Arne Munch-Petersen

dänischer kommunistischer Politiker

Arne Munch-Petersen (* 30. September 1904 in Frederiksberg im Großraum Kopenhagen auf der Insel Seeland; † 12. November 1940 in Moskau) war ein dänischer kommunistischer Politiker, der infolge von Stalins Säuberungen gestorben ist. Er wurde 1925 Mitglied der Kommunistischen Partei Dänemarks (DKP) und war deren Abgeordneter im Folketing von 1932 bis 1935. Seit 1935 war Munch-Petersen mit der Krankenschwester Elna Hiort-Lorenzen verheiratet.[1]

Arne Munch-Petersen (1936)

Leben und politisches Wirken

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Munchs Eltern waren der Jura-Professor Hans Vilhelm Munch-Petersen und dessen aus Österreich stammende Ehefrau Lina Johanna, geborene Mandl. Arne ging auf die Metropolitanskole (Metropolitanschule) in Kopenhagen und gehörte zum selben Jahrgang wie zwei andere spätere Kommunisten: Mogens Fog und Otto Melchior.[2] An der Universität Kopenhagen studierte er Germanistik und Geschichte mit dem Ziel, Gymnasiallehrer zu werden und schloss das Studium 1928 mit dem Magisterexamen ab. Er fand eine Stelle, trat sie aber nie an, weil er im selben Sommer zum Delegierten für den 6. Weltkongress der Komintern in Moskau gewählt wurde. Als er aus Moskau zurückkam, wurde er Parteisekretär in der DKP.

Bereits im April 1924 trat er zusammen mit Mogens Fog und Otto Melchior als einer der ersten Intellektuellen in die Jugendorganisation der DKP, Danmarks Kommunistiske Ungdom (DKU) (Kommunistische Jugend Dänemarks), ein, was er später in einer Kurzbiografie begründete: „Während meiner ersten Studienjahre entwickelte ich mich, wie andere auch, durch das Studium der russischen und deutschen Revolutionsgeschichte von meinen pazifistischen, halb bürgerlich-radikalen, halb sozialdemokratischen Standpunkten weiter zum Kommunismus.“[3][4]

Nach kurzer Zeit wurde er Vorstandsmitglied in der DKU von Kopenhagen und gründete, nach sowjetischem Vorbild, die Kinderorganisation Unge Pionerer (Junge Pioniere) und wurde deren erster Vorsitzender. Diesen Posten hatte er, bis er 1925 einen Vorstandsposten in der DKU übernahm. Damit trat er automatisch in die Führung der DKP ein. 1927 beschloss die DKP, auf seinen Vorschlag hin, von Trotzki und seiner politischen Linie Abstand zu nehmen. Dies war eine klare Zustimmung für die Politik Stalins, die die Partei bis 1956 beibehielt.

1929 wurde Munch-Petersen nach Moskau zu einem Jahreskursus an der Lenin-Schule für Leitende Kader der Komintern entsandt. In dieser Zeit wurde er durch Ossip Pjatnizkij, Mitglied des sowjetischen Zentralkomitees, in die illegalen Kurierdienste der Komintern involviert. Pjatnizkij war Leiter dieser Kurierdienste. Munch-Petersen bekam die Aufgabe, einen Stützpunkt für Kurierdienste in Kopenhagen aufzubauen, der ein Verbindungsglied zwischen Moskau und den kommunistischen Parteien im Norden, im Baltikum, in Polen und in Deutschland bilden sollte. Der Stützpunkt wurde in einem Bürogebäude gegenüber dem Hauptbahnhof von Kopenhagen eingerichtet.

Zur Folketingswahl 1932 wurde Munch-Petersen im aussichtslos erscheinenden Wahlkreis Sønderjyllands Amt als Kandidat aufgestellt. Allen Erwartungen zum Trotz zogen er und der Parteivorsitzende Aksel Larsen als erste Kommunisten ins Folketing ein. Er hatte dieses Mandat bis zur nächsten Wahl 1935 inne. 1936 wurde er Repräsentant Dänemarks bei der Komintern.

