Filmanalyse Bearbeiten

Filmtitel und Filmgenre Bearbeiten

 
Eine Illustration aus dem Bilder- und Liederbuch This is the House that Jack Built von Randolph Caldecott aus dem Jahr 1887

Der Filmtitel ist eine Anspielung auf das beliebte englische Kinderlied This is the House that Jack Built, das aus einzelnen Versen besteht, die aufeinander aufbauen und so eine Geschichte erzählen. Das Lied ist in 12 unterschiedlich lange, immer umfangreicher werdende Versblöcke unterteilt, die 12 verschiedene Begebenheiten erzählen. Die sich selbst aufbauende Geschichte erzählt jedoch nicht wirklich von Jacks Haus oder gar von Jack selbst, der dieses baute, sondern zeigt, wie dieses Haus indirekt mit anderen Personen und Dingen in Verbindung steht, so von dem verlumpten und dreckigen Mann, von dem ganz verlassenen Mädchen und von den Verbindungen dieser Personen und kleinen Ereignisse.

Auch im Film von Lars von Trier hat die Zahl 12 eine Bedeutung, da sich die Geschichte, in der Jack mordet, über 12 Jahre in den 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre erstreckt.[1] Eric Kohn von IndieWire erklärt, Jack nehme im Film die Herausforderung von Verge an und kündigt seinen Plan an, „fünf zufällig ausgewählte Vorfälle über einen Zeitraum von zwölf Jahren“ zu beschreiben, die alle grausame Morde beinhalten. Über seine Verbrechen bringt er den Zuschauer auf den neuesten Stand.[2] Er erzählt anhand von «Ereignissen» («Incidents») nicht nur von seinen ersten Morden, sondern auch von seiner eigenen Biografie als Ingenieur. Jack wäre eigentlich lieber Architekt und versucht seit Jahren, sein eigenes Haus zu bauen[3], womit der Titel des Film direkt aufgegriffen wird.

Es gab bereits zuvor einige Bücher, Lieder und Filme, die den Titel des Kinderliedes und teilweise auch dessen Inhalt aufgriffen. So The House that Jack Built von Linda Evans aus dem Jahr 2001, ein gleichlautender Song von Aretha Franklin, aber auch von Alan Price aus dem Jahr 1967, der Song The House Jack Built von Metallica aus dem Jahr 1996, mehrere Filme aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit diesem Titel und der Kurzanimationsfilm The House that Jack Built von Ron Tunis.

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Im Film erzählt Jack anhand von «Ereignissen» («Incidents») nicht nur von seinen ersten Morden, sondern auch von seiner eigenen Biografie als Ingenieur. Jack wäre eigentlich lieber Architekt und versucht seit Jahren, sein eigenes Haus zu bauen.[4]

bei 12 Jahren: Eric Kohn von IndieWire erklärt, Jack nehme im Film die Herausforderung von Verge an und kündigt seinen Plan an, "fünf zufällig ausgewählte Vorfälle über einen Zeitraum von zwölf Jahren" zu beschreiben, die alle grausame Morde beinhalten. Über seine Verbrechen bringt er den Zuschauer auf den neuesten Stand. / Jack embraces the challenge, announcing his plan to describe “five randomly chosen incidents over a 12-year period,” all of which involve gruesome murders.[5]

Eric Kohn sagt The House That Jack Built sei ein oft erschreckender, sadistischer dive in einen psychotischen inneren Monolog, mit intellektuellen detours über das Wesen der Kunst in der heutigen Welt, und unternehme beträchtliche Anstrengungen, um in entscheidenden Momenten Unbehagen zu erzeugen. / is an often-horrifying, sadistic dive into a psychotic internal monologue, with intellectual detours about the nature of art in the world today, and puts considerable effort into stimulating discomfort at key moments.[6]

Aufbau und die Bedeutung der Kunst / Versuchsanordnung Bearbeiten

Eric Kohn von IndieWire meint, der Film verschwende wenig Zeit mit der Erklärung der Entwicklung der Figur (Jack) oder seiner anfänglichen Umstände / Lebensumstände, die ihn an solch einem verdorbenen Ort führten. Stattdessen entfalte sich der Film in einer Reihe von Vorfällen, die so schrecklich sind, dass sie (eine) Verurteilung (er)fordern, dennoch mit einen ganz eigenen / einzigartigen Rhythmus. So schwinge Jack ein Messer und schreie: "Frauen sind immer Opfer. Männer sind immer Verbrecher." / The movie spends little time explaining the character’s upbringing or even the initial circumstances that led him to such a depraved place. Instead, it unfolds across a series of incidents so horrible they demand condemnation, while contextualizing them with an unusual density of ideas. It’s an eerie combination that hews to its own unique rhythm. xxxx Jack shouts, brandishing a knife. “Women are always victims. Men are always criminals.” It’s a damning statement, though the movie doesn’t exactly defend it so much as it positions the assertion as a source of the condemned lunatic’s rage.[7]

