1,2-Diaminocyclohexan

Gruppe von Stereoisomeren
(Weitergeleitet von 1,2-Cyclohexandiamin)

1,2-Diaminocyclohexan ist eine chemische Verbindung. Sie besteht aus einem Cyclohexanring als Grundgerüst, an dem zwei Aminogruppen an benachbarten Kohlenstoffatomen gebunden sind und gehört somit zur Gruppe der Diamine.

Strukturformel
Strukturformel von 1,2-Diaminocyclohexan
Strukturformel von 1,2-Diaminocyclohexan ohne Angabe der Stereochemie
Allgemeines
Name 1,2-Diaminocyclohexan
Andere Namen
  • 1,2-Cyclohexandiamin (IUPAC)
  • DACH
Summenformel C6H14N2
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit aminartigem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 211-776-7
ECHA-InfoCard 100.010.707
PubChem 4610
ChemSpider 4449
Wikidata Q27165475
Eigenschaften
Molare Masse 114,19 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[1]

Dichte

0,95 g·cm−3[1]

Siedepunkt

183 °C[1]

Dampfdruck

11,5 hPa (70 °C)[1]

Löslichkeit

löslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 314​‐​335​‐​302+312+332
P: 301+330+331​‐​280​‐​305+351+338​‐​310[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Isomerie Bearbeiten

1,2-Diaminocyclohexan enthält zwei stereogene Zentren, folglich gibt es drei Stereoisomere: (R,R)-1,2-Diaminocyclohexan und das dazu spiegelbildliche (S,S)-1,2-Diaminocyclohexan sowie meso-1,2-Diaminocyclohexan. Das 1:1-Gemisch aus (R,R)- und der enantiomeren (S,S)-Form ist das Racemat trans-1,2-Diaminocyclohexan. meso-1,2-Diaminocyclohexan wird bisweilen auch cis-1,2-Diaminocyclohexan genannt.

Stereoisomere von 1,2-Diaminocyclohexan
Name (S,S)-1,2-Diaminocyclohexan (R,R)-1,2-Diaminocyclohexan (R*,S*)-1,2-Diaminocyclohexan
Andere Namen trans-(+)-1,2-Diaminocyclohexan trans-(–)-1,2-Diaminocyclohexan cis-1,2-Diaminocyclohexan
meso-1,2-Diaminocyclohexan
Strukturformel      
CAS-Nummer 21436-03-3 20439-47-8 1436-59-5
694-83-7 (unspez.)
EG-Nummer
606-765-2 (unspez.)
ECHA-Infocard 100.127.756 100.111.336 100.117.844
100.010.707 (unspez.)
PubChem 479307 43806 342917
4610 (unspez.)
Wikidata Q161459 Q15605490 Q15605498
Q27165475 (unspez.)

Darstellung Bearbeiten

1,2-Diaminocyclohexan kann durch einen Curtius-Abbau von 1,2-Cyclohexandicarbonsäure hergestellt werden.[3] Wird die trans-1,2-Cyclohexandicarbonsäure als Edukt verwendet, sind die Aminogruppen im Produkt ebenfalls trans-ständig angeordnet. Ausgehend von cis-1,2-Cyclohexandicarbonsäure (meso-1,2-Cyclohexandicarbonsäure) erhält man analog cis-1,2-Diaminocyclohexan (meso-1,2-Diaminocyclohexan). Die Racematspaltung von trans-1,2-Diaminocyclohexan [1:1-Gemisch aus (R,R)-1,2-Diaminocyclohexan und (S,S)-1,2-Diaminocyclohexan] in seine Enantiomere lässt sich über diastereomere Salze durch die Behandlung mit enantiomerenreiner Weinsäure bewerkstelligen.[4]

Das cis-1,2-Diaminocyclohexan (in Form seines Sulfat-Salzes) lässt sich aus dem Isomerengemisch durch Umsetzung mit Nickelchlorid und anschließender Behandlung mit Schwefelsäure und Ethanol gewinnen.[5]

Eigenschaften Bearbeiten

Es handelt sich um eine farblose bei Raumtemperatur flüssige Verbindung, die bei 183 °C siedet. Der Drehwert der reinen Substanz bei 55 °C und einer Wellenlänge von 589 nm beträgt −36° [(R,R)-Enantiomer].[4]

Verwendung Bearbeiten

Durch Kondensationsreaktionen mit α,β-Diketonen kann 1,2-Diaminocyclohexan zur Synthese von Pyrazinen benutzt werden. Unter Abspaltung von zwei Wassermolekülen werden so zunächst Diimine erhalten, die dann zu Pyrazinen oxidiert werden können.

Durch Kondensation mit aktivierten Carbonsäuren (Steglich-Veresterung) oder Carbonsäurechloriden können Amide hergestellt werden. Diese Reaktion wird beispielsweise zur Synthese des Trost-Liganden eingesetzt.[6]

 
Synthese des Trost-Liganden aus 2-Diphenylphosphinocarbonsäure, trans-1,2-Diaminocyclohexan, Dicyclohexylcarbodiimid und 4-Dimethylaminopyridin in Dichlormethan.

In der Komplexchemie kann 1,2-Diaminocyclohexan als zweizähniger Chelatligand dienen. So sind beispielsweise Oxaliplatinverbindungen, die als Zytostatika eingesetzt werden, Platinkomplexe des 1,2-Diaminocyclohexans.

 
Struktur eines Oxaliplatinkomplexes

Außerdem kondensiert 1,2-Diaminocyclohexan mit zwei Äquivalenten eines Salicylaldehyd-Derivats zu einem Salen-Liganden.[7] Diese vierzähnigen Chelatliganden bilden mit Cobalt(II) Komplexe, die als Sauerstofftransporter beispielsweise bei der Jacobsen-Epoxidierung Verwendung finden.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f Datenblatt 1,2-Diaminocyclohexan bei Merck, abgerufen am 18. Januar 2011.
  2. a b Eintrag zu Cyclohex-1,2-ylendiamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  3. Heinrich Otto Wieland, Otto Schlichting, Werner von Langsdorff: Untersuchungen über die Gallensäuren. XXV. Mitteilung. Studien zum Abbau von Dicarbonsäuren. In: Hoppe-Seyler's Zeitschrift für physiologische Chemie, Bd. 161 (1926), S. 74–79. doi:10.1515/bchm2.1926.161.1-3.74
  4. a b F. M. Jaeger, Lucas Bijkerk: Über komplexe Salze des dreiwertigen Kobalts, Chroms und Rhodiums mit razemischen und optisch-aktiven trans-Cyclohexan-1,2-Diaminen. In: Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie, Bd. 233 (1937), S. 97–139. doi:10.1002/zaac.19372330202.
  5. Prisca K. Eckert, Verena Schill, Carsten Strohmann: Synthesis of cis-TMCDA: Optimization and characterization of a key intermediate. In: Inorganica Chimica Acta. 2011, doi:10.1016/j.ica.2011.06.008.
  6. Bernhard Johannes Lüssem: Palladium-katalysierte enantioselektive Synthese allylischer Thiocarboxylate und Palladium-katalysierte Deracemisierung allylischer Carbonate (PDF; 7,8 MB). Dissertation, RWTH Aachen 2004.
  7. Konstantin P. Bryliakov, Evgenij P. Talsi: Titanium-Salan-Catalyzed Asymmetric Oxidation of Sulfides and Kinetic Resolution of Sulfoxides with H2O2 as the Oxidant In: European Journal of Organic Chemistry, Jg. 11 (2008), S. 3369–3376, doi:10.1002/ejoc.200800277.