Andrzej Wohl (Soziologe)

polnischer Sportsoziologe

Andrzej Wohl (* 27. Februar 1911 in Stanislau, Galizien; † 1. September 1998 in Warschau) war ein polnischer Sportsoziologe und Sportphilosoph.

Leben Bearbeiten

Andrzej Wohl überlebte als galizischer Jude den Holocaust in einem sowjetischen Gefängnis. Er war seit seiner Jugend Mitglied der Kommunistischen Partei der Westukraine und arbeitete als Journalist für kommunistische Zeitungen. Durch Familientradition und die deutsche Besatzung lernte er Deutsch wie eine zweite Muttersprache. Nach dem Krieg holte er sein Abitur nach, studierte Sport an der Sporthochschule in Warschau und Philosophie an der Universität Warschau, wo er auch 1960 promoviert wurde. Es folgte die Habilitation in marxistischer Philosophie an der Universität Warschau (1967), woraufhin er den Lehrstuhl für Sportsoziologie an der Sporthochschule Warschau, den ersten weltweit, bekam, wo er bis zu seiner gesundheitsbedingten vorzeitigen Emeritierung 1984 blieb. Von 1965 bis 1984 war er Herausgeber der International Review of Sport Sociology sowie 1965 der Gründungsvorsitzende des International Committee for the Sociology of Sport.

Wissenschaftliche Bedeutung Bearbeiten

Wohl erforschte die Bedeutung des Marxismus für das Verständnis des Sports. Da er dem orthodoxen Marxismus nahestand, hatte er sowohl in der DDR[1] als auch in der Bundesrepublik Deutschland ein hohes Ansehen[2] und war u. a. Gastprofessor an der Universität Hamburg.[3] Er galt als linientreuer Denker, der in der Tradition Pawlows eine solide quantitative Soziologie betrieb und damit in der Bewegungslehre der Zeit eine Position entgegen Nikolai Bernstein einnahm.[4] Während des Kalten Krieges gelang es ihm, einen offenen Dialog im Rahmen der von ihm verantworteten wissenschaftlichen Zeitschrift aufrechtzuerhalten.[5]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Arnd Krüger, Paul Kunath: Die Entwicklung der Sportwissenschaft in der SBZ und der DDR. In: W. Buss, C. Becker u. a. (Hrsg.): Der Sport in der SBZ und der frühen DDR. Genese – Strukturen – Bedingungen. Hofmann, Schorndorf 2001, S. 351–366.
  2. A. Wohl: Soziologie des Sports: allgemeine theoretische Grundlagen. (Fachwiss. Bearb. Sven Güldenpfennig). Pahl-Rugenstein, Köln 1981, ISBN 3-7609-0538-2.
  3. Dietmar Kesten: K-Gruppen, DKP und der (Arbeiter-) Sport. Teil II. Materialien zur Analyse von Opposition. mao-projekt.de, Januar 2011. Abgerufen am 11. Oktober 2015.
  4. W. Petrynski u. a.: The common path of Nikolai Bernstein und Andrzej Wohl. In: Jahrbuch 2012 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft. LIT, Münster 2014, S. 69–82.
  5. Günther Lüschen: OBITUARY FOR ANDRZEJ WOHL. International Review for the Sociology of Sport 34(1999), S. 341–342.