Ähnlich wie in Nymphomaniac entfaltet sich der Großteil von The House That Jack Built als verlängerter Rückblick, der uns über Jacks Verbrechen auf den neuesten Stand bringt. / Jack embraces the challenge, announcing his plan to describe “five randomly chosen incidents over a 12-year period,” all of which involve gruesome murders. Similar to “Nymphomaniac,” the bulk of “The House That Jack Built” unfolds as a prolonged flashback that brings us up to speed on his crimes.[8]

Emily Yoshida von Vulture erklärt Jack/der Film erzähle in seinem Verlauf einem unsichtbaren Zuhörer die Geschichte in/durch fünf "zufällig ausgewählten" Vorfälle(n), die über einen Zeitraum von 12 Jahren und nicht unbedingt in einer bestimmten Reihenfolge stattfinden. Während dieser ausgewählten Playlist von Morden erklärt Jack seine Theorien darüber, wie und warum er dazu getrieben wird, andere Menschen zu töten, wobei er von der gotischen Architektur bis zu Dessertweinen und natürlich zum Holocaust abdriftet, so Yoshida. (Over the course of the film he tells his story to an unseen listener, in five “randomly selected” incidents that take place over a 12-year period, and not necessarily in sequence. xxx Throughout this selected playlist of murders, Jack explains his theories about how and why he is driven to kill other humans, going off on tangents that range in subject from Gothic architecture to dessert wines to, of course, the Holocaust.)[9]

Unter seinen Opfern finden sich auch Kinder[10][11], wodurch von Trier....

Pascal Blum vom Tages-Anzeiger erklärt, The House That Jack Built sei ein Porträt in fünf Kapiteln: Jack hat als Kind den Entenküken die Füsse abgezwackt, im Erwachsenenalter verlegt er sich aufs Ermorden von Frauen. Die Leichen stapelt er im Kühlraum eines ehemaligen Pizzalieferdiensts. Vor Eintritt der Leichenstarre verkrümmt er oft ihre Glieder, denn Jack hat eine Schwäche für makabre Tableaux morts. Seine schlimmste Neigung sei aber das Monologisieren, so Blum. So gebe es viele Zwischenspiele mit Diagrammen und Kunstgeschichte /Verweise auf die Kunstgeschichte, in denen Jack etwa die verschiedenen Herstellungsmethoden von Dessertwein erklärt.[12]

Andreas Busche vom Tagesspiegel xxx: „Auch wenn die Idee, einen Serienmörder über Motive aus der nicht minder grausamen Kunstgeschichte zu erklären, einen gewissen Reiz hat. Im Gegensatz zu Spike Lees zweifellos rechtschaffener Moral ist die krude Moral von Triers wenigstens ein guter Witz.“[13]

Matthias Greuling von der Wiener Zeitung xxx Symbolische Bilder verknüpfen diesen Mord mit der Kunstwelt: "60 Tote hat Jack schon auf dem Gewissen, jetzt erzählt er einem lange nicht ins Bild kommenden Gegenüber (Bruno Ganz) davon - eine Beichtsituation, die von Trier schon in "Nymphomaniac" etabliert hat, wie er überhaupt aus seinem gesamten Oeuvre schamlos sich selbst zitiert, mit Einstellungen, die man schon so oder ähnlich gesehen hat. Es ist wie die Summe aller Filme, die Lars von Trier je gemacht hat, es ist wie die Summe aller Abgründe, in die er und sein Publikum je geblickt haben."[14]

