Benutzer:Aiham.alahmad9/Abū n-Nasr al-Qūrsāwī

Abū n-Nasr al-Qūrsāwī (arabisch: أبو النصر عبد النصير القورصاوي, tatarisch: Габденнасыр Ибраһим улы Курсави, russisch: Габденнасыр Курсави, lat.: Gabdennasyr Kursavi), war ein tatarisch-muslimischer Theologe, Religionsreformer, Rechtsgelehrter und Pädagoge. Er zeichnete sich durch seine kritische Haltung gegenüber einigen Gelehrten der Stadt Buchara aus. Er war auch bekannt für seine Kontroversen über die Abend- und Freitagsgebete und die Eigenschaften Gottes.[1]

ʿAbd n-Naṣīr Abū n-Naṣr bin Ibrāhīm al-Qūrṣāwī (sein vollständiger Name: DMG, ʿAbd n-Naṣīr Abū an-Naṣr bin Ibrāhīm bin Yārmuḥammad bin Ištirāk al-Qāzānī al-Bulġārī al-Ḥanafī al-Qūrṣāwī)[2] er wurde im Jahr 1776-77 im Dorf Qursa (russ. Verkhniaia Korsa) im heutigen Tatarstan geboren.[3] Sein Vater heißt Ibrāhīm bin Yārmuḥammad (gest. 1790-91). al-Qūrṣāwī hatte drei Brüder: ʿAbd al-Karīm, ʿAbd ar-Rashīd und ʿAbd al-Chāliq (?-1843).[4] Zudem hatte er eine ältere Schwester namens Marḥab (?- gest. 1828).[5]

Er besuchte die Medresse von Muḥammadraḥīm al-Āschṭī (bekannt auch als al-Madschkarawī, gest. 1816-17)[6], im nahegelegenen Dorf Madschkara (Mäčkärä)[7] und erhielt al-Qūrṣāwī Unterricht in Logik, Uṣūl al-Fiqh und Furūʿ al-Fiqh, Hadith sowie Kalām und Debatte (ādāb al-munāẓara).[8] Al-Āschṭī bildete zahlreiche Gelehrte aus, darunter al-Qūrṣāwī und drei der vier Söhne der Schirdānī-Familie, nämlich: ʿAbd al-Sattār, ʿAbd al-Ghaffār und Aḥmad. al-Qūrṣāwī heiratete Fāṭima bint Saʿīd asch-Schirdānī, die Schwester der Schirdānī-Brüder, vor ihrer gemeinsamen Reise nach Buchara; jedoch wurde diese Ehe später geschieden.[9]

Erste Reise nach Buchara

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Im Anschluss daran setzte er seine Ausbildung in Buchara fort, wo er vier Jahre lang unter der Anleitung des Scheichs Chalīfa Muḥammad Niyāzqulī at-Turkmānī (gest. 1821) lernte. Niyāzqulī war eine bedeutende Persönlichkeit innerhalb des Naqschbandīya-muǧaddidīya Sufi-Ordens und zog zahlreiche Schüler aus der Wolga-Ural-Region an.[10] Al-Qūrṣāwī schloss sich vollständig dem Naqschbandīya-muǧaddidīya Sufi-Orden unter Niyāzqulī at-Turkmānī an und wurde selbst ein Naqschbandī-muǧaddidīya-Scheich.[11] In Bezug auf die Frage der Haltung eines Sufis zur Schariʿa und zum Vorbild des Propheten Muḥammad waren al-Qūrṣāwī und at-Turkmānī der Auffassung, dass ein Sufi (Mystiker) sich strikt an die Schariʿa und das Vorbild des Propheten (Sunnat an-nabī) halten sollte.[12] Beide lehnten Geschenke und Belohnungen der Mangiten Fürsten ab. Al-Qūrṣāwī kritisierte besonders die Gelehrten (ʿUlamāʾ) für ihre Ausschreitung und wandte sich von der griechisch beeinflussten Kalām-Wissenschaft ab. Stattdessen betonte er, dass der Glaube ausschließlich auf dem Koran und der Sunna basieren sollte, und widmete sich den Schriften der Exegeten (Mufassirs), Hadith-Gelehrten und Sufis. [13]

„Ein Faqīh, der sich nicht dem Taṣawwuf praktiziert, wird die Rechtswissenschaft nicht in seinem Herzen verinnerlichen und sie nicht meistern können; vielmehr wird er durch die Missachtung seines eigenen Wissens unmoralisch handeln. Andererseits wird ein unwissender Mystiker, der einer anderen Art der Religion Gottes folgt und den unter den Menschen verbreiteten Neuerungen und persönlichen Neigungen nachgibt, zu einem häretischen Neuerer.“

Abū n-Naṣr al-Qūrṣawī.[14]

Die erste Debatte

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Über al-Qūrsāwīs ersten Aufenthalt in Buchara berichtet das persische Traktat „Risālat Iḥāṭat aḏ-ḏāt“, verfasst 1802/03 von ʿAbdarraḥīm al-Bulghārī. Es beschreibt einen „Edler, (Fāḍil)“ aus dem Vilāyat-ī Bulġār, der um 1800/1801 mit einer Händlerkarawane nach Buchara kam und sich dort gegen die vorherrschende Meinung über das Wesen Gottes (ḏāt u-llāh) und die Beschäftigung mit Philosophie aussprach. Daraufhin beschuldigten ihn einige Gelehrten der Häresie (zandaqa) und verfälschten seine Worte. Al-Bulghārī bezeugt, dass die dogmatischen Überzeugungen des Edler der Sunna und der Lehre von Abū Hanīfa und Abū Mansūr al-Māturīdī entsprachen. In seiner Not wandte sich der Edler an den Qādī ʿInāyatallāh, der seine Ansichten bestätigte und in einer Fatwā öffentlich verkündete. Viele Gelehrte der Stadt unterstützten dies durch ihre Siegel. al-Qūrṣāwī kehrte nach Qursa zurück und übernahm die Position eines Imams und Predigers (Chatīb). Mit Unterstützung seines Schwagers gründete er eine Medresse, an der er allein unterrichtete. Schihāb ad-dīn al-Mardschani berichtet, dass al-Qūrṣāwī während dieser Zeit das Werk von al-Ghazālī, „Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn“, lehrte und zu der Überzeugung gelangte, dass die Gelehrten (mutakallimūn) vom orthodoxen Glauben abgewichen seien.[15]