1936 reiste er zusammen mit seiner Frau nach Moskau, um dort an der Lenin-Schule skandinavische Schüler zu unterrichten. Seine letzte Aufgabe in Moskau war, Ende Januar 1937 dem Moskau-Prozess gegen Georgi Pjatakow, Karl Radek, Grigori Sokolnikow beizuwohnen und danach in einer Vortragsrundreise in Dänemark darüber zu berichten. Diese Rundreise begann er auch. Allerdings musste für ihn ein Nachfolger für seine Arbeit bei der Komintern gefunden werden. Dies gestaltete sich als schwierig. Im März 1937 wurde er für mehrere Monate nach Moskau zurückbeordert. Doch schon im Juni war mit Aksel Larsen ein Nachfolger gefunden. In Absprache mit der Komintern sollte Munch-Petersen Ende Juli 1937 nach Kopenhagen zurückkehren und über den Sommer seine Arbeit bei der Komintern abwickeln.[4]

In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1937 wurde Arne Munch-Petersen in seinem Hotel durch Stalins Geheimpolizei NKWD verhaftet. Die Anklage warf ihm die Mitgliedschaft in einer antisowjetischen, trotzkistischen Spionage- und Terrororganisation vor. Hintergrund der Anklage war, dass der Leiter von Kominterns Kurierdiensten, Ossip Pjatnizkij, nach einem Streit mit Stalin angeklagt und wegen trotzkistischer Spionage zum Tode verurteilt worden war. In der Folge verhaftete der NKWD kurzerhand alle Mitarbeiter des Kurierdienstes. So kam auch Munch-Petersen in Isolationshaft und blieb mehr als drei Jahre im berüchtigten Butyrka-Gefängnis. Dort war er bei den Verhören mehrfach physischer und psychischer Folter ausgesetzt. Zwischen den Verhören schrieb er Briefe an Stalin, Jeschow, Beria, Dimitri Tokarjew[5] und andere, um seine Angelegenheit zu erklären, aber das half ihm nicht. Er starb 1940 an Unterernährung und chronischer Tuberkulose.[4][6]

Arne Munch-Petersens Schicksal war der dänischen Öffentlichkeit so lange unbekannt, bis der Historiker und Korrespondent von „Land og Folk“,[7] Kurt Jacobsen, in den sowjetischen Archiven 1989 Informationen über Munch-Petersen fand. So kam nicht nur die Wahrheit über seinen Tod erst spät ans Licht, sondern auch, dass Aksel Larsen, der damalige Vorsitzende der DKP, über Munch-Petersens Tod im Butyrka-Gefängnis informiert gewesen sein musste. Er hatte jedoch mit seinen russischen Genossen die Vertuschung über das, was Munch-Petersen tatsächlich zugestoßen war, geteilt. Diese Täuschung hatte er gegenüber Munch-Petersens Frau zum Ausdruck gebracht und hatte damit die Lüge über das Schicksal seines Parteikameraden aus Solidarität mit seinen sowjetischen Genossen über die Solidarität mit seinem dänischen Genossen gestellt. Das Ergebnis war, dass alle Versuche Elna Hiort-Lorenzens vergebens waren, ihren Mann wiederzufinden. In der Hoffnung, ihn lebend wiederzusehen, stellte sie sich sogar gegen offizielle Versuche, das Schicksal des dänischen Abgeordneten zu klären, weil sie befürchtete, dass das ihren Mann bei der ihm eventuell übertragenen Aufgabe, an die sie glaubte, gefährden könnte.

