Babenhausener Altar

Flügelaltar in der Stadtkirche von Babenhausen

Der Babenhausener Altar ist ein spätmittelalterlicher geschnitzter Flügelaltar in der heute evangelischen Stadtkirche St. Nikolaus von Babenhausen (Hessen). Er gehört zu den bedeutenden mittelrheinischen Kunstwerken seiner Zeit und ist das seltene Beispiel eines erhaltenen Reliquienaltars.

Hochaltar

Geschichte Bearbeiten

Der Überlieferung nach ist der Altar eine Stiftung der Markgräfin Sibylle von Baden-Sponheim (1485–1518), der Frau des Grafen Philipp III. von Hanau-Lichtenberg, der als Erbgraf in Babenhausen residierte. Beide sind in der Kirche beerdigt. Nachdem Sibylle bis 1513 ausschließlich Töchter zur Welt gebracht hatte, soll sie für den Fall der Geburt eines Sohnes gelobt haben, einen Altar zu stiften. Der Fall trat dann mit der Geburt des Erben, Philipp IV., 1514 ein. Auch stilistisch wird der Altar in das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eingeordnet.[1] Urkundliche Belege für diesen Stiftungsanlass gibt es nicht. Jedoch deutet auch ein Teil des Bildprogramms darauf hin, dass dies tatsächliche der Anlass war: Die Heilige Felicitas wird für die Geburt von Söhnen angerufen, die Heilige Margaretha für eine komplikationsfreie Geburt.[2]

Der Meister des Babenhausener Altars ist namentlich unbekannt. Matthias Grünewald, Hans Backoffen und Tilman Riemenschneider wurden in Erwägung gezogen. Der Altar enthält stilistische Anlehnungen an diese Künstler, stammt aber nicht aus deren Werkstätten.[3]

Sibylle setzte mit dieser Stiftung zugleich sich selbst und ihrer Familie ein Denkmal. Bernhard II. von Baden, der wegen seines frommen Lebenswandels berühmt war und 1769 seliggesprochen wurde, war ein Bruder ihres Großvaters. Dies ist wohl auch der Grund, warum der Altar erhalten blieb, denn alle anderen Altäre aus der Stadtkirche von Babenhausen wurden während der Reformation entfernt. Dieser Altar aber wurde wohl von Graf Philipp IV., dem Sohn der Sibylla, unter dem die Reformation in Babenhausen durchgeführt wurde, aus Pietät gegenüber seiner Mutter zunächst in der Kirche belassen.[4] Später wurde er dann doch abgebaut und im Turm der Kirche gelagert, wodurch er die nächsten 300 Jahre ohne Schaden überdauerte. Erst 1861 wurde er restauriert und dann zunächst links vor dem Chor, ab 1907 an der Südseite des rechten Seitenschiffs und ab 1940 wieder an seinem alten und jetzigen Platz aufgestellt.

Beschreibung Bearbeiten

Der Altar ist aus Lindenholz geschnitzt und besteht aus zwei Teilen, einer Predella und einem Retabel, insgesamt etwa 4 Meter hoch. Beide sind aus Holz geschnitzt, das zwar einen braunen, aber durchscheinenden Schutzanstrich erhielt, so dass die Maserung des Holzes weiter erkennbar blieb. Ansonsten wurde Farbe nur an ganz wenigen Stellen eingesetzt, etwa um Augen oder Mund der Figuren und Wappen hervorzuheben.

Das Retabel ist als Triptychon gestaltet und weist Darstellungen in zwei Zeilen auf. Die obere Zeile nimmt etwa 80 % der Höhe des Retabels ein, die untere ist also sehr viel kleiner. In der oberen Zeile nehmen den Mittelteil drei vollplastische Figuren ein, in der Mitte ein Papst, rechts und links je eine Figur im Ornat eines Bischofs. Diese Figuren des Mittelteils sind teilweise ausgehöhlt – zur Aufnahme von Reliquien. Die beiden Flügel zeigen in der oberen Zeile auf der Innenseite links zwei männliche und rechts zwei weibliche Figuren. Die untere Zeile nehmen im Mittelteil vier Armreliquiare ein, die von zwei Büsten weiblicher Heiliger flankiert werden. Die Flügel zeigen in dieser unteren Zeile je zwei männliche und zwei weibliche Heilige.