Wieder in Buchara

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Im Jahr 1808/1809 verließ al-Qūrṣāwī erneut seine Heimatstadt Qūrṣā und begab sich nach Buchara. Die genauen Beweggründe für seine Rückkehr sind zwar unklar, doch vermuten sowohl Muḥammad Murād ar-Ramzī als auch Šihābaddīn al-Mardschani, dass seine Reise dem Ziel diente, die Bewohner Bucharas zu leiten (Iršād; Anleitung) und zu ermahnen (naṣīḥa; Ermahnung, Ratschlag).[16] In seinem Werk „al-Iršād lil-ʿibād“ betont al-Qūrṣāwī die Notwendigkeit, mit Personen zu diskutieren, die im Glauben vom rechten Weg abgekommen sind.[17] Ein weiterer möglicher Grund für seine Rückkehr könnte die Eröffnung der Medresse at-Turkmānīs – des Chār-Minār – gewesen sein, die laut Anke von Kügelgen etwa im Dezember 1807 (Shawwāl 1222 d. H.) eröffnet wurde.[18] Nathan Spannaus führte zudem an, dass at-Turkmānī dafür bekannt war, enge Kontakte zu seinen Schülern in Russland zu pflegen, weshalb es plausibel erscheint, dass al-Qūrṣāwī nach Buchara zurückkehrte, um entweder bei seinem alten Mentor zu studieren oder an dessen Seite zu lehren.[19]

Nach seiner Ankunft in Buchara begann al-Qūrṣāwī, die Gelehrten der Stadt zu kritisieren, indem er ihnen vorwarf, von den Lehren der rechtschaffenen Vorfahren (as-Salaf aṣ-ṣāliḥ)[20] abgewichen zu sein und die Treue zu Koran und Sunna aufgegeben zu haben.[21] al-Mardschānī berichtet, dass al-Qūrṣāwī die Überzeugungen der späteren Gelehrten widerlegte und zur Rückkehr zu den ursprünglichen hanafitischen Lehren aufrief. Seine scharfe Kritik und theologischen Debatten führten zu erheblicher Opposition seitens der Gelehrten, die ihn der Häresie (zandaqa) beschuldigten und seine Bestrafung beim Mangit-Emir Ḥaydar b. Maʿṣūm (reg. 1800-1826) forderten. Ein Treffen (madschlis) wurde einberufen, um über sein Schicksal zu entscheiden, wobei Berichte über die genauen Umstände und Ziele dieses Treffens variieren.[22]

Al-Qūrṣāwī verteidigte die Ansicht, dass das eigenständige Rechtsdenken (Idschtihad), allen offenstehen sollte. Er argumentierte, dass jeder islamische Gelehrte das Recht haben sollte, den Koran und die Hadithe individuell zu interpretieren, die Wahrheit zu suchen und entsprechend zu handeln. Er kritisierte damit die klassischen Dogmen, die in Buchara praktiziert und in Kasan blind übernommen wurden.[23]

Er betrieb eine Art selbständige Auslegung (Idschtihād schachṣī) in dogmatischen Fragen, indem er sich direkt auf die heiligen Texte bezog und herkömmliche Positionen der māturīditischen und ašʿaritischen Dogmatik hinterfragte. Er opponierte offen gegen das Prinzip der Nachahmung (Taqlīd) und forderte eine eigene Untersuchung der Quellentexte. Diese Standpunkte brachten al-Qūrṣāwī in Konflikt mit dem buchariotischen Gelehrten, insbesondere mit den Verfechtern der māturīditischen und ašʿaritischen Kalām-Traditionen. Während dieser Befragung beteuerte al-Qūrṣāwī seinen orthodoxen sunnitischen Glauben und rezitierte die Glaubensgrundsätze (ʿAqīda) von an-Nasafī. Er weigerte sich jedoch, Fragen zu Gottes Wesen (ḏāt) und seinen Attributen (ṣifāt) zu beantworten, da diese seiner Meinung nach weder vom Propheten noch von seinen Genossen und ihren Nachfolgern erörtert wurden und nur Spekulationen darstellen. Er beharrte darauf, dass Gott über allen kontingenten Dinge erhaben sei.[24]

„Wir bestätigen die Grundlage der Attribute, welche die gesicherte Tradition (an-Naql aṣ-ṣaḥiḥ) ohne Interpretation (taʾwīl) festlegt, und die der klare Verstand ohne Leugnung (taʿṭīl ‚Entleerung‘) der Attribute bekräftigt. Alles weitere, was nur durch Wahn und Phantasie Bestätigung findet, lehnen wir ab.“

Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī (gest. 1812)[25]

Das Streitgespräch eskalierte derart, dass Emir Ḥaydar gezwungen war, einzugreifen, um eine Entscheidung hinsichtlich al-Qūrṣāwī zu treffen. Einige später von al-Mardschani zitierte Dokumente belegen, dass al-Qūrṣāwī aufgrund seiner abweichenden Ansichten des Vorwurfs der Apostasie (Irtidād) ausgesetzt war. Letztlich widerrief er seine Ansichten und zeigte vor den versammelten Gelehrten öffentlich Reue. Daraufhin gewährten sie ihm die Freiheit, ordneten jedoch die Verbrennung seiner vorhandenen Bücher an. Zudem wurde ein Ausrufer beauftragt, den Vorfall öffentlich bekannt zu machen und zu verkünden, dass sein Blut vergossen werden würde, falls jemand im Besitz eines seiner Werke sei und dieses nicht umgehend dem Emirat- und Gerichtshof übergebe.[26]

Infolge dieser Ereignisse verließ al-Qūrṣāwī Buchara und begab sich nach Chiwa, wo er laut al-Mardschani herzlich empfangen wurde. Danach reiste er nach Astrachan und setzte seine Reise entlang der Wolga-Region nach Qūrṣā fort. In Buchara verfassten die Gelehrten, namentlich ʿAṭāʾ Allāh al-Bucharī, Qāḍī Mirza Schams ad-Dīn al-Balchī und Muftī Mirza ʿAbd Allāh Aʿlam, ein Schreiben an die bulgarischen Gelehrten, indem sie die theologischen Irrtümer al-Qūrṣāwīs und die Gründe für seine Verurteilung darlegten. Yaḥyā b. Īshmuḥammad berichtet, dass dieser Brief direkt an die Gelehrten in Kazan geschickt wurde.[27]

