In der ersten Etage der Hamburger Allee 45 befanden sich die ersten Räume der Frankfurter Frauenschule.

Die Frankfurter Frauenschule war ein von Protagonistinnen der autonomen Frauenbewegung initiiertes, für die 1980er Jahre zeittypisches Frauen-Bildungsprojekt. Die Frankfurter Frauenschule bestand von 1982/3 bis 2013.[1][2][3]

Geschichte

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Ab 1979 engagierten sich Barbara Rendtorff und Dörthe Jung für den Aufbau einer autonomen Bildungseinrichtung für Frauen. Sie hatten zuvor das Frauenzentrum Bockenheim mitgegründet: Der Verein Sozialwissenschaftliche Forschung und Bildung für Frauen e.V. (SFBF), 1979 zur Fortführung der Frauenzentrums-Arbeit eingerichtet, übernahm nach der Schließung des Frauenzentrums die Trägerschaft für die Frankfurter Frauenschule.

Das Leitungsteam brachte unterschiedliche Qualifikationen und Arbeitsschwerpunkte in die Programmgestaltung der Frauenschule ein: Die Psychologin Barbara Köster war Mitglied des Frankfurter Weiberrats und kam zunächst ehrenamtlich, dann hauptberuflich mit gesundheitspolitischen Themen zur Frauenschule.[4][3] Die Soziologin, Erziehungswissenschaftlerin und spätere Professorin Barbara Rendtorff gestaltete bis Anfang der 1990er Jahre hauptberuflich die Bildungsarbeit der Frauenschule. Die Programm-Macherinnen arbeiteten interdisziplinär, auch in der Diskussion feministischer Theorien, zusammen.

Ähnliche Angebote von autonomen Frauenprojekten entstanden in Köln, Hamburg und West-Berlin.[5]

Feministische Bildungsarbeit

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Programm

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Das Projektleitungsteam definierte die Frankfurter Frauenschule als einen feministischen Ort „der Kommunikation (Cafe, Kneipe), der Bildung (Kurse für Kopf und Körper, Buchhandlung und Bibliothek, Filmangebote etc.), der Beratung (Schwangerschaftskonfliktberatung wie juristische, psychologische), der Reproduktion und Erholung (Kinderbetreuung, kulturelle Angebote)“.[6]

Das Programmangebot umfasste Kurse, Gesprächskreise und Workshops zu konkreten Lebenssituationen von Frauen. Angesprochen waren Mütter, Hausfrauen und Alleinerziehende, Berufstätige, Arbeitslose und Existenzgründerinnen. Die Nutzerinnen dieser Angebote kamen aus unterschiedlichen Alters- und Bildungsschichten. In den drei Jahrzehnten ihres Bestehens erweiterte die Frauenschule ihr Bildungs- und Veranstaltungsprogramm kontinuierlich. Die Frauenschule veranstaltete Tagungen zu aktuellen politischen Themen wie Umwelt- und Stadtentwicklung, sexualisierte Gewalt und Missbrauch oder Frauen in der rechten Szene. Dazu kamen staatlich anerkannte Angebote für Bildungsurlaub und langfristige Fortbildungen zur beruflichen Qualifizierung, wie etwa Schulungen in den neuen Medien. Informationsforen entstanden zu verschiedenen Therapieformen und rund um das Themenfeld Renten- und Altersvorsorge für Frauen. Für die in Semesterlaufzeiten angebotenen Kurse und Gesprächsgruppen wurden externe Kursleiterinnen auf Honorarbasis beschäftigt.

Die Frauenschule richtete ab 1999 zusätzlich Bildungs- und Informationsprogramme für Mädchen ein: In der „Mädchenschule“ wurden u. a. Workshops zur beruflichen Orientierung rund um die Bereiche Medien, Mode und Museum angeboten.[7]

Neben eigenen Angeboten im Bereich Kunst und Kultur, wie beispielsweise Literaturlesungen aus der Schreibwerkstatt, kooperierte die Frankfurter Frauenschule mit anderen Expertinnen und Institutionen: u. a. zeigte Karola Gramann, Frankfurter Filmkuratorin und ab 2006 künstlerische Leiterin der Kinothek Asta Nielsen, mehrere Filmreihen unter dem Titel „How do I look? – I don't see it“ mit wechselndem Programm in der Frankfurter Frauenschule (1994 bis 1997). 1997 stellte sie an verschiedenen Filmabenden Beispiele von den lesbisch-schwulen Filmtagen HamburgLesben im Film“ vor.

Von 1989 bis 1999 leitete die Künstlerin Charly Steiger den Ausstellungsraum „Sequenz“ in der Frankfurter Frauenschule. Das Ausstellungsprogramm stellte in thematischen Reihen aktuelle Positionen von Künstlerinnen vor. In Einzelausstellungen vertreten waren u. a. Alba D'Urbano, Laura Padgett, Joanna Jones und Heide Weidele.[8]

Feministische Theoriebildung

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Ein Schwerpunkt in der Arbeit der Frankfurter Frauenschule war die gemeinsame Lektüre theoretischer Schriften zu Konzepten von Weiblichkeit und Geschlechterverhältnissen, die sich vor allem an wissenschaftlich interessierte Frauen aus der Frauenbewegung und akademische Foren richtete. 1990 veröffentlichte das Projektteam eine vom Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit geförderte Studie zur Arbeit der Frauenschule.[6] Ihre aus den theoretischen Diskussionen hervorgegangenen Vorträge, auch die der internationalen Referentinnen, darunter Rosi Braidotti, Judith Butler, Luce Irigaray oder Luisa Muraro, Geneviève Fraisse, Christa Rohde-Dachser und Marianne Schuller, wurden größtenteils in der Publikationsreihe Materialienband - Facetten feministischer Theoriebildung aus dem Zeitraum 1987 bis 2002 veröffentlicht. Die Reihe umfasst 25 Bände.