Wenke Husmann von Zeit Online erklärt, in fünf Kapiteln erzähle von Trier von einem Mann namens Jack, der eher zufällig zum Mörder werde. Sein erstes Opfer ist wie die meisten aller folgenden Opfer eine Frau. Wie bereits in von Triers früheren Filmen übernehmen Wasser und Feuer in The House That Jack Built metaphorische Rollen, so Husmann weiter, und wie so oft habe der Regisseur Footage-Material in die Spielszenen montiert: "enzyklopädisches Wissen zur Statik gotischer Kathedralen, Dokumentaraufnahmen von Glenn Gould am Klavier, Aufmärsche der Nazis in Nürnberg, eine historische Fotografie aus dem Konzentrationslager Buchenwald und sehr viel gemalte Kunst wie Botticellis Geburt der Venus und Joseph Stielers Porträt von Goethe. Dessen Faust hat von Trier übrigens gleich mehrfach herangezogen. Und für alle, die mit der Figur nicht so vertraut sind, tritt Mephisto am Ende sogar persönlich auf. Bruno Ganz spielt ihn mit – vermutlich diabolisch wirkendem – deutschem Akzent in seinem Englisch."[15]

Eric Kohn von IndieWire bemerkt, vom ersten Kapitel an unterstreiche von Trier mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Glenn Gould am Klavier Jacks Romantisierung seiner Methode, der später im Film "Mr. Sophistication" genannt wird. In einem flüchtigen Blick auf Jacks Kindheit sehe man, wie dieser beiläufig ein Entlein verstümmelt, bevor er direkt in die Kamera schaut, und nachdem Jack "die Art von blutiger Raserei eines Hermelins in einem Hühnerstall" diskutiert, beginnt er direkt mit einer Diskussion über William Blakes Kunsttheorie. Es sei ein bizarres Spiel, wie es nur von Trier spielen würde/spielt, so Kohn weiter, es widerspiegele aber auch die Logik eines Mannes, der so verliebt in seine (eigene?) Verdorbenheit ist. (From the first chapter, von Trier cuts to black-and-white footage of Glenn Gould at the piano, underscoring Jack’s romanticization of his method (we later learn that he’s been dubbed “Mr. Sophistication”). In a fleeting glimpse of Jack’s childhood, we see him casually maim a duckling before gazing directly into the camera, and after Jack discusses “the kind of bloody frenzy an ermine experiences in a hen house,” he launches right into a discussion about William Blake’s theory of art. It’s a bizarre gamble as only von Trier would play it, but the ideas resonate in their own twisted way, reflecting the logic of a man so enamored of his depravity that he has conjured profound arguments in its defense.)[16]

Michael Sennhauser vom SRF fügt hinzu, manchmal bekomme man das Gefühl, Lars von Trier lege es mit diesem Film darauf an, möglichst viel Hass von möglichst vielen Seiten auf sich zu ziehen. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass der Film wie ein Abschiedsbrief wirke, so Sennhauser, und/denn all die wilden Theorien von der Freiheit der Kunst und ihrem Zwang, zu zerstören, passten zu den manischen wie den depressiven Phasen des Filmemachers Lars von Trier: „Er analysiert und provoziert, er baut Filme als Versuchsanordnungen – wie Jack, der seine Morde zunehmend inszeniert und als Experimente durchführt." Mit zwei Stunden und fünfunddreissig Minuten ist dieser Film ein Brocken, mit seinen gezielten Provokationen ein wie immer gewagtes Spiel. Allerdings hat man tatsächlich das Gefühl, Lars von Trier wolle gar nicht mehr spielen. Hier geht es existentiell ums Ganze, um sein Selbstverständnis, um das er möglicherweise viel mehr ringt, als all seine Kritiker. Denen macht er es ein ums andere Mal noch etwas leichter.“[17]

Blake Williams vom Filmmaker Magazine sagt, von Trier verstehe sehr gut, dass es von seinem Werdegang keine Umkehr/Abkehr gibt, und dass die produktivste Herangehensweise an den Humanismus darin besteht, die Welt in ihrer schlimmsten Form darzustellen. Dies bedeute, dass wir uns selbst, unsere moralische Stellung / moral standing am besten verstehen können, wenn wir die Welt aus dem schlechtesten und unmoralischsten Blickwinkel betrachten, so Williams: "Durch die unerbittlich unmenschliche Verderbtheit, die durch jede Faser dieser Höllenlandschaft brodelt, weiß ich nur, dass das, was ich sah und fühlte, von einer unbeschreiblichen Schönheit erfüllt war. Wenn das in mir etwas freisetzte/freigesetzt hat, das ich am liebsten / besser verborgen gelassen hätte / hätte, so sei es / dann sei es so." / Von Trier understands perfectly well that there is no turning back from his trajectory, and, likewise, that the most productive approach to humanism is to represent the world at its worst—suggesting that we can best understand ourselves, our moral standing, by experiencing the sensations generated by seeing the world at its most misbehaved and immoral. Through the unrelentingly inhumane depravity that seethes through every fiber of this hellscape, all I know is that what I saw and felt was filled with an indescribable beauty. If that unveils something in myself that I’d have best left undisclosed, so be it. As to what exactly that is, I’m a bit too scared to look.[18]

