Die Beni bzw. Banū Dānis, auch als Banū Abī Dānis oder Banū Adānis überliefert, waren ein Clan vom berberischen Stamm der ʿAwsāǧa (auch ʿAwsaŷa, ʿAwsaja, Aussaja).[1][2] Die ʿAwsāǧa wiederum zählten zur Stammeskonföderation der Masmuda[1][2][3][4] (anderen Angaben zufolge zu den Malzūza[1][5]). Sie waren zu Beginn des 8. Jahrhunderts im Zuge der arabisch-islamischen Expansion mit einer ersten berberischen Einwanderungswelle von Nordafrika auf die Iberische Halbinsel gekommen und spielten bis zur zweiten berberischen Einwanderungswelle Ende des 10. Jahrhunderts eine führende Rolle im Westen von al-Andalus, dem heutigen Süd- und Zentralportugal.

Von der Festung Kasr Abī Dānis beherrschten die Banū Dānis den Hafen der später Alcácer do Sal genannten Salzhandelsstadt
Autonomer Machtbereich der Banū Dānis (gelb) im Westen des Emirats bzw. Kalifats von Córdoba (bis 929)

Masmuda-Berber waren unter anderem zwischen den Flüssen Tejo und Douro[6] bzw. im gesamten Gebiet zwischen Beja und Coimbra angesiedelt worden.[2][7] Die Banū Dānis siedelten an den Ufern des (Rio) Sado[8] (bei Alcácer do Sal); in Coimbra wiederum stellten sie neben Mozarabern die größte Bevölkerungsgruppe.[9] Auch in Lissabon gab es Banū Dānis[1][10] bzw. Masmuda[2][4][11] – ebenso in Porto (Oporto).[1][6][10] Macht und Einfluss der Banū Dānis nahmen zu, als nach den Wikingerüberfällen Mitte des 9. Jahrhunderts die al-Andalus beherrschenden Umayyaden-Emire von Córdoba die Hafenstädte an der Atlantikküste zu wichtigen Festungen ausbauten, die Banū Dānis wurden Gouverneure von Alcácer und Coimbra[3][4][6][12][13]. Während der Ende des 9. Jahrhunderts ausbrechenden Rebellionen blieben die Banū Dānis den Umayyaden gegenüber zunächst loyal.[1] Die Mozaraber von Coimbra allerdings verbündeten sich mit den Muladí-Rebellen Saʿdūn as-Surunbāqī und Ibn Marwan; nach verlustreichen Kämpfen wurden die von Adānis Ibn ʿAwsāǧa geführten Banū Dānis 876 aus Coimbra vertrieben.[1][3][14][15] Die Stadt fiel daraufhin an Alfons III. von Asturien.

Die vertriebenen Banū Dānis zogen sich 877 erst nach Lissabon, dann nach Alcácer do Sal (al-Kasr Abī Dānis, d. h. „Burg der Banū Abī Dānis“) zurück.[13][15] Gegen die Usurpation des Thrones durch Emir Abdallah von Córdoba revoltierten 888 dann aber auch sie[1][10][12] (ebenso wie die Banū Khalīʿ, ein anderer Clan der ʿAwsāǧa, der sich im Süden Andalusiens erhob und der Rebellion des Ibn Hafsūn anschloss[16]). Von Alcácer do Sal konnten die Banū Dānis unter Adānis’ Sohn Masʿūd Ibn Abī Dānis (Masʿūd Ibn Adānis) ihre Macht ausbauen und auch wieder über Lissabon ausdehnen.[1][11][14][17] Fernab von Córdoba beherrschten sie zwischenzeitlich mindestens die gesamte Estremadura bzw. ungefähr das Gebiet der heutigen Distrikte Lissabon und Setúbal.[13] Eine Ausweitung ihres Machtbereichs bis nach Évora wurde 914 zwar durch die Nachkommen Ibn Marwans und Surunbāqīs verhindert[18], doch bald darauf versöhnten sich Masʿūd Ibn Abī Dānis und Masʿūd ibn Saʿdūn as-Surunbāqī.[1]