Nach seiner Rückkehr in die Wolga-Region im Jahr 1808/09 übernahm al-Qūrṣāwī die Leitung seiner Madrasa in Qurṣa wieder. Er verfasste einen umfassenden Kommentar zu den ʿAqaʾid des Nasafi und weitere theologische Werke zu Fragen des Tawḥīd und der göttlichen Attribute. Trotz seines Engagements, wurde Qūrṣāwī weiterhin von Gelehrten aus Buchara unter Druck gesetzt. Ein Schreiben von Qāḍī Tūrsūn Bāqī bin ʿAbdarraḥīm al-Buchārī im Juni 1810 beschuldigte ihn des Glaubensabfalls (Irtidād), und erstmals wurde ihm vorgeworfen, ein Muʿtazilit zu sein. Diese Anschuldigung basierte auf seiner Betonung der Transzendenz Gottes. Solche Vorwürfe führten dazu, dass al-Qūrṣāwī auch in der Wolga-Ural-Region angegriffen wurde. Ein turki-sprachiger Brief von Fatḥallāh al-Ūriwī an den Ufaer Mufti Muḥammadgān bin al-Husayn kritisierte al-Qūrṣāwīs theologische Standpunkte und seinen Anspruch auf Idschtihād scharf. Er beschuldigte al-Qūrṣāwī zudem, die Abhaltung der Freitags- und Festgebete in den Dörfern untersagt zu haben.[28] Aber in seinem zwischen 1808 und 1812 verfassten Rechtswerk al-Irshād lil-ʿibād ("Die Rechtleitung zu dem, was die Gottesdiener brauchen")[29], betonte al-Qūrṣāwī jedoch ausdrücklich die Verpflichtung zur Durchführung dieser Gebete im gemäß mit Koran und Sunna.[30]

Im Jahr 1812 übergab er seine Medresse von Qursa an seinen Schüler Nuʿmān bin Amīr und machte sich mit einer kleinen Gruppe, möglicherweise einschließlich seiner Brüder ʿAbd al-Chāliq und ʿAbd al-Karīm, auf den Weg zum Wahlfahrt (Haddsch). Im Ramadan desselben Jahres soll Abū n-Naṣr al-Qūrsāwī im Alter von etwa 37 Jahren in Istanbul an einer Seuche gestorben sein. Sein Grab befindet sich Berichten zufolge in Üsküdar in der Nähe einer Moschee.[31]

Al-Qūrṣāwī hat eine Reihe bedeutender Werke verfasst, die sich sowohl mit theologischen als auch philosophischen Themen auseinandersetzen. Die Werke von al-Qūrṣāwī, die überwiegend als Manuskripte vorliegen, sind größtenteils in den Sammlungen des Instituts für Orientalische Handschriften in St. Petersburg und der Staatlichen Universität Kasan zu finden. Es ist unklar, wie viele Werke er insgesamt verfasste, jedoch lassen sich seine Schriften in zwei Kategorien unterteilen:

theologische/philosophische

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Zu seinen zentralen theologischen und philosophischen Werken gehört al-lawāʾiḥ fi ʿaqāʾid ahl s-sunna al-ḥaqqa wa-tariqat as-salaf as-sāliḥ ("Die evidenten Dinge und die Glaubensbekenntnisse der Leute der wahren Sünna und des Weges der guten Altvorderen")[32] (auch als Kitāb al-lawaʾiḥ benannt), in dem er die philosophischen Grundlagen seiner theologischen Position zu göttlichen Eigenschaften wie Ewigkeit, Existenz und Transzendenz darlegt. Ein weiteres wichtiges Werk ist sein Kommentar „Šarḥ al-ʿaqāʾid an-Nasafiyya al-qadīm“ ("Der alte Kommentar auf das Glaubensbekenntnis von an-Nasafi")[33], der die Lehren von Nadschm ad-Dīn an-Nasafī (1068–1142) interpretiert und die orthodoxe Auffassung von Saʿd ad-Dīn ad-Taftāzānī (1322–1390) kritisiert.

In das Werk Šarḥ al-ʿaqāʾid aǧ-ǧadīd ("Der neue Kommentar auf das Glaubensbekenntnis von an-Nasafi")[34] vertieft er sich in die hanafitisch-maturidische Tradition, wobei der Schwerpunkt auf der Erkenntnistheorie und den Eigenschaften Gottes liegt. Das Werk Ḥāšiya [ʿalā šarḥ] al-ʿaqāʾid aǧ-ǧadīd ist möglicherweise eine Marginalien-Sammlung, die neben einer Kopie des „aš-Šarḥ aǧ-ǧadīd“ entstand. Mit „Risāla fī iṯbāt aṣ-ṣifāt“ kritisiert al-Qūrṣāwī die vorherrschende Auffassung zu den göttlichen Attributen, verzichtet jedoch auf eine tiefgehende erkenntnistheoretische Analyse. In al-Risāla al-fāʾiqa behandelt er die theologischen Implikationen der göttlichen Transzendenz, während „Mabāḥith al-ism wa-l-ṣifa“ umfassend Erkenntnistheorie und die Ablehnung von Taqlīd diskutiert. Das Werk Kitāb an-Naṣāʾiḥ ("Das Buch der Ratschläge")[35] richtet sich explizit an die Gelehrten und analysiert die biblischen Grundlagen seiner theologischen Position im Vergleich zu früheren Gelehrten wie Aḥmad as-Sirhindī. Schließlich fasst „al-Makātib al-sharīfa al-bāhira wa-l-marāsil al-laṭīfa al-ẓāhira“ seine Argumente zur göttlichen Attribute zusammen und könnte von einem Schüler oder posthumen Unterstützer zusammengestellt worden sein.

rechtliche/schriftliche

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Im rechtlichen Bereich hat al-Qūrṣāwī „Šarḥ Muḫtaṣar al-Manār“ (Der Kommentar zum Kompendium des 'Manār')[36] verfasst, einen Kommentar zu Abū al-Barakāt ʿAbdullāh an-Nasafīs „al-Manar fī uṣūl al-fiqh“. Dieses Werk ist zentral für die Hanafi-Rechtswissenschaft und behandelt die Hadith-Interpretation sowie die Extraktion gesetzlicher Regeln aus den Hadithen.

