Christiana Mariana von Ziegler

deutsche Schriftstellerin

Christiana Mariana von Ziegler (geb. Christiana Mariana Romanus; * 28. Juni 1695 in Leipzig; † 1. Mai 1760 in Frankfurt an der Oder) war eine deutsche Schriftstellerin zur Zeit der Aufklärung.

Christiana Mariana von Ziegler. Kupferstich von Martin Bernigeroth, 1728.
Christiana Mariana von Ziegler. Kupferstich von Georg Daniel Heumann.
Medaille anlässlich ihrer Krönung zur „Poeta laureata“ von Andreas Vestner

Leben Bearbeiten

Christiana Mariana von Ziegler war das erste von acht Kindern des Juristen Franz Conrad Romanus und seiner Frau Christiana Maria, geb. Brummer.[1] Der Vater wurde 1701 Bürgermeister der Stadt Leipzig. Er war einer der Förderer Georg Philipp Telemanns, der zwischen 1701 und 1704 in Leipzig lebte. Die Verhaftung des Vaters wegen Geldunterschlagung und Wechselfälschung (was nie bewiesen oder geklärt wurde) prägte das damals elf Jahre alte Mädchen, auch wenn der gute Ruf der Familie unter der Inhaftierung des Vaters nicht verlorenging. Franz Conrad Romanus starb 1746 im Gefängnis, ohne dass ein offizielles Urteil gegen ihn gesprochen worden wäre. In dieser schweren Zeit starben sechs ihrer Geschwister.

Mit 16 Jahren, möglicherweise auch, um der schlechten finanziellen Situation der vaterlosen Familie zu entgehen, heiratete Christiana Mariana Romanus Heinrich Levin von Könitz. Dadurch stieg sie in den Stand des niederen Adels auf. Der Ehemann starb 1712 kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes Johanna Mariana Henriette von Könitz. Sie heiratete 1715 erneut und zog mit ihrem zweiten Ehemann, dem Hauptmann George Friedrich von Ziegler, auf sein Gut Eckartsleben in der Nähe von Erfurt. Die zweite Tochter Carolina Augusta Louisa von Ziegler wurde 1716 geboren. Um 1722 starben Georg Friedrich von Ziegler, kurz darauf auch die beiden Töchter, wohl aufgrund einer Seuche.

Zieglers literarische Produktivität begann bald nach diesen persönlichen Schicksalsschlägen. Sie kehrte nach Leipzig zurück zu ihrer Mutter ins Romanushaus. Dort erlaubten ihr ihre Vermögensverhältnisse jetzt ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben. Nach der Trauerzeit gründete sie in diesem Haus einen der ersten literarisch-musikalischen Salons in Deutschland, der „Begegnungsstätte von Bürgern, Gelehrten und Künstlern“ wurde.[2] Für zwei prominente Leipziger Gäste u. a. wurde ihr Salon nach der Gründung wichtig: Für Johann Sebastian Bach, seit 1723 Thomaskantor in Leipzig, der bald darauf (1725) neun ihrer geistlichen Kantaten-Dichtungen vertonte und aufführte, und Johann Christoph Gottsched, der 1724 nach Leipzig kam und ein Jahr später die Moralische Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen gründete, in der von Ziegler unter den Pseudonymen Silere, de Rose und Clarimene von Lindenheim Artikel veröffentlichte.[3] 1728 wurden die Kantatentexte zusammen mit weiteren Dichtungen in Leipzig veröffentlicht, ein zweiter Teil folgte 1729. 1730 wurde die Zieglerin das erste und einzige weibliche Mitglied in Gottscheds „Deutscher Gesellschaft“ in Leipzig. Zweimal, 1732 und 1734, erhielt sie dort den Preis der Poesie, der jährlich vergeben wurde. Am 17. Oktober 1733 erhielt sie von der Universität Wittenberg die kaiserlich privilegierte Dichterkrone einer „Poeta laureata“. Ihr letztes Werk erschien sechs Jahre später.

Im November 1741 heiratete Christiana Mariana von Ziegler den Professor der Geschichte, der Natur und des Völkerrechts Wolf Balthasar Adolf von Steinwehr, mit dem sie nach Frankfurt an der Oder zog. Literarisch trat sie danach mit Übersetzungen an die Öffentlichkeit. In Frankfurt an der Oder starb sie 1760 im Alter von 64 Jahren.