Die Predella nimmt die Breite des Mittelteils des Triptychons ein. Hier ist in der Mitte – vollplastisch – eine Anbetung der Könige dargestellt, die von zwei Flachreliefs flankiert wird: links eine Verkündigungsszene, rechts eine Anna Selbdritt.

Die Deutung der dargestellten Personen ist teilweise umstritten, weil nur einige eindeutige Attribute führen. Nach der jüngsten Auswertung aller Fakten[5] sind (von links nach rechts) dargestellt:

  • untere Zeile:
    • Heiliger Sebastian – als Attribut: zwei Pfeile; runder Reliquienbehälter im Brustbereich.[9]
    • Protomärtyrer Heiliger Stephanus – als Attribut liegen ihm einige Steine in der Armbeuge; runder Reliquienbehälter im Brustbereich.[10]
    • Heilige Felicitas – durch Inschrift identifiziert.[11] Die Büste stammt aus einer anderen Werkstatt und wurde hier eingesetzt.
    • Vier Armreliquiare unbekannter Heiliger.
    • Unbekannte Heilige – in der Literatur allgemein der Heiligen Lucia zugewiesen. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte oder Belege. Die Büste stammt aus einer anderen Werkstatt und wurde hier eingesetzt.[12]
    • Anna Selbtritt (Anna, Maria, Jesus); runder Reliquienbehälter im Brustbereich.
    • Heilige Margareta von Antiochia mit dem Drachen als Attribut; runder Reliquienbehälter im Brustbereich.

Literatur Bearbeiten

  • Magnus Backes, Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler – Hessen, München 1982, S. 36, ISBN 978-3-422-00380-4.
  • Wilhelm Franck: Der Altarschrein und einige Altertümer in der Kirche zu Babenhausen. In: Archiv für Hessische Geschichte 9, Heft 1 (1859), S. 15–29.
  • Christine Hartung: Das spätgotische Retabel. In: Evangelische Stadtkirche Babenhausen. Die Sanierung 2001-2006 = Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen 24. Wiesbaden 2014, S. 137–157. ISBN 978-3-8062-2957-8
  • Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Hrsg.): Alte Kunst am Mittelrhein = Ausstellungskatalog. Darmstadt 1927, S. 50.
  • Fritz Hoeber: Der Babenhäuser Schnitzaltar. In: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Morgenblatt 187 v. 8. Juli 1907, S. 1, Sp. 2.
  • Karin Lötzsch: Ein badisch Markgraf zwischen Heiligen – der selige Bernhard auf dem Altarschrein in Babenhausen. In: Babenhäuser Mosaik = Babenhausen einst und jetzt 20. Babenhausen 1990. S. 35–47.
  • Rudolf Schnellbach: Ein Beitrag zum Meister des Babenhäuser Altares. In: Oberrheinische Kunst 4 (1929/1930), S. 40–44.
  • Oskar Schürer: Bemerkungen zum Babenhausener Altar. In: Aschaffenburger Jahrbuch für Geschichte, Landeskunde und Kunst des Untermaingebietes 1 (1952), S. 124–139.
  • Bodo von der Au: Der Meister des Babenhausener Altars. In: Aschaffenburger Jahrbuch 3 (1956), S. 227–233.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hartung, S. 154.
  2. Hartung, S. 145.
  3. Hartung, S. 153.
  4. Hartung, S. 153.
  5. Hartung.
  6. Hartung, S. 145.
  7. Hartung, S. 142f, 145.
  8. Hartung, S. 142f.
  9. Hartung, S. 144.
  10. Hartung, S. 144.
  11. Hartung, S. 143.
  12. Hartung, S. 143f.