Das Werk al-Iršād li-l-ʿibād ("Die Rechtleitung zu dem, was die Gottesdiener brauchen")[37], veröffentlicht 1903, richtet sich an ein breites Publikum und fasst die hanafitischen Methoden zur Hadith-Interpretation sowie die Methoden des Idschtihād zusammen.[38] Ein weiteres populäres Werk ist der „Haftiyak tafsīrī“, eine tatarisch-türkische Korankommentar eines Teils des Korans, die 1861 veröffentlicht wurde und den Koran für Nicht-Arabisch-Sprecher verständlich machen soll.[39]

al-Qūrṣāwīs Kritik an at-Taftāzānī betrifft die Aspekte der Vielheit (taʿaddud), Differenzierung und Hinzufügung (ziyāda ʿalā aḏ-ḏhāt) der Attribute. Diese Diskussion thematisiert die Unterscheidbarkeit und bildet einen zentralen Punkt der Kontroverse um al-Qūrṣāwī. Al-Qūrṣāwī lehnt die Idee der Vielheit, Differenzierung und übermäßigen Hinzufügung der Attribute ab, da sie seiner Meinung nach eine zu starke Unterscheidung zwischen dem Wesen und den Attributen implizieren. At-Taftāzānī hingegen akzeptiert diese Unterscheidungen und bekräftigt in seinem Kommentar zu an-Nasafī die Pluralität (kaṯra) und Vielheit (taʿaddud) der Attribute sowie ihre Unterscheidbarkeit (mutaġāyira).[40] Er behauptet zudem, dass die Attribute dem göttlichen Wesen (ḏāt) hinzugefügt (zāʾda ʿalā) werden.[41] Für al-Qūrṣāwī jedoch führt die Akzeptanz dieser drei Aspekte – Vielheit, Differenzierung und Hinzufügung (zāʾida ʿalā), – zu einer übermäßigen Unterscheidung der Attribute vom göttlichen Wesen, was zu einer Andersartigkeit der Attribute (ġayriyya) führt. Dies steht im Widerspruch zum Konzept lā huwa wa-lā ghayruh und resultiert in der Vorstellung mehrerer ewiger Wesenheiten neben Gott, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen den Tawḥīd darstellt.[42]

Vielheit

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Al-Qūrṣāwī lehnt jede Vielheit der göttlichen Attribute strikt ab, da er der Ansicht ist, dass die Annahme vielfältiger Attribute die Einzigartigkeit Gottes verletzt und eine Vielzahl pseudo-göttlicher Wesen impliziert, was dem Monotheismus widerspricht. Er bezeichnet die Vorstellung der Vielheit (taʿaddud) als „Wahn“ (tawahhum) und betont, dass Gott „weder er selbst noch etwas anderes“ ist (lā huwa wa-lā ghayruh).[43] Außerdem argumentiert er, dass die göttlichen Attribute weder als wenige noch als viele beschrieben werden können, da jede Quantifizierung (kamm) Gottes Transzendenz und Einfachheit verletzen würde. Er lehnt insbesondere die Vorstellung einer numerischen Einheit (waḥda ʿadadiyya) ab, da diese Armut und Begrenztheit impliziert.[44] Al-Qūrṣāwī kritisiert die spätere aschʿaritische Theologie, welche die Existenz einer Vielzahl von Attributen befürwortet, und warnt davor, dass jede Form von Quantität oder Pluralität Gottes Wesen teilbar machen würde.[45] Daher sind Gottes Eigenschaften laut al-Qūrṣāwī jenseits der Zahl und nicht getrennt von der göttlichen Essenz (ḏāt), was bedeutet, dass sie keine eigene Existenz haben, die von Gott getrennt wäre. Letztlich geht es al-Qūrṣāwī darum, Gottes Einfachheit und Transzendenz zu wahren, indem jegliche Form von Quantität (kamm oder kammiyya) und Vielheit in Bezug auf göttliche Attribute strikt abgelehnt wird.[46]

Differenzierung

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Al-Qūrṣāwī unterscheidet sich von der gewöhnlichen Ansicht und argumentiert, dass Gottes Attribute weder zählbar noch unterscheidbar sind. Er lehnt eine Differenzierung (mughāyara) ab, weil sie zu einer Vielzahl falscher Attribute führen würde.[47] Die Attribute Gottes sind weder mit Gott identisch noch sind sie etwas anderes als Gott, sondern sie existieren in einer Beziehung (lā huwa wa-lā ghayruh), das heißt, sie sind weder Gott noch etwas anderes als derselbe Gott.[48] Er kritisiert die Differenzierung der Attribute, weil sie die Einheit und Einfachheit Gottes negiert. Er lehnt auch die Kategorisierung der Attribute in subjektive und tatsächliche Attribute ab, da dies eine zeitliche Veränderung des göttlichen Selbst implizieren würde. Er argumentiert, dass die Verneinung der Dualität weder durch Fantasie noch durch Eifersucht die Trennung zwischen dem Selbst Gottes und seinen Attributen ausschließt. Mit anderen Worten: Jede Form der Differenzierung negiert die Einfachheit und Einheit Gottes. Al-Qūrṣāwī lehnt daher at-Taftāzānīs Konzept der Differenzierung und seine Interpretation des Andersseins ab, weil sie die Einheit Gottes gefährden. Abschließend betont er, dass die Attribute Gottes nicht differenziert werden können, ohne seine Einheit und Einfachheit zu verletzen.[49]

Hinzufügung

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Al-Qūrsāwī lehnt die Hinzufügung der Attribute zum göttlichen Wesen ab, da sie die göttliche Einfachheit verletzen (tanzīh) würde. Er argumentiert, dass die Attribute nicht von der göttlichen Essenz getrennt betrachtet werden können, und verbindet die Hinzufügung mit Vermenschlichung Gottes (taschbīh, Verähnlichung). Al-Qūrsāwī sieht dies als eine bidʿa (Neuerung) und einen Verstoß gegen die göttliche Transzendenz und Einfachheit. Er betont, dass jegliche Differenzierung und Vielfalt innerhalb der göttlichen Essenz abzulehnen sind, da sie die Einzigartigkeit Gottes und das Prinzip des Einheit Gottes (tawḥīd) gefährden.[50]

