Waldwirtschaft Seelhorst
Die Waldwirtschaft Seelhorst in Hannover ist ein zur Zeit des Königreichs Hannover Mitte des 19. Jahrhunderts an dem Seelhorster Wald errichtetes, ehemals vom Adel genutztes Jagdhaus. Das später zu einer Gastronomie umfunktionierte,[1] auch Altes Jagdhaus[2] oder Weißes Haus[3] genannte Ensemble ist das älteste erhaltene Bauwerk im heute hannoverschen Stadtteil Seelhorst an der Straße Vor der Seelhorst und steht unter Denkmalschutz.[1]
Geschichte und Beschreibung
BearbeitenDie Waldwirtschaft gilt – neben einigen nicht mehr vorhandenen Pulvermagazinen – als früheste Ansiedlung im Gebiet zwischen der ausgedehnten Waldfläche der Seelhorst mit seinen ehemals umliegenden Feldern. Vermutlich um 1820 wurde zunächst ein heute als Nebengebäude genutzter kleiner Fachwerkbau vermutlich als Unterkunft für den Waldaufseher errichtet.[1] Eigentümer des Grundstückes wurde der in der sogenannten Franzosenzeit in Hannover geborene, spätere königlich hannoversche Leutnant a. D. Werner von Graevemeyer[4] (Werner August Leo v. Graevemeyer; geboren 25. August 1811 in Hannover; gestorben 13. September 1898 in Bemerode), der als Mitglied des Adelsgeschlechtes von Graevemeyer ab 1844 auch die Verwaltung des älteren Rittergutes in Bemerode oblag.[5]
Vor dem später als Nebengebäude genutzten Fachwerkbau ließ Graevemeyer ab 1852 das Jagdhaus an der Seelhorst errichten; im selben Jahr, in dem im Forst östlich des Ensembles auch der Obelisk am Seelhorstweg aufgestellt wurde.[1]
Um die Jahrhundertwende verkehrte der Dichter Hermann Löns in der Waldwirtschaft; im Jahr 1900 setzte er ihr mit der Erzählung Sommersonntag in der Seelhorst „ein literarisches Denkmal.“[6]
Nachdem am Haupthaus die ursprüngliche Bekrönung mit Fialgiebel und Zinnen entfernt worden war, stellt sich das Haupthaus laut der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland heute dar als ein „schlichter eingeschossiger Putzbau mit Walmdach, der mit der Schauseite zum Hofbereich orientiert ist. Jeweils zwei rundbogige Fenster rahmen den in Anlehnung an das Palladiomotiv gestalteten mittigen Eingang. Die siebenachsige Rückfront wird in der Mitte durch ein dreiachsiges Zwerchhaus, das das Familienwappen der Grävemeyers trägt, betont.“[1]
Von 2005 bis 2019 betrieb der Gastronom Joachim Stern das Gasthaus. Seither ist das Ensemble ungenutzt.[7] 2020 legte der durch sein Portfolio von Event-Locations in der Region Hannover als „Der Partylöwe“ bekannte Eigentümer Andreas Hüttmann der Stadtverwaltung mehrere Konzeptzeichnungen nach Plänen der Architektengemeinschaft schulze & partner. architektur (sp.a) vor, nach denen das „Alte Jagdhaus“ durch Ergänzungsbauten aus Glas und Holz zu einer Event-Location aufgewertet werden sollte. Kleinere Abbrucharbeiten und Umbauten wurden im Sommer 2022 dann jedoch durch den Stadtbezirksrat gestoppt, nachdem Anwohner, darunter der gegenüberliegende Kleingartenverein, „Bedenken wegen des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens und zu den kaum vorhandenen Parkplätzen geäußert hatten.“ Ein in Auftrag gegebenes bauhistorisches Gutachten forderte zudem, zunächst „ein Konzept zur Sanierung und Instandsetzung zu entwickeln.“ Daraufhin ließ der der Bezirksrat „die Aufstellung des Bebauungsplans“ stoppen; der Eigentümer stellte daraufhin weitere Planungen ein.[2]
Aus Sorge um einen möglichen Verfall des denkmalgeschützten Bauwerks und jüngeren Erfahrungen mit einem drohenden Abbruch brachte die SPD Mitte 2023 im Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel eine Anfrage ein unter dem Titel:„Wir wollen kein zweites Wichmann“.[2]
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Hermann Löns: Sommersonntag in der Seelhorst (1900), in Wilhelm Deimann (Hrsg.): Nachgelassene Schriften, Bd. 1.: Mein niedersächsisches Skizzenbuch. Reisebilder. Für Sippe und Sitte, Leipzig: Hesse & Becker, 1928, S. 149ff.
- Heinz-Siegfried Strelow: Die hannoversche Familie von Graevemeyer und das „Weiße Haus“ an der Seelhorst. In memoriam Eberhard v. Graevemeyer, in: Heimatland. Zeitschrift für Heimatkunde, Naturschutz, Kulturpflege, Heft 2 vom April 2018, S. 59ff.; Digitalisat über docplayer.org
Weblinks
Bearbeiten- Jan Fischer: Ehemalige Waldwirtschaft Seelhorst / Altes Jagdhaus in Hannover: Wer stoppt das Schweigen im Walde?, illustrierter Artikel hinter Bezahlsperre auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 26. Juni 2023
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e Wolfgang Neß et al.: Ortskarte 7 / Seelhorst ... sowie Seelhorst. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 2, Bd. 10.2, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1985, ISBN 3-528-06208-8, S. 48f., 110f.; außerdem Seelhorst im Addendum: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 20f.; Digitalisat mit Volltextrecherche-Möglichkeit und OCR-Volltext über die Universitätsbibliothek Heidelberg.
- ↑ a b c Jan Fischer: Ehemalige Waldwirtschaft Seelhorst / Altes Jagdhaus in Hannover: Wer stoppt das Schweigen im Walde?, illustrierter Artikel hinter Bezahlsperre auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 26. Juni 2023, zuletzt abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Heinz-Siegfried Strelow: Die hannoversche Familie von Graevemeyer und das „Weiße Haus“ an der Seelhorst. In memoriam Eberhard v. Graevemeyer, in: Heimatland. Zeitschrift für Heimatkunde, Naturschutz, Kulturpflege, Heft 2 vom April 2018, S. 59ff.; Digitalisat über docplayer.org
- ↑ Helmut Zimmermann: Graevemeyerstraße, in ders.: Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover. Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 96.
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 32, S. 132; Vorschau über Google-Bücher.
- ↑ Rainer Ertel: Da war doch mal was. Auf Spurensuche in Hannover, Norderstedt: Books on Demand, 2018, ISBN 978-3-7528-8020-5, S. 62; Vorschau über Google-Bücher.
- ↑ Conrad von Meding: Was wird auf der Lavesvilla? in HAZ vom 23. Oktober 2023.
Koordinaten: 52° 20′ 24″ N, 9° 47′ 45,9″ O