Nach der Niederwerfung der Rebellionen wurden die Banū Dānis durch den Kalifen Abd ar-Rahman III. von Córdoba in ihren Machtstellungen bestätigt: Masʿūds Bruder Yaḥyā Ibn Abī Dānis (Yaḥyā Ibn Adānis) wurde 930 Gouverneur von Alcácer und sein Neffe ʿAbd Allāh Ibn ʿUmar Ibn Abī Dānis wurde Gouverneur von Palmela bzw. Setúbal.[1][13][14] Abd ar-Rahman III. holte jedoch zunehmend weitere Berber-Söldner ins Land, und mit Hilfe dieser Neuankömmlinge gelangte 978 der Großwesir Almansor an die Macht. Almansor setzte schließlich die Banū-Dānis-Gouverneure ab[14] und machte Alcácer do Sal zu einer Ausgangsbasis für Feldzüge in den Norden, bei denen 987 auch Coimbra zurückerobert wurde. Nach dem Sturz der Nachkommen Almansors und der letzten Umayyaden-Kalifen zerfiel die Zentralgewalt, Coimbra ging 1064 wieder verloren. Mit der Invasion der Almoraviden kam es Ende des 11. Jahrhunderts zu einer dritten berberischen Einwanderungswelle, Coimbra wurde 1117 letztmals kurzzeitig zurückgewonnen. Die Almoraviden wurden 1147 durch die Invasion der Almohaden und eine vierte berberische Einwanderungswelle abgelöst, gleichzeitig ging Lissabon an die Christen verloren. Die Almohaden, die wie einst die Banū Dānis ebenfalls Masmuda waren, verloren 1158 bzw. 1217 schließlich auch Alcácer.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i j k Helena de Felipe: Identidad y onomástica de los Beréberes de Al-Andalus, Seiten 89ff, 322–325 und 389f. Editorial CSIC, Madrid 1997
  2. a b c d J. Bosch-Vilà: Andalus - Les Berbères en Andalus. In: Encyclopédie berbère, Band 5 (Anacutas – Anti-Atlas), Seiten 641-647. Edisud, Aix en-Provence 1988
  3. a b c Iván Pérez Marinas: Tierra de nadie - Sociedad y poblamiento (siglos VIII-XI) entre el Duero y el sistema central, Seiten 159 und 174. Universidad Autonoma de Madrid, Madrid 2016
  4. a b c Abdulwahid Dhanum Taha: The Muslim conquest and settlement of North Africa and Spain, Seite 173. Routledge, New York 2016
  5. Peter C. Scales: The Fall of the Caliphate of Córdoba - Berbers and Andalusis in Conflict, Seiten 145 und 148. Brill, Leiden 1993
  6. a b c Paulo Manuel Quintas de Almeida Fernandes: Matéria das Astúrias - Ritmos e realizações da expansão asturiano-leonesa no actual centro de Portugal séculos VIII-X, Seite 189. Universidade de Coimbra 2016
  7. Mary Vincent und Robert Stradling: Bildatlas der Weltkulturen - Spanien und Portugal - Kunst, Geschichte, Lebensformen, Seiten 21 und 42. Weltbild-Verlag, Augsburg 1997
  8. Christophe Picard, Nicholas Elliott: Sea of the Caliphs - The Mediterranean in the Medieval Islamic World, Seite 121. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2018
  9. Hugh N. Kennedy: The Byzantine and Early Islamic Near East, Seite 55. Ashgate, Hampshire 2006
  10. a b c II Congreso Internacional: La Ciudad en al-Andalus y el Magreb, Seite 425. Fundación El legado andalusì, Sevilla 2002
  11. a b Fundación José Luis Pardo: Hesperia Nº 17 Portugal II Culturas del Mediterráneo - Especial Portugal II, Seiten 69 und 72. Ibersaf Editores, Córdoba 2012
  12. a b Encyclopaedia of Islam online: Ḳaṣr Abī Dānis
  13. a b c d António Rafael Carvalho: Atlas do Sudoeste Português - Alcácer do Sal e o Alentejo Litoral durante o Período Islâmico (séculos VIII-XIII)
  14. a b c d The Islamic Alcácer do Sal and the Medieval and Christian Alcácer
  15. a b Christophe Picard: Le renouveau urbain en occident ibérique aux IXe - Xe siècles, sous l'impulsion de seigneurs muwalladûn, Seite 57. In: Actes des congrès de la Société des historiens médiévistes de l'enseignement supérieur public, Seite 57. Brest 1992
  16. Manuela Marin: The Formation of al-Andalus, Teil 1 (History and Society), Seite 371. Routledge, New York 2016
  17. Câmara Municipal de Alcácer do Sal: Alcácer islâmica (Memento des Originals vom 12. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cm-alcacerdosal.pt
  18. Encyclopaedia of Islam, Band XI, Seite 226 (Yabura). Brill, Leiden 2001