Weitere Kontroverse

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al-Qūrṣāwī und das ʿishāʾ-Gebet

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Die geographische Lage der muslimischen Siedlungsgebiete in der Wolga-Ural-Region bringt es mit sich, dass während der kurzen Sommernächte keine vollständige Dunkelheit eintritt. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Durchführung des Nachtgebets (ʿishāʾ) auf. Einige Überlieferungen des Propheten Muḥammad besagen, dass dieses Gebet mit Ende der Abenddämmerung (aš-šafaq) stattfinden soll,[51] was spätere Gelehrte zu der Schlussfolgerung führte, dass völlige Dunkelheit eine Voraussetzung für das Nachtgebet sei. Dies führte zu einer Debatte darüber, ob das Gebet in diesen Regionen entfällt, da die Dämmerung nie vollständig verschwindet.

Die früheste bekannte Fatwā zur Problematik des Nachtgebets in der Region stammt aus dem 18. Jahrhundert und wurde von Amka Mullā erlassen. Ursprünglich unterstützte er den Wegfall des ʿishāʾ-Gebets in hellen Nächten, revidierte jedoch später seine Ansicht. Im späten 18. Jahrhundert verfasste Išniyāz al-Khwārizmī eine weitere Fatwā, die den Wegfall des Gebets in diesen Nächten unterstützte und sich unter den Muslimen der Region durch setzte.[52] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts widmete sich ʿAbdarraḥīm al-Bulghārī in seiner Schrift Risāla-i shafaqiya der Frage des Nachtgebets und unterstützte die Auffassung von Abū Hanifa, dass die Gebetszeit erst nach dem Verschwinden des weißen Schimmers (al-bayḏāʾ) beginnt. Er betonte, dass Gebete unter unsicheren Voraussetzungen ungültig seien. Er argumentierte, dass Vorsicht (iḥtiyāṭ) in der Gebetsfrage erforderlich sei.

Der Begriff der Zeitspanne (mudda), wie von al-Qūrṣāwī dargelegt, definiert den Zeitraum zwischen dem Abend- und dem Morgengebet, unabhängig davon, ob in diesem Intervall Dunkelheit eintritt oder nicht. Diese Zeitspanne gewährleistet somit die zeitliche Trennung (faṣl) der Gebete und verhindert deren zeitliches Zusammenfallen. Sollte jedoch die Morgendämmerung unmittelbar nach dem Sonnenuntergang einsetzen, sodass zwischen dem Abend- und dem Morgengebet nicht genügend Zeit für das Nachtgebet bleibt, entfällt nicht nur die Zeitangabe als Indikator für die Durchführung des Gebets, sondern auch die generelle Trennung der Gebete (yaṣqutu iʿtibār al-faṣl). Um der Pflicht der fünf täglichen Gebete nachzukommen, ist es daher naheliegend, die betroffenen Gebete unmittelbar hintereinander zu verrichten.[53]

In diesem Zusammenhang zitiert Qūrṣāwī einen ḥadīṯ, gemäß dem der Prophet während seiner Kriegs- und Beutezüge (ġazawāt) einige Gebete zusammenlegte, etwa das Mittags- und das Nachmittagsgebet sowie das Abend- und das Nachtgebet. Laut as-Shāfʿī und Mālik ist dies auch dem gewöhnlichen Muslim erlaubt, wenn er sich auf Reisen befindet. Qūrṣāwī empfiehlt diese Lösung nicht ausdrücklich, doch wird deutlich, dass er darin die angemessenste Antwort auf das Problem sieht. Wann und wie der Muslim das ʿishāʾ-Gebet verrichten soll, bleibt ihm somit letztendlich selbst überlassen; fest steht nur, dass er es täglich beten muss.[54]

In den folgenden Jahrzehnten scheint sich Qūrṣāwīs Position hinsichtlich des ʿishāʾ-Gebets schrittweise durchgesetzt zu haben. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche Schriften zu diesem Thema verfasst; die überwiegende Mehrheit der Autoren bekräftigte die unbedingte Gebetspflicht auch in hellen Nächten. Auch die Muftis von Ufa gaben fatwās zur Erhaltung des Nachtgebets. Die Argumentationen der Befürworter des ʿishāʾ-Gebets ähneln im Allgemeinen denjenigen von Qūrṣāwī, soweit sie überliefert sind. Bemerkenswert ist das Werk eines Rashīd ad-dīn al-Bulghāri (ein Pseudonym des Qūrṣāwī-Schülers Muhammad al-Amīn an-Nalāsawī), der zunächst wie ʿAbdarraḥīm al-Bulghārī umfangreiche Zitate aus hanafitischen Rechtswerken liefert, dann jedoch, ähnlich wie Qūrṣāwī, hauptsächlich Prophetenüberlieferungen anführt und somit gewissermaßen die Methoden beider Widersacher verbindet. Auch er bekräftigt die Pflicht des ʿishāʾ-Gebets unter allen Umständen.[55]

