Anna McCarthy

deutsche bildende Künstlerin

Anna McCarthy (* 1981 in München-Neuperlach) ist eine deutsche bildende Künstlerin, die in München lebt und arbeitet. McCarthys Projekte gehen meist von einem politischen Gedanken aus und basieren auf historischen Recherchen. Typisch für ihre Arbeit sind ihr journalistischer Gestus, verbunden mit Poesie und Humor. Ihr Schaffen ist breit gefächert und umfasst die performative Installation mit Elementen von Konzert und Musical sowie Malerei, Zeichnung und Film.

Anna McCarthy blickt auf einem Selfie aus dem Jahr 2017 direkt in die Kamera
Anna McCarthy (Selbstporträt, 2017)

Leben und Werk Bearbeiten

 
Installation „Creatures in the Soap“, Liste Art Fair Basel, 2023

McCarthy ist die Tochter einer Sozialpädagogin und eines Flugzeugingenieurs. Die Familie zog 1980 von Blackpool nach Rosenheim. Durch ihre älteren Brüder wurde früh McCarthys Interesse an Kunst, Musik und dem Münchner Nachtleben geweckt. Einer der beiden Brüder ist Nick McCarthy, der als Gitarrist der Band Franz Ferdinand Anfang der 2000er Jahre bekannt wurde. McCarthy interessierte sich in ihrer Jugend für die Literatur William S. Burroughs’ und die Kunst von Uwe Lausen und Francis Bacon, wobei sie sich besonders vom Düsteren und Makaberen angezogen fühlte.[1]

2001 studierte sie an der Kingston University Illustration. Von 2002 bis 2009 studierte McCarthy Bildhauerei an der Münchner Kunstakademie und übte sich in verschiedenen Bereichen wie Videokunst, Installation, Malerei und Musik. 2005 studierte sie zwei Jahre lang an der Glasgow School of Art.[2]

Seit 2007 ist McCarthy Mitglied in der achtköpfigen Band Damenkapelle, sie spielt Bass und singt. Die Band veröffentlichte 2012 ihr Debütalbum beim Münchner Label Echokammer[3] und bewegt sich stilistisch zwischen Pop und Performance.

Von 2012 bis 2014[4] kuratierte sie zusammen mit Federico Sánchez die Lesungsreihe No Country for odd poets im Kunstverein München. Hier wurden eher der Subkultur zugehörige Protagonisten der Performance- und Literaturszene eingeladen, unter ihnen die Filmemacherin Chris Kraus, der Dichter John Giorno und Wolfgang Müller, Ex-Mitglied von Die Tödliche Doris.[5]

In ihrem Projekt How to Start a Revolution, das u. a. aus einem Musical (2013), einem Buch (2016), filmischen Arbeiten und „lächerlich provokanten politischen Aktionen“ (so ein Katalogstext) besteht, beschäftigte sie sich mit Klischees des Rebellentums, eingebettet in zeitgenössische gesellschaftspolitische Ereignisse. Dabei hatte die Arbeit einen Bezug zu München und Bayern und bezog das persönliche Umfeld der Künstlerin mit ein. How to Start a Revolution wurde international ausgestellt., u. a. in Galerien in London, Glasgow und Island.[6]

2015[7] gestaltete McCarthy die Decke der Damentoilette des Valentin-Karlstadt-Musäums mit so großem Einsatz, dass die Wirtin des zum Musäum gehörenden Turmstüberls davon als „Ännas Sixtinische Kapelle“ sprach. Neben der künstlerischen Arbeit kellnerte sie zeitweise im Musäum, für das sie auch die englische Fassung der Audioführung durch die Dauerausstellung einsprach.[8]

Im selben Jahr war McCarthy für drei Monate Stipendiatin der Villa Aurora.[9] Hier entstand u. a. der Kurzfilm Fassbinder in La-La-Land, mit dem sie vom Münchner Fassbindertage e. V. beauftragt worden war. In dem Film stellt McCarthy eine Art weiblichen, in Los Angeles lebenden Rainer Werner Fassbinder dar.[10] Auch 2020 beteiligte sie sich an den Fassbindertagen, diesmal mit dem Kurzfilm Spirit of Fassbinder Conspiracy, in dem Frauen in wehenden Gewändern vor Fassbinders Geburtshaus einen Geist heraufbeschwören.[11]