Widerstände und Universitätsgericht Bearbeiten

Schon Christiana Mariana Zieglers Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft zog Widerstände nach sich. Ihre kaiserliche Dichterkrönung 1733 wurde kommentiert mit Schmähschriften und „bösartige Parodien“ unter einigen Studenten der Universität Leipzig; die Krönung zur „Poeta laureata“ verursachte einen „Skandal“ mit nachfolgendem Prozess am Leipziger Universitätsgericht.[4][5] Ein Spottvers:[6]

„Poeten! werfft die Feder hin,/ Und lasst euch Stricke=Nadeln reichen,/ Denn eine tolle Dichterin/ Mißbraucht ietzt eurer Mannheit Zeichen.“

Werke Bearbeiten

Neun Kantatentexte für Johann Sebastian Bach Bearbeiten

Das Bach-Werke-Verzeichnis (BWV) von Wolfgang Schmieder, 1945–1950 geschrieben, enthält die folgenden Kantaten nach Texten Christiana Mariana von Zieglers. Alle wurden im Jahr 1725 in Leipzig von Johann Sebastian Bach aufgeführt.[7] Da Bach 1723 nach Leipzig kam, könnte eine Zusammenarbeit mit ihm erst in den beiden Jahren nach Verlust ihres Mannes und ihrer Töchter (1722) entstanden sein.

Weitere Werke Bearbeiten

Übersetzungen
  • Der Mad. Scudéry Scharfsinnige Unterredungen, von Dingen, Die zu einer wohlanständigen Aufführung gehören […] Leipzig 1735.
  • Abhandlung von dem rechtschaffnen Wesen des Herrn Chevalier de Meré […] In: Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig eigene Schriften und Übersetzungen […] Der dritte Theil. Leipzig 1739.
  • Gedanken des Abtes Trublêt über verschiedene Sachen, welche zur Gelehrsamkeit und Sittenlehre gehören […] 2 Theile. Greifswald 1744.

Ehrungen Bearbeiten

  • 1730: Aufnahme als erste und einzige Frau in Gottscheds „Deutscher Gesellschaft“ in Leipzig.
  • 1732 und 1734: „Preis der Poesie“
  • 17. Oktober 1733: Kaiserlich privilegierte Dichterkrone einer „Poeta laureata“ von der Universität Wittenberg

Literatur Bearbeiten

  • Gisela Brinker-Gabler (Hrsg.): Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gedichte und Lebensläufe (= Fischer-Taschenbücher. 1994). Fischer-Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-596-21994-9, S. 113–121.
  • Christian GeltingerZiegler, Christiane Mariane von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 17, Bautz, Herzberg 2000, ISBN 3-88309-080-8, Sp. 1584–1588.
  • Susanne Schneider: Christiana Mariana von Ziegler (1695–1760). In: Kerstin Merkel, Heide Wunder (Hrsg.): Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000, S. 139–152.
  • Ulrich Konrad, Aspekte musikalisch-theologischen Verstehens in Mariane von Zieglers und Johann Sebastian Bachs Kantate Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen BWV 87. In: Archiv für Musikwissenschaft. 57 (2000), Heft 3, S. 199–221.
  • Christine Wolter: Mariane oder Die Unsterblichkeit. Faber & Faber, Leipzig 2004, ISBN 3-936618-42-9.
  • Cornelia Caroline Köhler: Frauengelehrsamkeit im Leipzig der Frühaufklärung. Möglichkeiten und Grenzen am Fallbeispiel des Schmähschriftenprozesses im Zusammenhang mit der Dichterkrönung Christiana Mariana von Zieglers. Leipzig 2007.
  • Sabine Koloch: Anerkennung im Zeichen der Aufklärung. Zur Entstehung der Medaille auf die poetische Krönung von Christiana Mariana von Ziegler, angeboten von den Medailleuren Vestner in ihrem Nürnberger Verlag. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. 42 (2015), S. 199–220.
  • Eva-Maria Bast: Christiana Mariana von Ziegler. In: dies.: Leipziger Frauen. Historische Lebensbilder aus der Bürgerstadt. Bast Medien, Überlingen 2019, ISBN 978-3-946581-72-7, S. 152–156.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Lebenslauf aus Susanne Schneider: Christiana Mariana von Ziegler (1695–1760). In: Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit. 2000, S. 141–143.
  2. Susanne Schneider, in: Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit. 2000, S. 144f.
  3. Susanne Schneider, in: Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit. 2000, S. 144–145.
  4. Steffen Martus: Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild. Rowohlt TV, Reinbek b. Hamburg 2018, S. 387–389.
  5. Die Umstände dieses Skandals erforschte und belegte Cornelia Caroline Köhler: Frauengelehrsamkeit im Leipzig der Frühaufklärung. Möglichkeiten und Grenzen am Fallbeispiel des Schmähschriftenprozesses im Zusammenhang mit der Dichterkrönung Christiana Mariana von Zieglers. Leipzig 2007.
  6. Abgedruckt in: Steffen Martus: Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert – ein Epochenbild. 2018, S. 388.
  7. Philippe Lesage: Anna Magdalena Bach et l'entourage féminin de Jean-Sébastien Bach. Editions Papillon Genf 2011, ISBN 978-2-940310-43-2, Anhang.
  8. Susanne Schneider 2000, Fußnote 6, S. 266.