Freitags - und Festgebete-Frage

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Die Wolga-Ural-Region, welche traditionell als Teil des Dār al-Islām betrachtet wurde, trotz der christlichen (russischer) Herrschaft, zeigt signifikante religiöse und rechtliche Auseinandersetzungen bezüglich der Organisation und Gültigkeit islamischer Rituale unter den Bedingungen eines nicht-muslimischen Staates. Die Kontroverse spitzt sich in der Frage zu, ob die Durchführung der Freitags- (ṣalāt aǧ-ǧumʿa) und Festgebete (ṣalāt al-ʿīd) unter den gegebenen Bedingungen noch als gültig angesehen werden kann. Hierbei positioniert sich ʿAbd n-Naṣīr al-Qūrṣāwī mit einer bemerkenswerten Interpretation: Trotz der Abwesenheit eines muslimischen Sultans oder Qādī und der damit nicht erfüllten klassischen Bedingungen für solche Gebete, wie sie das hanafitische Recht vorsieht, verteidigt al-Qūrṣāwī die Durchführung dieser Gebete in der Region. Al-Qūrṣāwī argumentiert, dass die Muslime der Wolga-Ural-Region sehr wohl im Dār al-Islām leben und daher die islamischen Vorschriften nicht nur kennen, sondern auch praktizieren können, entgegen der Meinung einiger Gelehrter, die die Region als Dār al-Harb (Haus des Krieges) einstufen. Er stützt sich auf den Koran und die Sunna, um zu bekräftigen, dass das Freitagsgebet eine verbindliche islamische Pflicht bleibt, selbst unter schwierigen Bedingungen. Er betont, dass die Durchführung dieser Gebete auf den Dörfern notwendig sei, da keine alternativen Orte (miṣr, Pl. amṣār) verfügbar sind, die alle traditionellen Bedingungen erfüllen.[56] Damit schlägt er einen flexibleren Ansatz im Umgang mit den hanafitischen Rechtsauffassungen vor und priorisiert die heiligen Texte und die grundlegenden religiösen Pflichten über die später entwickelten juristischen Feinheiten.[57]

al-Qūrṣāwīs und das Idschtihād

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al-Qūrṣāwīs Sicht auf den Idschtihād betont dessen essenzielle Rolle bei der Auslegung und Anwendung der Scharia in sozialen und politischen Kontexten. Angesichts der Marginalisierung der traditionellen Rechtsgelehrten (ʿUlamāʾ) durch die russische Regierung und der Einschränkungen ihrer juristischen Autorität, argumentiert al-Qūrṣāwī, dass die Pflicht zum Idschtihād von der gesamten muslimischen Gemeinschaft getragen werden muss, um die Scharia weiterhin gültig und relevant zu halten.

Idschtihād, verstanden als methodische und fundierte Auslegung der Schrift, ist für Qūrṣāwī nicht nur eine individuelle Verpflichtung, sondern ein kollektiver Akt, der die moralische und religiöse Integrität der Gemeinschaft sichert. Indem er den Idschtihād als notwendig und verbindlich für alle Muslime erklärt, schafft Qūrṣāwī eine Basis, um die Scharia trotz politischer und sozialer Herausforderungen aufrechtzuerhalten und ihre Prinzipien in die Praxis umzusetzen.[58]

al-Qūrṣāwīs gegen das Taqlīd

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al-Qūrṣāwīs Haltung gegenüber dem Taqlīd, also der Nachahmung oder Befolgung der Rechtsurteile früherer Gelehrter ohne eigenständige juristische Prüfung, ist kritisch und ablehnend. Er sieht den Taqlīd als hinderlich für die juristische und intellektuelle Entwicklung der muslimischen Gemeinschaft an. Al-Qūrṣāwī argumentiert, dass der blinde Taqlīd zur Stagnation des islamischen Rechts und zur Passivität unter den Gläubigen führt. Seiner Ansicht nach sollten Muslime vielmehr zu einem eigenständigen Idschtihād, also zur unabhängigen Rechtsfindung, ermutigt werden.[59]

Er betont, dass der Idschtihād nicht nur möglich, sondern in bestimmten Kontexten sogar verpflichtend ist. Er sieht im Idschtihād ein Mittel, um die islamische Jurisprudenz dynamisch und anpassungsfähig zu halten. Dies steht im Gegensatz zu der starren Befolgung der etablierten Meinungen, die im Taqlīd praktiziert wird.

al-Qūrṣāwī lehnt jedoch die völlige Abschaffung der traditionellen Rechtsschulen ab und respektiert die Notwendigkeit, innerhalb des Rahmens der Uṣūl al-Fiqh zu arbeiten. Er kritisiert insbesondere die Gelehrten, die den Taqlīd fördern, und fordert eine Rückkehr zu einer diskursiven Praxis des Idschtihād und betrachtet er den Idschtihād als eine notwendige Voraussetzung, um die islamische Scharia authentisch und zeitgemäß anwenden zu können. Er plädiert für eine Wiederbelebung des Idschtihād innerhalb der traditionellen islamischen Jurisprudenz.[60]

al-Qūrṣāwī hinterließ zahlreiche Schüler, aber keine eigene Lehrschule. Nach seinem Tod 1812 zerstreuten sich seine Anhänger. Die Moschee und Medresse in Qursa wurden von Scheich Dawlatshāh bin ʿAdil-Schāh übernommen, der al-Qūrṣāwī verteidigt hatte, jedoch nicht seinen Kurs fortsetzte. Nuʿmān bin Amīr at-Tamnī, einer der engsten Gefolgsleute, setzte al-Qūrṣāwīs Tafsīr in Thaman (in Ufa-Provinz) fort.[61] ʿAbd al-Chāliq al-Qūrṣāwī (gest. 1843), der ältere Bruder von al-Qūrṣāwī, studierte ebenfalls bei Niyāzqull at-Turkmānī in Buchara. Nach dem Tod von Abū n-Naṣr reiste er von Istanbul nach Kairo, wo er eine Zeitlang verweilte, bevor er die Pilgerfahrt (Haddsch) unternahm. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Imam und Lehrer (Mudarris) in Qursa. ʿAbd al-Chāliq war ein anerkannter Hadith-Gelehrter (muḥaddith), der die Prophetentraditionen in der klassischen Tradition durch Einzelüberlieferungen von Scheichs mit einer Idschāza und vollständiger Isnād-Kette weitergab. Nach seinem Tod erhielt er eine ähnliche mystische Verehrung wie sein Bruder, und sein Grab in Qursa entwickelte sich zu einem viel besuchten Wallfahrtsort für Pilger. Ein weiterer Schüler, Muhammad al-Amin bin Sayfuallāh, verteidigte al-Qūrṣāwīs Standpunkte und wurde später Imam und Mudarris in Nalasa (in Tatarstan). Unter Pseudonymen verfasste er Traktate und wanderte 1826/27 nach Ägypten aus.[62]