Im Jahr 2017[12] hatte McCarthy unter dem Titel What are people for? ihre erste Einzelausstellung im Kunstverein Göttingen.[13] Unter demselben Titel und mit Elementen aus dieser Ausstellung entstanden in Zusammenarbeit mit der Musikerin und Komponistin Manuela Rzytki[14] Performances in München,[15] Berlin und Reykjavík.[16]

Im selben Jahr verbrachte McCarthy auf Einladung der Künstlerinitiative Popps Packing einen einmonatigen Atelieraufenthalt in Hamtramck, Michigan. Den Aufenthalt verarbeiteten sie u. a. in der Ausstellung The European Secret Salon in einer kleinen Galerie in Viechtach anhand von Videocollagen, Audionotizen, Malereien, Zeichnungen und Objekten.[17]

Als Gastdozentin der Münchner Akademie der Künste hielt sie 2020 ein Seminar, das die „politische Lebensreformbewegung“ zum Thema hatte.[18] Derzeit unterrichtet sie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.[19]

McCarthy betreut die Performance- und Multimediawerkstatt des städtischen Jugendkulturzentrums „Die Färberei“ in München. Hier entstand 2020 während der COVID-19-Pandemie der Online-Workshop Karantäne Künstlerbuch. Bei diesem niederschwelligen Angebot wird erklärt, wie ein Künstlerbuch angelegt und gebunden wird, nebenbei wird Ray Johnsons Mail Art zitiert. Des Weiteren ist McCarthy im Münchner Kulturzentrum Köşk aktiv und beteiligt sich an Jugendprojekten des Bellevue di Monaco und der Münchner Kammerspiele.[19]

Mit der Band What Are People For?, die neben McCarthy aus Manuela Rzytki, Paulina Nolte und Tom Wu besteht, veröffentlichte die Künstlerin 2022 ein gleichnamiges Album. Die Musik darauf bewegt sich laut SZ-Kritik zwischen Spoken Word, Post-Wave und Electropunk. McCarthy, die für Texte und Gesang zuständig war,[20] nennt britische Punkdichter wie Kae Tempest und die Sleaford Mods als Vorbilder.[21]

Kennzeichnend für McCarthys Schaffen ist ihr multidisziplinärer Ansatz: Ihr Werk besteht aus Malerei und Zeichnung, Installationen, Büchern, Filmen, Musik, Musicals, Paraden und Demonstrationen.[22] Typisch ist das Bearbeiten von Themen über längere Zeit in unterschiedlichen Formaten. Ihre humorvollen und poetischen Werke, in denen sie zu Rebellion und Verweigerung aufruft, haben meist einen politischen Anspruch und basieren oft auf historischen Recherchen.[23] Sie verwendet Elemente der Popkultur und arbeitet gern mit Künstlerkolleginnen und -kollegen zusammen.[24]

McCarthy wird, Stand 2023, von der Galerie Sperling[25] in München vertreten.

Ausstellungen und Performances (Auswahl) Bearbeiten

 
„Washing Line (Compost)“, Bleistiftzeichnung (2022)
  • 2013: NA-EN-DE-NA-EN-DE-NA-WI-DA II, zusammen mit Gabi Blum in der „Schaustelle“ der Pinakothek der Moderne, München[26]
  • 2014: Nein in der Halle der „Platform München“[27]
  • 2014: Performance How To Start a Revolution: The Musical im Maximiliansforum, München[7]
  • 2015: Project Biennial of Contemporary Art, D-0 ARK Underground, Bosnien-Herzegowina[28]
  • 2016: Favoriten III: Neue Kunst aus München, zusammen mit elf anderen Künstlerinnen und Künstlern im Lenbachhaus, München[29]
  • 2017: What are people for? im Kunstverein Göttingen
  • 2017: Die Hölle im Valentin-Karlstadt-Musäum, München
  • 2018: Performance How To Start a Revolution: The Musical im Rahmen der Ausstellung Kunst der Revolte // Revolte der Kunst, veranstaltet vom Offenes Haus der Kulturen e. V., Frankfurt am Main[30]
  • 2019: Bloodless Boutique im Deutschen Fleischermuseum in Böblingen[31]
  • 2020: Adventure Room in der Galerie Sperling, München[32]
  • 2021: Global Angst in der Muffathalle und im Münchner öffentlichen Raum, zusammen mit Chicks on Speed, Der Plan, Bayerischer Flüchtlingsrat u. a.[33]
  • 2022: Washing Cycle in der Galerie Sperling, München
  • 2023: Creatures In The Soap, Liste Art Fair Basel
  • 2024: Volatile, Galeria Diana, Mailand[34]

