Arid Uka

kosovarischer Attentäter

Arid Uka (* 8. Februar 1990 in Mitrovica) beging am 2. März 2011 als 21-Jähriger einen Mordanschlag am Frankfurter Flughafen.

Dabei tötete der in Frankfurt-Sossenheim lebende Kosovare zwei US-Soldaten und verletzte zwei weitere schwer. Die Tat gilt als erster islamistisch motivierter Anschlag mit Todesopfern in Deutschland.[1][2]

Tatablauf Bearbeiten

Mit dem Ausruf Allahu Akbar („Gott ist am Größten“) eröffnete Uka mit einer Pistole das Feuer auf unbewaffnete Fahrgäste und den Fahrer eines Busses der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, der am Terminal 2 des Frankfurter Flughafens auf seine Fahrgäste wartete. Der Bus sollte in Frankfurt gelandete US-Soldaten, die auf dem britischen Militärflugplatz RAF Lakenheath stationiert waren, zur Ramstein Air Base nach Rheinland-Pfalz bringen. Von dort sollten sie zum Einsatz nach Afghanistan gebracht werden.[3][4]

Uka erschoss zunächst einen Soldaten, der im Begriff war, den Bus zu besteigen, dann den am Lenkrad sitzenden Busfahrer.[5] Nachdem Uka den Bus bestiegen hatte, schoss er gezielt auf die dort sitzenden US-Soldaten. Dabei verletzte er zwei Personen durch Schüsse in den Kopf und den Oberkörper. Zu weiteren Opfern kam es nur deshalb nicht, weil die Schusswaffe des Attentäters eine Ladehemmung hatte. Einem potenziellen fünften Opfer hatte Uka bereits mit der Schusswaffe ins Gesicht gezielt, als die Waffe versagte.

Uka verließ den Bus und versuchte, im Inneren des Flughafenterminals 2 in der Menschenmenge unterzutauchen. Nach einer Verfolgung durch zwei US-Amerikaner wurde er jedoch von Beamten der Bundespolizei ausgemacht, verfolgt und überwältigt.[6][7]

Auslöser Bearbeiten

Arid Uka sagte aus, der Auslöser für seinen Entschluss zum Attentat sei ein Videoclip gewesen, den er auf der Videoplattform Youtube gesehen habe. In diesem Videoclip sei die Vergewaltigung muslimischer Frauen durch US-Soldaten gezeigt worden. Wie sich im Verlauf der Ermittlungen und der Gerichtsverhandlung herausstellte, handelte es sich dabei um einen Ausschnitt aus dem US-amerikanischen Spielfilm Redacted, der teilweise fiktiv, teilweise dokumentarisch das Massaker von Mahmudiyya beschreibt. Im Internet suchte Uka unter seinem Pseudonym „Abu Reyyan“ (deutsch: „Wächter der Himmelspforte“) einschlägig bekannte islamistische Diskussionsforen auf, in denen er eigene Beiträge veröffentlichte. Durch die Foreninhalte und -diskussionen sei er zu der festen Überzeugung gelangt, dass sich seine Glaubensbrüder und -schwestern in einem permanenten globalen Krieg mit den USA befänden.[8][9][10] Für Alexander Eisvogel, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ist Arid Uka damit „ein typischer Fall für eine Selbstradikalisierung durch das Internet“, die unabhängig von klassischer religiöser Sozialisation im Web 2.0 stattfinde.[11] Auf dem Computer und dem iPod des Attentäters fanden sich hunderte von dschihadistischen Dateien, so zum Beispiel Vorträge des radikalen Predigers Anwar al-Awlaki und eine deutsche Übersetzung des Buchs „Die Verteidigung der muslimischen Länder“ des als Mentor von Osama bin Laden geltenden Abdallah Azzam. Auch die von Wikileaks veröffentlichten Videos von US-Soldaten, die aus einem Hubschrauber heraus Zivilisten im Irak erschießen, werden als Gründe benannt, die den Hass von Uka auf US-Amerikaner verstärkt haben sollen.