Weitere Anhänger traten nicht in der Gelehrten Debatte hervor, und al-Qūrṣāwīs Lehre geriet in den Hintergrund. Seine Arbeiten wurden jedoch weiter abgeschrieben und einige Gelehrte unterrichteten sie. Elemente seiner Lehre, besonders zur ʿīshāʾ-Gebet-Frage, setzten sich durch. Bis 1850 gibt es keine Schriften, die seine religionswissenschaftlichen Argumente erneut aufgreifen.[63] Al-Qūrṣāwīs Einfluss hielt auch lange nach seinem Tod an, und seine Ideen und die Kontroversen, die sie auslösten, prägten die Diskussionen unter den Muslimen des Russischen Reiches bis ins 20. Jahrhundert.[64]

al-Qūrṣāwī und Dschadidismus

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Die Bindungen zwischen al-Qūrṣāwī und das Dschadidismus (auch Jadidismus) manifestieren sich vor allem in der Inspiration und dem Vorbildcharakter, den al-Qūrṣāwīs Leben und seine Auseinandersetzungen mit den konservativen bucharischen Gelehrten für die Dschadidismus hatten. al-Qūrṣāwī und die Dschadidisten betonten die Bedeutung des Idschtihād, also der individuellen Interpretation religiöser Fragen, und kritisierten das Taqlīd, die unkritische Nachahmung früherer Gelehrter. Während al-Qūrṣāwīs reformistische Ansichten in der vormodernen islamischen Gelehrtentradition verwurzelt waren, interpretierten die Dschadidisten seine Ideen in einem modernen Kontext und verknüpften sie mit dem muslimischen Modernismus. Dies führte zu einer Neuausrichtung und manchmal auch zu einer Fehlinterpretation seiner ursprünglichen Positionen. Insgesamt dienten al-Qūrṣāwīs Ansichten und Konflikte als historische Legitimation und Inspiration für die reformistischen Bestrebungen der Dschadidisten.[65]

Literatur

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Arabische Quellen

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  • Abū n-Naṣr ʿAbd n-Naṣīr al-Qūrṣāwī: al-Iršād lil-ʿibād. Kazan: lito-tipografiia I. N. Kharitonova, 1903. Digitalisat
  • Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī: Šarḥ al-ʿaqāʾid aǧ-ǧadīda. Dār al-Kutub, o.D. Digitalisat
  • Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd Lil-ʿaqāʾid, ʿAbd al-Ǧalīq Ibn Šarīf (Hrsg.), 1237 n. H./1821 n. Chr. Digitalisat (Das Werk ist eine Buchvorlage, misuadā, die von ʿAbd al-Khaliq bin Sharif zu al-Qursawis Werk 'Šarḥ al-ʿAqāʾid al-Ǧadīda' eingereicht wurde.)[66]
  • Abū n-Naṣr ʿAbd n-Naṣīr al-Qūrṣāwī: Šarḥ Muḫtaṣar al-Manār. o.O, o.J. Digitalisat
  • ʿAlī ibn Baḫīt az-Zahrānī: al-Inḥirāfāt al-ʿAqadīyah wa-al-ʿilmīyah fī l-Qarnayn aṯ-ṯālith ʿashar wa-ar-Rābiʿ ʿashar al-Hidschrīyayn wa-Āṯāruhā fī Ḥayāt al-Umma. Muḥammad Quṭb (Hrsg.), Mekka: Dār ar-Risālah lil-Našr wa-t-Tawzīʿ, 1996. Digitalisat
  • Muḥammad Murād ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār wa-talqīḥ al-āṯār fī waqāʾiʿ Qāzān wa-Bulġār wa-mulūk t-Tatār. 1908. Hrsg.: Ibrāhīm Shams ad-dīn, 1. Aufl., Bd. 2, Dār al-Kutub al-ʻIlmīyah, Bayrūt, 2002. Digitalisat
  • Saʿd ad-Dīn at-Taftazānī: Šarḥ Al-ʿAqāʾid an-Nasafīya. Aḥmad Ḥidschāzī as-Saqā (Hrsg.), 1. Aufl., maktabat al-kuliyāt al-azharīya, Bd. 1, 1987. Digitalisat
  • Shihāb ad-dīn al-Marǧānī: Tanbīh abnaʾ al-ʿaṣr ʿlā tanzīh anbaʾ Abi n-Naṣr. Kazan: 1880. Digitalisat (Der Buchtitel wurde nach Michael Kemper übersetzt als „Ermahnung an die Zeitgenossen, Die Nachrichten über Abū n-Naṣr [al-Qūrṣāwī] Rein zu Halten“)[67]

Sekundärliteratur

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  • Anke von Kügelgen: "Die Entfaltung der Naqsbandlya mugaddidiya im mittleren Transoxanien vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts: Ein Stück Detektivarbeit". Muslim Culture in Russia and Central Asia from the 18th to the Early 20th Centuries: Inter-Regional and Inter-Ethnic Relations, edited by Anke von Kügelgen and Michael Kemper, Berlin, Boston: Klaus Schwarz Verlag, 2021, pp. 101-152. Digitalisat
  • Gabdennasyr Kursavi. Theologian Thinker, Religious Reformer and Enlightener. In: Tatar Scientists. Abgerufen 15. Juni 2024.
  • İsmail Türkoǧlu und İbrahim Maraş: „Kursavî: İdil-Ural Türkleri arasındaki dinî ıslah hareketinin öncülerinden “. In: TDV İslâm Ansiklopedisi. Ankara: TDV İslâm Araştırmaları Merkezi, 2002.
  • ʿilm. Wissen im Islām und wie man danach strebt - Teil 1“. Islamweb, 7. Juli 2010. Abgerufen 15. Juni 2024.
  • Michael, Kemper: Sihābaddīn al-Marǧānī Über Abū n-Naṣr al-Qūrsāwīs: Konflikt Mit Den Gelehrten Bucharas, in: Anke Von Kügelgen/Asirbek Muminov (Hrsg.), Muslim Culture in Russia and Central Asia: Arabic, Persian and Turkic Manuscripts (15th-19th Centuries), Berlin, Boston: Klaus Schwarz Verlag, 2021, S. 353–384. Digitalisat
  • Michael Kemper: Sufis und Gelehrte in Tatarien und Baschkirien, 1789–1889: Der islamische Diskurs unter russischer Herrschaft. Berlin: K. Schwarz 1998. Digitalisat
  • Shamil Shikhaliev, Michael Kemper: "Sayfallāh-Qāḍī Bashlarov: Sufi Networks between the North Caucasus and the Volga-Urals". In: The Piety of Learning. Leiden, Niederlande: Brill, 2017, pp. 168-198.
  • Shihāb ad-dīn al-Marǧānī: Mustafād al-aḫbār fi aḥwāl Kazan wa Bulġār. Zweiter Teil. Fotolithografie an der Kaiserlichen Universität. Kasan, 1900, S. 337. Digitalisat
  • Sunniten: Die sunnitischen Glaubenslehren nach den Bekenntnisschriften“. In: Wikipedia. Abgerufen am 19. Mai 2024.
  • Nathan Spannaus: Islamic Thought and Revivalism in the Russian Empire: An Intellectual Biography of Abū Naṣr Qūrṣāwī (1776-1812). Montreal, Institute of Islamic Studies, McGill University, 2012. Digitalisat
  • Nathan Spannaus: Preserving Islamic Tradition: Abu Nasr Qursawi and the Beginnings of Modern Reformism. New York, 2019; online edn, Oxford Academic, 22 Aug. 2019. Digitalisat
  • Ulku Yaz: „Akdes Nimet KURAT: Kazan Türkleri arasında uyanış ve kursavî“. Ulkuyaz, 24. Dezember 2020. Abgerufen am 15 Juni 2024

