Stadt der Reichsparteitage ist ein nationalsozialistischer Propagandabegriff für die Stadt Nürnberg, der sich auf die 1927 und 1929 in der Weimarer Republik und ab 1933 von der NSDAP abgehaltetenen Reichsparteitage bezog. Wurde die Standortwahl zunächst mit Pragmatismus gerechtfertigt, wurde sie ab 1933 mit der Anknüpfung an die Tradition der Nürnberger Reichstage des mittelalterlich-kaiserlichen Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation begründet.

Hintergrund Bearbeiten

Im Bürgertum grassierte seit dem Ende des Ersten Weltkriegs vor allem die Angst vor dem bolschewistischen Umsturz. Selbst bei der Theatergemeinde München war häufig vom Krieg und vom Kampf „gegen alle antideutschen, antichristlichen, alte, ererbte Kulturwerte verseuchende Bestrebungen“ die Rede. Viele der Künstler und Schriftsteller, die das Leben der Schwabinger Bohème in der Vorkriegszeit geprägt hatten, verließen München, oft in Richtung Berlin, wo es liberaler und freizügiger zuging.[1] Der Wahlmünchner Thomas Mann hatte erkannt, wie sehr sich sein Wohnort gegenüber der Vorkriegszeit zu einer rechten Hochburg entwickelt hatte. In einer Rede, die er im November 1926 auf einer Veranstaltung der DDP hielt, sagte er:[2]

Wir haben uns des renitenten Pessimismus geschämt, der von München aus der politischen Einsicht Berlins, der politischen Sehnsucht einer ganzen Welt entgegengesetzt wurde; wir haben mit Kummer sein gesundes und heiteres Blut vergiftet gesehen durch antisemitischen Nationalismus und Gott weiß welch finstere Torheiten. Wir mußten es erleben, daß München in Deutschland und darüber hinaus als Hort der Reaktion, als Sitz aller Verstocktheit und Widerspenstigkeit gegen den Willen der Zeit verschrien war, mußten hören, daß man es eine dumme, die eigentlich dumme Stadt nannte.

Im Frühjahr 1934 bezeichnete Adolf Hitler in einer Rede München als „die Hauptstadt der Kunst und unserer Bewegung“,[3] ein Begriff, der die bayerische Landeshauptstadt als NS-Ehrentitel während der NS-Herrschaft seit 1935 prägte.

Hitler lebte seit 1919 in München, wo die NSDAP gegründet wurde. Mit seinem Stoßtrupp Adolf Hitler, als Keimzelle der SS, unternahm er hier seinen als Hitlerputsch bekannt gewordenen, gescheiterten Umsturzversuch. Im darauf folgenden Münchner Strafprozess wurde er nur zu äußerst milder Festungshaft in Landsberg verurteilt, wo er sein 1925 erschienenes Buch Mein Kampf verfassen konnte.

Im Jahr 1933 begann mit der Errichtung des KZ Dachau bei München der systematisch organisierte nationalsozialistische Terror. An dem von Hitler auch „königlicher Platz“ genannten Königsplatz entstand 1934 in Nachbarschaft zur NSDAP-Parteizentrale Braunes Haus ein repräsentatives NSDAP-Parteiviertel mit u. a. Verwaltungsbauten nebst Ehrentempeln für die Blutzeugen der Bewegung. Zum Münchener „Ehrentitel“ passte das am 18. Juli 1937 mit der Großen Deutschen Kunstausstellung eröffnete Haus der Kunst. Parallel dazu fand die zum abschreckenden Beispiel stilisierte Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ in den Hofgartenarkaden statt. Nürnberg war auch eine der fünf sogenannten Führerstädte (München, Hamburg, Nürnberg, Linz und Berlin), für die Hitler gigantomanische Umbaupläne anfertigen ließ. Auch weitere Städte im NS-Machtbereich bekamen nationalsozialistische Ehrentitel.

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Bearbeiten

Das Braune Haus wurde im Krieg zerstört und seine Reste abgerissen. Seit dem 30. April 2015, 70 Jahre nach der Befreiung Münchens und mehr als 90 Jahre nach der Gründung der NSDAP in der Hauptstadt der Bewegung, besteht an seiner Stelle das NS-Dokumentationszentrum.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

  1. Wolfgang Görl: Freikarten und völkisches Gedankengut auf süddeutsche.de vom 3. Januar 2019
  2. Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914-1945. 3. Auflage 2016, C.H.Beck, München 2011, S. 329 f. ISBN 978 3 406 59236 2.
  3. In Zeitungen vom 2. August 1935 wurde dann gemeldet, Hitler habe der Stadt diesen Titel verliehen. Die Chronik Bayerns. 3. Auflage. Chronik Verlag, 1994, S. 488.