Die Frankfurter Frauenschule habe den Anspruch vertreten „zur Kontinuität und Weiterentwicklung der feministischen Theorie betragen zu wollen“, doch im Laufe der 1990er Jahren sei die Auseinandersetzung mit den »Vätern« der Psychoanalyse, Freud und Lacan, und den poststrukturalistischen Theoretikern in den Vordergrund gerückt. [9]

Finanzierung und Räume

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Neben in Eigenleistung erbrachten Einkünften (u. a. ehrenamtliche Arbeit, Kursgebühren, Vermietungen) finanzierte die Frankfurter Frauenschule Betriebs- und Personalkosten durch Zuschüsse des Landes Hessen und des Frauendezernats der Stadt Frankfurt in wechselnder Höhe.[10] Die Anmietung und Einrichtung einer Loftetage mit Café, Büro und Kursräumen, Kinderraum und Veranstaltungssaal wurde ermöglicht durch eine Frankfurter Mäzenin. 1983 beteiligte sich das Team der Frankfurter Frauenschule an der Durchsetzung des Hessischen Aktionsprogramms für Frauen. 1984/85 verabschiedet von der ersten Rot-grünen Koalition im Hessischen Landtag. Aus diesem Förderprogramm für außerinstitutionelle Frauenbildungsarbeit erhielten 11 autonome Frauenbildungsprojekte Zuwendungen, u. a. auch die Frankfurter Frauenschule.[4]

Zunächst hatte die Frauenschule keine eigenen Büroräume und kein Budget. Die Kurse und Veranstaltungen fanden in tageweise angemieteten Räumen im Bürgertreff Westend statt. 1985 zog die Frauenschule mit Unterstützung einer Mäzenin in eine Loftetage in der Hamburger Allee 45 um. Der Gebäudekomplex war von unterschiedlichen Projekten belegt. Die Adresse galt als Landmarke der Frankfurter Bewegungskultur.[11][12] 1991 folgte der Umzug an den Standort Hohenstaufenstraße 8, der bis zur Schließung 2013 der Sitz der Frankfurter Frauenschule blieb.[11]

Literatur

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  • Barbara Rendtorff: Über die Frankfurter Frauenschule. In: Die Philosophin: Forum für feministische Theorie und Philosophie. 2/1990.
  • Barbara Rendtorff: Aus der Geschichte feministischer Theorie und Praxis – Die Arbeit der Frankfurter Frauenschule. Ein Beitrag zum historischen Gedächtnis. In: Feministische Studien. 1/2018.
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Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Dörthe Jung: Wie die Frauenbewegung Frankfurt bewegte. Aufbruch und Rebellion: Die neue Frauenbewegung in Frankfurt 1968–1990. Vortrag im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main. (PDF) In: Vortragsreihe „STADTplus. Die Stadt und der Feminismus“ sowie der Ausstellung „Frau Architekt“. 4. Oktober 2017, abgerufen am 9. Dezember 2019.
  2. Ulla Wischermann: Vom Weiberrat zur Frauenprofessur. Neue Frauenbewegung der 1968er Aufbruch. In: Forschung Frankfurt. Nr. 01, 2018.
  3. a b Friederike Tinnappel: Kämpfen, so gut und so lange es noch geht. In: Frankfurter Rundschau. 25. Oktober 2003.
  4. a b Gisela Ludat: Die Frauenschule. In: EMMA. 9/1985, S. 34–37. Wiederabdruck in: Frauenpolitik konkret. Teil 1: Das Hessische Aktionsprogramm für Frauen. Die Grünen im Hessischen Landtag, Wiesbaden 1985, S. 60–63.
  5. Wolfgang Grün: Frauenschule. Weibermacht, Weiberlist, Ausgabe Nr. 02/1985, online, 4. Januar 1985
  6. a b Barbara Rendtorff, Iris Nikulka, Barbara Köster, Dörthe Jung: Über weibliches Begehren und sexuelle Differenz und Mangel im herrschenden Diskurs. Autonome Frauenbildungsarbeit am Beispiel der Frankfurter Frauenschule. (PDF) In: Materialband 7–Facetten feministischer Theoriebildung. Verein Sozialwissenschaftliche Forschung und Bildung für Frauen, 1990, abgerufen am 11. Dezember 2019.
  7. Für Mädchen und ehrenamtlich Arbeitende. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. Juli 1999.
  8. Dorothee Baer-Bogenschütz: Von der Rolle. In: Frankfurter Rundschau. 22. März 1995.
  9. Catrin Dingler: Der Schnitt. Zur Geschichte der Bildung weiblicher Subjektivität, Campus Verlag, Frankfurt a.M 2019, ISBN 978-3-593-51094-1, S. 349
  10. 20 Jahre Frauenschule. Aus Revolutionärem wurde inzwischen fast Alltag. In: Frankfurter Rundschau. 3. September 2002.
  11. a b Friederike Tinnappel: Ein Generationen-Projekt. In: Frankfurter Rundschau. 6. Dezember 2013.
  12. Anne Lemhöfer: Adorno und die Atomkraft. In: Frankfurter Rundschau. 25. Januar 2010.