Kontakte Bearbeiten

Arid Uka soll über das Internet Kontakte zu Sheik Abdellatif von der so genannten Da'wa-Gruppe (Da'wa = arabisch دعوة, DMG daʿwa ‚Ruf, Aufruf (zum Islam)‘) unterhalten haben, der früher in der Bilal-Moschee in Frankfurt-Griesheim und in der Falah-Moschee in Frankfurt-Ginnheim predigte und am 22. Februar 2011 vorübergehend festgenommen worden war. Zumindest die salafistische Bilal-Moschee gilt als Islamistentreff, da mehrere bekannte Islamisten in der Moschee verkehrt haben sollen.[12] Ebenso soll er mit dem Salafisten und ehemaligen Rapper Deso Dogg Kontakt aufgenommen haben.[13]

Verurteilung Bearbeiten

Am 10. Februar 2012 verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Uka zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in drei Fällen. Es stellte zudem eine besondere Schwere der Schuld fest, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren ausschließt. Falls er zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Strafvollzug entlassen wird, wird Arid Uka voraussichtlich in den Kosovo abgeschoben werden, da er keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden ist.[14] Die Anwältin des Angeklagten beschrieb ihren Mandanten als untypischen Gewaltverbrecher, der weder ein religiös motivierter noch islamistischer Terrorist sei. Nach ihren Worten sei Uka ein „eigentlich von Grund auf guter Junge“, unreif und hilflos.[15] Die Bundesanwaltschaft betrachtet Uka als Einzeltäter.[16] Das oberste hessische Gericht, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, sah die Tatbestände als erwiesen an. Die Herkunft der Waffe konnte im Prozess nicht geklärt werden. Das Gericht folgte den Anträgen der Bundesanwaltschaft mit seinem Urteil vom 10. Februar 2012 in vollem Umfang.[17]

