeln (Kanton Schwyz) und zum Kloster Maria-Rickenbach (Kanton Nidwalden) Kontakt pflegte. Von hier aus zog sie nach Sturgis weiter, wo Benediktinerinnen die Schule Saint Martin’s Academy (Bild) führten; es dürfte diese Schule sein, an der Wipf unterrichtete.
  10. a b Jahresbericht 1910, S. 1–3.
  11. Jahresbericht 1911, S. 1.
  12. Laut Bürgerbuch der Stadt Zürich 1926, S. 2000 wohnte sie damals bei ihrer Mutter.
  13. Totentafel: Frl. Dr. phil. M. Elise Wipf. In: Neue Zürcher Nachrichten, Band 25, Nummer 66, 8. März 1929, S. 2.