Diazoxid ist ein Benzothiadiazin-Derivat, welches keine diuretische Wirkung hat. Es ist lipophil und liegt bei physiologischem pH-Wert nur zu etwa 10 % als Anion vor. Es ist ein oral wirksamer selektiver Kaliumkanalöffner,[4] der als Therapeutikum bei Hypoglykämie eingesetzt wird. Er bewirkt durch Hemmung der Insulinausschüttung der Langerhans-Inseln[4] einen raschen und befristeten dosisabhängigen Anstieg des Blutzuckerspiegels, im Allgemeinen über eine Dauer von weniger als acht Stunden.

Strukturformel
Strukturformel von Diazoxid
Allgemeines
Freiname Diazoxid
Andere Namen
  • 7-Chlor-3-methyl-2H-1,2,4-benzothiadiazin-1,1-dioxid (IUPAC)
  • Diazoxidum (Latein)
Summenformel C8H7ClN2O2S
Kurzbeschreibung

Weißes bis fast weißes, feines oder kristallines Pulver[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 364-98-7
EG-Nummer 206-668-1
ECHA-InfoCard 100.006.063
PubChem 3019
ChemSpider 2911
DrugBank DB01119
Wikidata Q420009
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse
Wirkmechanismus

Kaliumkanalöffner

Eigenschaften
Molare Masse 230,67 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

330,5 °C[2]

pKS-Wert

8,74[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338[3]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Wirkweise Bearbeiten

Diazoxid ist ein Sulfonylharnstoffrezeptor 1 (SUR1) Agonist. SUR1 und Kir6.2 bilden zum Beispiel im Pankreas den funktionellen ATP-abhängigen Kaliumkanal K(ATP). Durch Aktivierung dieses Kanals kommt es zu einem Kaliumausstrom, der sich stabilisierend auf das Membranpotential auswirkt. Im Pankreas wird dadurch die Insulinausschüttung unterbunden bzw. vermindert. Diazoxid bindet an SUR1, welche als regulatorische Untereinheit fungiert und verändert wahrscheinlich die räumliche Struktur des Rezeptors so, dass die Kanalpore, bestehend aus Kir6.2 Untereinheiten, länger geöffnet ist. Wenn mehr Kalium die Zelle verlässt, negativiert sich das Ruhemembranpotential und die Wahrscheinlichkeit der Insulinausschüttung sinkt.

Indikationen Bearbeiten

Der Arzneistoff Diazoxid wird bei Hypoglykämien verschiedener Genese oral verabreicht, so bei angeborener Leucin-Hypersensibilität, bei einigen angeborenen Defekten des KATP-Kanals, bei Nesidioblastose, bei pankreatischen und extrapankreatischen insulinproduzierenden Tumoren, bei therapierefraktärer maligner Hypertonie bei Niereninsuffizienz, sowie bei der Glykogenspeicherkrankheit.[5]

Kontraindikationen und unerwünschte Wirkungen Bearbeiten

Eine Behandlung mit Diazoxid ist kontraindiziert bei einer Überempfindlichkeit auf den Wirkstoff, bei einer Allergie auf Benzothiadiazine, bei koronarer Herzkrankheit und Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Phäochromozytom, Azofarbstoff- und Analgetika-Intoleranz. Es liegen keine Daten zur Anwendung bei Schwangeren vor. In tierexperimentellen Studien fand sich eine Embryotoxizität. Während der Schwangerschaft darf der Arzneistoff nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist unbedingt erforderlich. Da nicht bekannt ist, ob Diazoxid in die Muttermilch übertritt, und da für den Säugling das Risiko für potentiell schwere Nebenwirkungen besteht, sollten Frauen, die während der Stillzeit behandelt werden müssen, abstillen.[5]

Die wichtigsten unerwünschten Wirkungen von Diazoxid sind Na+- und Wasserretention, Hyperurikämie, Hypertrichose (vor allem bei Kindern), Leukopenie und Thrombopenie, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle. Bei Langzeitbehandlung können extrapyramidale Symptome auftreten. Auf den Blutdruck hat oral appliziertes Diazoxid nur eine geringe Wirkung.

Handelspräparate Bearbeiten

Monopräparate

Proglicem (D, CH),[6][7] Eudemine (GB), Proglycem (USA)

Literatur Bearbeiten

  • W. Forth, D. Henschler, W. Rummel: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Urban & Fischer, München 2005, ISBN 3-437-42521-8.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 5. AUSGABE. Band 5.0–5.7, 2006.
  2. a b c d e Eintrag zu Diazoxide in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. a b Datenblatt Diazoxide bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 24. März 2011 (PDF).
  4. a b Claus-Jürgen Estler, Harald Schmidt: Pharmakologie und Toxikologie für Studium und Praxis. 6. Auflage, 2007, Schattauer Verlag, ISBN 978-3-7945-2295-8, S. 698, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  5. a b Fachinformation aus dem Arzneimittel-Kompendium der Schweiz für Proglicem Kapseln von Essex Chemie, Stand Juli 2004.
  6. Rote Liste online, Stand: Oktober 2009.
  7. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: Oktober 2009.