Die Recherchen über Arne Munch-Petersens Verbleib brachten zudem verschiedene Behauptungen und Vermutungen zutage. So haben die sowjetischen Behörden behauptet, er sei 1938 zu einem Einsatz nach Spanien geschickt worden, es wurde sogar behauptet, er sei dorthin gereist, um im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Als Vermutung wurde ebenso kolportiert, er sei als dänischsprachiger Dolmetscher bei Verhören von dänischen Fischern eingesetzt worden, die nach der Erweiterung des Seeterritoriums der Sowjetunion Ende der 1940er Jahre von sowjetischen Behörden abgefangen und festgesetzt worden waren und der Spionage verdächtigt wurden. Als Munch-Petersens Mutter 1949 starb und der Nachlass geregelt werden sollte, damit seine Brüder erben konnten, war seine Todeserklärung erforderlich. Elna Hiort-Lorentzen wollte sich darauf nicht einlassen, weil sie immer noch glaubte, ihr Mann sei noch am Leben. Aksel Larsen, der als Zeuge zu diesem Verfahren geladen war und Arne Munch-Petersens Schicksal inzwischen sehr wohl kannte, schwieg dazu.[8]

Arne Munch-Petersen wurde am 16. August 1991 von der Generalstaatsanwaltschaft der UdSSR offiziell rehabilitiert.[4]

Die Kommunistische Partei Dänemarks versucht bis heute, die Todesursache von Arne Munch-Petersen vor der Öffentlichkeit verborgen zu halten.

Literatur

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  • David Rehling: Kammeraten der blev væk (Der Kamerad, der weg blieb).[9]
  • Elna Hiort-Lorenzen. In: Dansk Kvindebiografisk Leksikon (dänisch).
  • Karen Syberg: En historie om et urimeligt håb (Eine Geschichte über eine unvernünftige Hoffnung). Arne Munch-Petersen In: „Information“, 20. November 2004 (dänisch).
  • Ole Sohn: Fra Folketinget til celle 290: Arne Munch-Petersens skæbne (Aus dem Folketing in Zelle 290. Arne Munch-Petersens Schicksal). Lindhardt og Ringhof, Kopenhagen 2017.
  • Munch-Petersen, Arne.
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Commons: Arne Munch-Petersen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

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  1. Ole Sohn: Elna Hiort-Lorenzen. In: Dansk Kvindebiografisk Leksikon (dänisch).
  2. Otto Adolph Melchior (1904–1945) war ein dänischer Widerstandskämpfer gegen die deutschen und dänischen Nationalsozialisten und die deutsche Wehrmacht in Dänemark und Kommunist. Nach Deutschlands Angriff gegen die Sowjetunion wurde Melchior mit anderen führenden Kommunisten von der Gestapo verhaftet. Er wurde nach einer zwischenzeitlichen Internierung im Lager Horserød bei Helsingør ins KZ Stutthof deportiert und starb Ende Januar 1945 während des Todesmarsches von Stutthof nach Lauenburg i. Pom. an Typhus.
  3. Originaltext: ”Gennem mine første studenterår udviklede jeg mig, såvel som andre, gennem studier i den russiske og tyske revolutionshistorie fra mine pacifistiske, halvt borgerligt-radikale, halvt socialdemokratiske standpunkter til kommunismen.”
  4. a b c d Ole Sohn: Arne Munch-Petersen. In: Leksikon for det 21. århundrede (dänisch).
  5. Tokarjew war NKWD-Kommandant des Sonderlagers Ostaschkow im ehemaligen Nilow-Kloster auf einer Insel im Seligersee unweit der Kleinstadt Ostaschkow in Nordwestrussland, in dem rund 6.300 Häftlinge, überwiegend polnische Polizeibeamte, zeitgleich zu den Massakern von Katyn und Charkow im April und Mai 1940 durch den NKWD ermordet wurden.
  6. Henning Tjørnehøj: Debat (Kommentar) zu KRONIK: DKP og den 9. april 1940. In: information, 9. April 2010 (dänisch).
  7. „Land og Folk“ war eine Zeitung, die von der Kommunistischen Partei Dänemarks von 1941 bis 1990 herausgegeben wurde, ursprünglich als illegales Blatt während der Besatzung 1940–1945 und nach der Befreiung 1945 als Tageszeitung.
  8. Karen Syberg: Eine Geschichte über eine unvernünftige Hoffnung . In: information, 20. November 2004 (dänisch).
  9. Arne Munch-Petersen In: „Information“, 3. September 2010 (dänisch).