Figurenanalyse Bearbeiten

 
Matt Dillon bei der Premiere des Films im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes im Mai 2018

Jack sei ein Komponist der Dekomposition, so Pascal Blum, den die Pracht des Zerfalls fasziniere, und auf diesem Weg habe der Thriller sehr gut zu einem Cannes-Programm gepasst, in dem sich die Gesellschaft in Auflösung befindet: „Es waren überall Kriegszustände zu besichtigen, in denen die Zivilisation zu tribalistischen Wahnvorstellungen und dumpfer Barbarei zerfällt.“[19]

"Einen Film über einen bösen Mann" nennt der Regisseur sein Werk, und ja, das trifft zu; auch setzt sich "The House That Jack Built" mühelos an die Spitze der Grauslichkeiten aus dem Werk des Dänen. xxx Matthias Greuling von der Wiener Zeitung xxx: "60 Tote hat Jack schon auf dem Gewissen, jetzt erzählt er einem lange nicht ins Bild kommenden Gegenüber (Bruno Ganz) davon - eine Beichtsituation, die von Trier schon in "Nymphomaniac" etabliert hat, wie er überhaupt aus seinem gesamten Oeuvre schamlos sich selbst zitiert, mit Einstellungen, die man schon so oder ähnlich gesehen hat. Es ist wie die Summe aller Filme, die Lars von Trier je gemacht hat, es ist wie die Summe aller Abgründe, in die er und sein Publikum je geblickt haben."[20]

Verge ist Virgil, der Führer, der Jack am Ende in die Hölle bringt.[21] Michael Sennhauser vom SRF erklärt, es werde klar, dass «Verge» nicht für «on the verge» steht, für «auf der Kippe», sondern schlicht und einfach für Vergil. Der Dichter Vergil ist Dantes Führer auf dem Weg ins Inferno in der «Göttlichen Komödie».[22]

  1. https://www.hollywoodreporter.com/news/cannes-festival-snub-lars-von-trier-house-jack-built-1102021
  2. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  3. https://www.srf.ch/kultur/film-serien/71-filmfestival-cannes-der-provokateur-lars-von-trier-geht-in-cannes-aufs-ganze
  4. https://www.srf.ch/kultur/film-serien/71-filmfestival-cannes-der-provokateur-lars-von-trier-geht-in-cannes-aufs-ganze
  5. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  6. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  7. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  8. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  9. http://www.vulture.com/2018/05/lars-von-triers-the-house-that-jack-built-review.html
  10. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/film/965245_Das-Provozieren-nicht-verlernt.html WienerZeitungGreuling
  11. https://www.stern.de/kultur/film/kinotrailer/-the-house-that-jack-built---dieser-film-sorgt-in-cannes-fuer-zuschauerflucht-7986176.html
  12. https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kino/die-duestere-welt-der-psychopathen-und-rassisten/story/24577529
  13. https://www.tagesspiegel.de/kultur/cannes-tagebuch-7-lars-von-trier-kehrt-mit-brutalem-film-nach-cannes-zurueck/22527342.html
  14. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/film/965245_Das-Provozieren-nicht-verlernt.html
  15. https://www.zeit.de/kultur/film/2018-05/the-house-that-jack-built-lars-von-trier-cannes
  16. http://www.indiewire.com/2018/05/the-house-that-jack-built-review-lars-von-trier-1201964207/
  17. https://www.srf.ch/kultur/film-serien/71-filmfestival-cannes-der-provokateur-lars-von-trier-geht-in-cannes-aufs-ganze
  18. https://filmmakermagazine.com/105344-cannes-dispatch-5-blackkklansman-the-house-that-jack-built/#.WvynD6qFPIU
  19. https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kino/die-duestere-welt-der-psychopathen-und-rassisten/story/24577529
  20. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/film/965245_Das-Provozieren-nicht-verlernt.html
  21. https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kino/die-duestere-welt-der-psychopathen-und-rassisten/story/24577529
  22. https://www.srf.ch/kultur/film-serien/71-filmfestival-cannes-der-provokateur-lars-von-trier-geht-in-cannes-aufs-ganze