Videoarbeiten (Auswahl) Bearbeiten

  • 2019 – 2020: Bloodless Boutique, Bloodless Pool und Bloodless Brandhorst. Digitale Video-Reihe in Zusammenarbeit mit Paulina Nolte. Der dritte Teil entstand im Auftrag des Museum Brandhorst.[35]

Bühnenbild Bearbeiten

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

  • How to Start a Revolution – The Musical. Edition Taube, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-945900-07-9
  • What are people for? Herausgegeben von Anja Lückenkemper, Design von Studio Jung. Hammann von Mier Verlag, München / Kunstverein Göttingen, 2017, ISBN 978-3-947250-04-2
  • Gelatine Jaws, Hammann von Mier Verlag, München, 2022, ISBN 978-3-947250-44-8

Auszeichnungen Bearbeiten

Diskografie (Auswahl) Bearbeiten

  • Als Mitwirkende neben Yoko Ono, Ted Gaier, Cobra Killer u. a.: Tribute to Gustav Metzger. Compilation, kuratiert von Justin Hoffmann, belleville Verlag 2008, ISBN 978-3-943157-37-6
  • Als Mitglied der Band Damenkapelle: Damenkapelle. Echokammer, 2012
  • Als Mitglied der Band neben Zoro Babel, Sachiko Hara, Albert Pöschl, Manuela Rzytki, Pico B:, Salewski: Chansons, Echokammer, 2018
  • Als Sängerin und Texterin der Band: What Are People For? Alien Transistor / Morr Music, 2022[42]
  • Sprechgesang beim Stück So Funny auf dem Album Extrem Ernste Musik von Rumpeln, 2023[43]

