William Frédéric Edwards

französischer Rassentheoretiker

William Frédéric Edwards (geb. 1777 auf Jamaika; gest. 23. Juli 1842 in Versailles, Yvelines) war ein französischer Physiologe, Botaniker und Ethnologe aus der britischen Kronkolonie Jamaika (als Sohn englischer Eltern), der auch ein Pionier der Anthropologie war. Seine Schrift Des caractères physiologiques des races humaines considérés dans leurs rapports avec l’histoire wird von Historikern des Rassismus allgemein als „die Geburtsurkunde der modernen Rassentheorien“[1] angesehen.

William Frédéric Edwards

Biografie Bearbeiten

Edwards war der Sohn eines wohlhabenden englischen Pflanzers auf Jamaika. Er entstammte einer kinderreichen Familie. Henri Milne Edwards (1800–1885) war sein Bruder.[2] Er zog mit seiner Familie nach Brügge, wo er seine medizinische Ausbildung absolvierte, in Paris studierte er unter dem berühmten Physiologen François Magendie. Edwards lebte in Jamaika, Belgien und Frankreich.

In seinen späteren Publikationen beschäftigte er sich mit dem Thema der Entwicklung und dem moralischen Charakter der menschlichen „historischen Rassen“, dem Hauptthema der frühen Anthropologie.

Sein Buch De l’influence des agens physiques sur la vie[3] (Über physische Einflüsse auf das Leben; Paris, 1824) gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der Tierökologie: Der Autor beschäftigt sich mit dem Einfluss von Umweltfaktoren auf das tierische Leben; er berichtet von zahlreichen Experimenten über die Auswirkungen von Luft, Wasser, Temperatur, Licht und Elektrizität auf das organische Leben.

Er war der Gründer der kurzlebigen, aber einflussreichen Pariser ethnologischen Gesellschaft[4] im Jahr 1839, deren Ziel das Studium der

„organization of human races, their intellectual and moral character, their languages and historical traditions, so as to constitute upon these veritable bases the science of ethnology.“

„Organisation der menschlichen Rassen, ihres intellektuellen und moralischen Charakters, ihrer Sprachen und historischen Traditionen [war], um auf diesen wahren Grundlagen die Wissenschaft der Ethnologie zu begründen.“[5]

Edwards wurde von dem französischen Historiker Amédée Thierry (1797–1873),[6] dem Verfasser der Histoire des Gaulois (Geschichte der Gallier), beeinflusst. Seine Schrift Des caractères physiologiques des races humaines considérés dans leurs rapports avec l’histoire (Physiologische Merkmale der menschlichen Rassen in ihrer Beziehung zur Geschichte betrachtet) erfolgte in Form eines Briefes an Amadée Thierry und gilt als sein Hauptwerk. Edwards setzt sich mit der Theorie der „historischen Rassen“ auseinander, die Thierry 1828 in der Histoire des Gaulois aufgestellt hat; er versucht also, Beziehungen zwischen Physiologie und Geschichte herzustellen, indem er davon ausgeht, dass die wichtigsten körperlichen Merkmale eines Volkes durch die Jahrhunderte hindurch erhalten bleiben können. Diese Arbeit gilt als die Geburtsstunde der modernen Rassentheorien.[7]

In dieser Arbeit argumentierte er mit den Argumenten von James Cowles Prichard über die Herkunft der menschlichen Rassen.

Im Gegensatz zu Prichard (dem Vertreter des Monogenismus) war Edwards – ein Befürworter des Polygenismus – der Ansicht, dass menschliche Rassen von verschiedenen Vorfahren kämen und nicht von äußeren Bedingungen (wie Klima oder Lebensgewohnheiten).[8]

1839 erfolgte die Gründung der Société ethnologique de Paris mit einem breiten Programm. Die Gründung der Ethnologischen Gesellschaft in New York und der Ethnologischen Gesellschaft in London folgte innerhalb einiger Jahre.[9] Als Paul Broca 1859 die Société d’anthropologie de Paris gründete, griff er auf die Definition zurück, die Edwards der Ethnologie gegeben hatte.[10] Edwards war Mitglied der Royal Society in London, assoziiertes Mitglied der Académie royale de médecine in Paris, korrespondierendes Mitglied der Königlichen Akademie zu Neapel.