Einzelnachweise

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  1. Gabdennasyr Kursavi. In: Tatar Scientists. Abgerufen 15. Juni 2024.
  2. Vgl. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 42.; vgl. Spannaus: Preserving Islamic Tradition. 2019, S. 29.
  3. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 225; s. a.: Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 41.
  4. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 366-67.
  5. al-Marǧānī: Mustafād al-akhbār. 1900, S. 337.
  6. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 347.
  7. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 343.
  8. Spannaus: Preserving Islamic Tradition. 2019, S. 48-49.
  9. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 43.
  10. Shikhaliev, Shamil und M. Kemper: Sayfallāh-Qāḍī Bashlarov: Sufi Networks between the North Caucasus and the Volga-Urals. 2017, S. 168.
  11. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 343.
  12. al-Qūrṣāwī: al-Iršād lil-ʿIbād. 1903, S. 51.
  13. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 48-50.
  14. al-Qūrṣāwī: al-Iršād lil-ʿIbād. 1903, S. 53.
  15. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998. S. 226-27.
  16. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 343-44.
  17. al-Qūrṣāwī: al-Iršād lil-ʿibād, S. 27.
  18. Von Kügelgen: Die Entfaltung der Naqšbandīya muǧaddidīya. 1998, S. 135-136.
  19. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 60.
  20. Siehe: Salafismus: „Die Salaf aṣ-Ṣāliḥ“. In: Wikipedia. 2024. Abgerufen am 22. 07. 2024
  21. az-Zahrānī: al-Inḥirāfāt al-ʿAqadīyah. 1996, S. 232.
  22. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 61; Siehe auch: al-Marǧānī: Tanbīh abnaʾ al-ʿaṣr. 1880, S. 2.
  23. Bennigsen und Quelquejay: Les mouvements nationaux chez les musulmans de Russie. 1960, S. 37-38.; Siehe auch: Türkoǧlu und Maraş. Kursavi. 2002.
  24. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 227-28.
  25. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S.230.
  26. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 227-28.; Siehe a.: az-Zahrānī: al-Inḥirāfāt al-ʿAqadīyah. 1996, S. 232.
  27. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 65-66.
  28. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 234-37.
  29. Vgl. Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwīs. 2000, S. 370.
  30. al-Qūrṣāwī: al-Irshād lil-ʿibād. 1903. S. 58.
  31. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 343-345.
  32. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  33. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  34. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  35. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  36. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  37. Der Werktitel wurde von Michael Kemper ins Deutsche übersetzt. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 370.
  38. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 30-37.; s. a.: al-Marǧānī: Tanbīh abnāʾ al-ʿaṣr. 1880, S.12-13.
  39. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 30-37.; s. a. Kemper, 2021, S. 370.; s. a.: Türköglu, Maraš. Kursavî. 2002.
  40. at-Taftāzānī: Šarḥ al-ʿAqāʾid an-Nasafīya. 1978, S. 38.
  41. at-Taftāzānī: Šarḥ al-ʿAqāʾid an-Nasafīya. 1978, S. 37.
  42. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 59.; s. a. al-Qūrṣāwī: Šarḥ al-ʿaqaʾid aǧ-ǧadīd. S. 15 (20b).
  43. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd lil-ʿaqāʾid. Dar u-l-Kutub. S. 11 (15b).
  44. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd lil-ʿaqāʾid Dar u-l-Kutub. S. 12-13 (17a).
  45. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd lil-ʿaqāʾid. Dar u-l-Kutub. S. 15 (20b).
  46. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 168-169.
  47. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd lil-ʿaqāʾid. Dār u-l-Kutub. S. 15 (20a-20b).
  48. al-Qūrṣāwī: Šarḥ il-ʿaqāʾid aǧ-ǧadīda. S. 26.
  49. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 170-176.
  50. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd lil-ʿaqāʾid. S. 10 (14a), S. 11-12 (14b), (15a, 15b).
  51. al-Qūrṣāwī: al-Iršād lil-ʿIbād. 1903, S. 57.
  52. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 340.
  53. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 284.
  54. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 284-285.
  55. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 285-286.
  56. al-Qūrṣāwī: al-Irshād lil-ʿibād. S. 60-63.
  57. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 294-299.
  58. al-Qūrṣāwī: al-Irshād lil-ʿibād. S. 24-30.; Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 136-151.
  59. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 136.
  60. al-Qūrṣāwī: al-Irshād lil-ʿibād. S. 30-35;Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, S. 139-140.
  61. ar-Ramzī: Talfīq al-akhbār. 1908, S. 374.
  62. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 313.
  63. Kemper: Sufis und Gelehrte. 1998, S. 308-309.
  64. Spannaus: Preserving Islamic Tradition. 2019, S. 2.
  65. Spannaus: Islamic Thought and Revivalism. 2012, 223-227.
  66. al-Qūrṣāwī: Šarḥ ǧadīd Lil-ʿaqāʾid. 1821, S. 44.
  67. Siehe: Kemper: Šihābaddīn al-Margānī über Abū n-Naṣr al-Qūrṣāwī. 2000, S. 358.