Werke in Sammlungen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Anna McCarthy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wolfgang Görl: Mach dein Ding! In: Süddeutsche Zeitung. 16. März 2016, abgerufen am 16. August 2020.
  2. Andi Hörmann: Der Rebell als Antiheld. In: Deutschlandfunk Kultur. 20. Juni 2012, abgerufen am 2. August 2020.
  3. Andi Hörmann: Aquarium-Sound aus dem schalldichten Gartenhäuschen. In: Deutschlandradio. 24. Juli 2012, abgerufen am 16. August 2020.
  4. Ergebnisse der Katalogsuche. In: AAP Archive Artist Publications. Abgerufen am 16. August 2020.
  5. Katrin Hildebrand: Endlich Raum für die Bohème. In: Merkur.de. Münchener Zeitungs-Verlag GmbH & Co.KG, 17. Mai 2013, abgerufen am 16. August 2020.
  6. Eva Huttenlauch und Stephanie Weber, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München (Hrsg.): Favoriten III. 2017, ISBN 978-3-88645-189-0.
  7. a b Anna McCarthy. In: Galerie Sperling. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. August 2020 (englisch).@1@2Vorlage:Toter Link/www.sperling-munich.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  8. Ausstellungseröffnung "Die Hölle". In: Valentin-Karlstadt-Musäum. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Februar 2022; abgerufen am 13. August 2020.
  9. AnnaMcCarthy – Bildende Künstlerin. In: Villa Aurora & Thomas Mann House e. V. Abgerufen am 12. August 2020.
  10. Fassbinder in Lalaland. In: annamccarthy.de. Abgerufen am 22. August 2020.
  11. Stefanie Schwetz: Das Jahr der 13 Monde. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 22. August 2020.
  12. Was ist die Kunst der Zukunft, liebe Anna McCarthy? In: Bayerischer Rundfunk. 1. April 2019, abgerufen am 23. Oktober 2023.
  13. Anna McCarthy. In: Kunstverein Göttingen. Abgerufen am 23. Oktober 2023 (deutsch).
  14. Manuela Rzytki | Staatstheater Darmstadt. Abgerufen am 17. August 2020.
  15. Anna McCarthy + Manuela Rzytki – What are People for? In: Netzwerk Freie Szene München e.V. 2018, abgerufen am 17. August 2020.
  16. Shows. In: annamccarthy.de. Abgerufen am 17. August 2020.
  17. The European Secret Salon – Ausstellung von Gabi Blum und Anna McCarthy. In: Akademie der Bildenden Künste München. Abgerufen am 22. August 2020.
  18. Wir schmeissen euch eine Walnuss an den Kopf. In: Die Färberei. Abgerufen am 20. August 2020.
  19. a b Anna McCarthy. In: Münchner Kammerspiele. Abgerufen am 18. April 2024.
  20. Süddeutsche Zeitung: Art-Pop aus München: Das Debütalbum von "What Are People For?" In: Süddeutsche Zeitung. 5. Januar 2023, abgerufen am 3. November 2023.
  21. Stefan Michalzik: „What Are People For?“: Don’t go to party. In: Frankfurter Rundschau. 23. November 2022, abgerufen am 3. November 2023.
  22. Bayerische Kunstförderpreise Bildende Kunst 2016. In: Akademie der Bildenden Künste. Abgerufen am 18. August 2020.
  23. Herausragende Künstler erhalten Bayerische Kunstförderpreise 2016. In: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Abgerufen am 13. August 2020.
  24. Anna Jehle, Anna Voswinckel: Anna McCarthy. In: Janine Mackenroth, Bianca Kennedy (Hrsg.): I Love Women in Art. Pole Positions, 2020, ISBN 978-3-9821741-1-2.
  25. Anna McCarthy. In: Galerie Sperling. Abgerufen am 23. Oktober 2023 (englisch).
  26. Gabi Blum & Anna McCarthy. NA-EN-DE-NA-EN-DE-NA-WI-DA : II – Schaustelle. In: Die Schaustelle der Pinakothek der Moderne. Abgerufen am 20. August 2020.
  27. → Nein – Anna McCarthy. In: Platform München. Träger: Münchner Arbeit gGmbH, abgerufen am 16. August 2020.
  28. 3rd edition. In: Biennial of Contemporary Art. 25. Februar 2015, abgerufen am 20. August 2020 (englisch).
  29. Favoriten III: Neue Kunst aus München. In: Lenbachhaus. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, abgerufen am 17. August 2020.
  30. Kunst der Revolte // Revolte der Kunst, Ausstellung und Programm. In: Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main. Abgerufen am 20. August 2020.
  31. Kathrin Haasis: Neue Ausstellung im Fleischermuseum: Eine Edelboutique mit blutigen Waren. In: Stuttgarter Nachrichten. 4. Dezember 2019, abgerufen am 17. August 2020.
  32. Anna McCarthy Adventure Room. In: Galerie Sperling. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. April 2020; abgerufen am 22. August 2020 (englisch).
  33. Global Angst – Eine künstlerische Konferenz von Julian Warner. In: Kulturstiftung des Bundes. Abgerufen am 25. November 2021.
  34. Stephanie Weber, Justin Lieberman: Anna McCarthy – Volatile. In: Galleria Diana. 19. März 2024, abgerufen am 31. März 2024 (englisch).
  35. Anna McCarthy und Paulina Nolte: Bloodless (2019-2020). In: Kino der Kunst. 27. Oktober 2020, abgerufen am 19. Dezember 2020.
  36. Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreise. In: Kulturpreise.de. Abgerufen am 6. Februar 2021.
  37. 2014 | Kunstclub13. In: Kunstclub13 e. V. Abgerufen am 16. August 2020.
  38. Stipendiaten Details - VATMH (de). Abgerufen am 23. Oktober 2023.
  39. Resident Artists | Popps Packing. 16. Juni 2017, abgerufen am 23. Oktober 2023 (amerikanisches Englisch).
  40. Michael Wolf: Neue Leitung für Münchner Rodeo-Festival. In: Nachtkritik. 15. Oktober 2018, abgerufen am 6. Februar 2021.
  41. Leveld Kunstnaturn AiR. In: Leveld Kunstnaturn AiR. Abgerufen am 26. Oktober 2023 (amerikanisches Englisch).
  42. Stefan Michalzik: „What Are People For?“: Don’t go to party. In: Frankfurter Rundschau. 23. November 2022, abgerufen am 23. Oktober 2023.
  43. Extrem Ernste Musik, by Rumpeln. In: Bandcamp. Abgerufen am 23. Oktober 2023.
  44. Sammlung: Washing Cycle 1. In: www.sammlung.pinakothek.de. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, abgerufen am 31. März 2024.