Privater Hintergrund Bearbeiten

Arid Uka lebt seit 1991 in Deutschland. Der kosovarische Großvater ist ein Imam. Die Familie des Attentäters sei jedoch säkular geprägt, die Mutter nicht verschleiert.[18][19] Uka hat einen älteren und einen jüngeren Bruder. Er soll als gläubiger Muslim fünfmal täglich gebetet haben, man habe ihn während einer Arbeit bei der Deutschen Post am Frankfurter Flughafen aufgefordert, dies während der Arbeitszeit zu unterlassen. Seiner Mutter soll er im Haushalt geholfen und ihr die Hälfte seines Verdienstes abgegeben haben, um dieses Geld für eine Pilgerreise nach Mekka anzusparen. Als Sechs- oder Siebenjähriger soll Uka sexuell missbraucht worden sein, so der Gerichtsgutachter Norbert Leygraf. Dieser Umstand könnte dem Gutachter zufolge dazu beigetragen haben, dass das fiktionale Vergewaltigungsvideo – der Spielfilmausschnitt – für Uka einen Auslöser seiner Tat darstellte. Im Jahr 2005 wurde er mit seiner Klasse der Frankfurter Eduard-Spranger-Schule (Realschulzweig) in das Bundeskanzleramt eingeladen; Anlass war der Gewinn eines Preises für ein Projekt, bei dem es um die Gewaltprävention in der Gesellschaft ging. Dabei entstand ein Foto, das Uka direkt neben Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigt.[20] Nach dem Realschulabschluss im Jahr 2007 wechselte er an das Friedrich-Dessauer-Gymnasium. Wegen hoher Fehlzeiten musste er die elfte Klasse wiederholen. Nachdem seine Leistungen in der zwölften Klasse trotz mehrerer Beratungsgespräche mit der Rektorin nicht besser geworden waren, verließ Uka die Schule ohne Abitur oder Fachhochschulreife; ein Umstand, den er aber vor seiner Familie geheim hielt. Angehörige, ehemalige Freunde und ein früherer Arbeitgeber, für den Uka im Pflegedienst tätig war, beschrieben ihn als introvertiert, höflich und nicht aggressiv. In den Monaten vor dem Attentat brach er den Kontakt zu seinem Freundeskreis ab und zog sich zugunsten seiner Internetaktivitäten zurück.[21]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. FAZ Online am 10. Februar 2012: Anschlag in Frankfurt: Lebenslange Haft für Flughafenattentäter. Abgerufen am 15. Februar 2012.
  2. Urteil wegen Mordes: Lebenslange Haftstrafe für Frankfurter Flughafen-Attentäter. In: Spiegel Online. 10. Februar 2012, abgerufen am 26. September 2018.
  3. Süddeutsche Zeitung am 10. Februar 2012: Flughafen-Attentäter muss lebenslang hinter Gitter. Abgerufen am 15. Februar 2012.
  4. Hessischer Rundfunk am 10. Februar 2012: Besonders schwere Schuld. Lebenslang für Flughafen-Attentäter. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Februar 2012; abgerufen am 15. Februar 2012.
  5. Die Tageszeitung am 10. Februar 2012: Höchststrafe für US-Soldaten-Mord. Abgerufen am 15. Februar 2012.
  6. Frankfurter Neue Presse am 9. Februar 2012: Wie Arid Uka am Flughafen zum Mörder wurde. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. März 2012; abgerufen am 15. Februar 2012.
  7. Bundesminneninisterium am 16. Januar 2012: Friedrich überreicht das Bundesverdienstkreuz an die US-Amerikaner Conner und Staff Sergeant Brewer. Archiviert vom Original am 26. Februar 2012; abgerufen am 15. Februar 2012.
  8. Lebenslange Haftstrafe für Frankfurter Flughafen-Attentäter. In: Der Spiegel, 10. Februar 2012 auf: spiegel.de
  9. Frankfurter Flughafen-Attentäter erhält lebenslange Haft. In: Der Tagesspiegel, 10. Februar 2012 auf: spiegel.de
  10. Frankfurter Flughafen-Attentäter bekommt lebenslänglich. In: Die Zeit, 10. Februar 2012 auf: zeit.de
  11. Wir haben längst den Online-Dschihad. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Februar 2012 auf: faz.net
  12. Der Frankfurter Pistolenschütze und seine Kontakte. In: heise online, 3. März 2011
  13. Wie gefährlich ist "Deso Dogg"?. In: heise online, 7. September 2014 auf: n-tv.de
  14. Welt online am 10. Februar 2012: Arid Uka droht nach der Haft Abschiebung ins Kosovo. Abgerufen am 17. Februar 2012.
  15. Heide Beretta: Der Amoklauf eines "guten Jungen" (Memento vom 13. Juni 2015 im Webarchiv archive.today). In: Frankfurter Neue Presse, 24. Januar 2012. Abgerufen am 17. Februar 2012
  16. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof am 7. Juli 2011: Anklage wegen des Anschlags auf US-Soldaten am Flughafen Frankfurt am Main. Archiviert vom Original am 14. Juli 2014; abgerufen am 17. Februar 2012. abgerufen am 15. Mai 2023
  17. Stern.de am 10. Februar 2012: Höchststrafe für Attentäter vom Frankfurter Flughafen. Archiviert vom Original am 11. Februar 2012; abgerufen am 17. Februar 2012.
  18. BKA: Keine radikale Familie um Flughafen-Täter. In: Focus, 14. November 2011 auf: focus.de
  19. Flughafen-Attentäter verurteilt: Lebenslänglich für Arid Uka. In: Berliner Zeitung, 10. Februar 2012 (Memento vom 11. Juni 2015 im Internet Archive) auf: berliner-zeitung.de; abgerufen am 15. Mai 2023
  20. Frankfurt Attack Mystifies Suspect’s Family. In: The New York Times, 8. März 2011 auf: nytimes.com
  21. Höchststrafe für US-Soldaten-Mord. In: Die Tageszeitung, 10. Februar 2012 auf: taz.de