Er war mit den Schriftstellern Stendhal und Mérimée und vielen weiteren einflussreichen Persönlichkeiten seiner Zeit befreundet.

Ein weiterer persönlicher Kontakt unter den Schriftstellern war Jules Michelet.[11] Edwards wurde sein Arzt und Michelet entnahm Ideen über die „Persistenz der Rassen“ von Edwards und Thierry.[12]

Edwards wurde als der erste Anthropologe bezeichnet, der das Thema Rasse erörterte. Eines seiner Anliegen war die Rechtfertigung des französischen Nationalismus.[13]

Er wurde der „Vater der Ethnologie in Frankreich“ genannt.[14]

Schriften Bearbeiten

  • De l’influence des agents physiques sur la vie, Paris 1824 Digitalisat
  • Lettre à Mr Amedée Thierry sur les caractères physiologiques des races humaines considérées dans leurs rapports avec l’histoire, Paris: Compère jeune 1829 Digitalisat
Des caractères physiologiques des races humaines considérés dans leurs rapports avec l'histoire ; Lettre à M. Amédée Thierry. Paris: Dondey-Dupré 1841 (Digitalisat)
  • Mémoire de physiologie agricole sur la végétation des céréales sous de hautes températures. 1835
  • Recherches sur les langues celtiques, Paris: L’Imprimerie Royale 1844 Digitalisat
  • Esquisse de l’état actuel de l’anthropologie ou de l’histoire naturelle de l’homme (ca. 1841); in: Mémoires de la société ethnologique de Paris, Bd. 1
  • Fragments d’un mémoire sur les Gaëls o. J. (ca. 1845); in: Mémoires de la Société d’ethnologie de Paris, Bd. 2
  • De l’Influence réciproque des races sur le caractère national o. J. (ca. 1845); in: Mémoires de la Société ethnologique de Paris, Bd. 2

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise und Fußnoten Bearbeiten

  1. Benoît Massin, zit. nach Marie-France Piguet, „Observation et histoire“, L’Homme, 153. 2000, 93–106 online (« l’acte de naissance des théories raciales modernes »).
  2. cths.fr
  3. vgl. die Besprechung von Heyfelder in den Litterarischen Annalen der gesammten Heilkunde, 9. Band, Berlin 1827 (J. F. K. Hecker, Hrsg.), S. 40 ff.
  4. frz. Société ethnologique de Paris – Zur Gesellschaft, vgl. Thomas Bernon: La science des races: la Société Ethnologique de Paris et le tournant colonial (1839–1848).
  5. Paul Broca, History of the Proceedings of the Anthropological Society of Paris, in Anthropological Review (1863) vol. 1 II p. 278; archive.org.
  6. Der jüngere Bruder von Augustin Thierry.
  7. Marie-France Piguet, „Observation et histoire“, L’Homme, 153. 2000, 93–106 online
  8. Zu Monogenismus und Polygenismus, vgl. Stephen Gould: Der falsch vermessene Mensch. Basel u. a. 1983 (Online-Teilansicht)
  9. Paul Broca, History of the Proceedings of the Anthropological Society of Paris, in Anthropological Review (1863) vol. 1 II p. 278; archive.org.
  10. Jean-Claude Wartelle, La Société d’Anthropologie de Paris de 1859 à 1920.
  11. vgl. Michelet professeur à l’École normale (1827–1838)
  12. Stephen A. Kippur: Jules Michelet, a Study of Mind and Sensibility. 1981. SUNY Press, ISBN 978-0-87395-430-3, S. 65 f. („persistence of the races“).
  13. Fatimah Tobing Rony: The Third Eye: Race, Cinema, and Ethnographic Spectacle. Duke University Press, ISBN 978-0-8223-1840-8, S. 223, Anm. 17.
  14. George W. Stocking, Jr. (Hrsg.): Bones, Bodies, Behavior: essays on biological anthropology (1990), pp. 20–22; Online-Teilansicht.