Volksabstimmung über die Auflösung des dritten hessischen Landtags

Volksabstimmung

Die Volksabstimmung über die Auflösung des dritten hessischen Landtags fand am 5. Dezember 1926 statt. Die Mehrheit der Wähler lehnte eine vorzeitige Auflösung des Landtags des Volksstaates Hessen ab.

Hintergrund Bearbeiten

Bei der Landtagswahl im Volksstaat Hessen 1924 war die Weimarer Koalition rechnerisch erneut bestätigt worden. Otto von Brentano di Tremezzo (Zentrum) hatte aber nach der Wahl versucht eine bürgerliche Koalition der Mitte aus Zentrum, DDP, DVP und Bauernbund zu bilden. Nachdem dieser Versuch gescheitert war, wurde das Kabinett Ulrich II bestätigt.

Gemäß Artikel 24 der Hessischen Verfassung sah kein Selbstauflösungsrecht des Landtags vor. Stattdessen war vorgeschrieben „Der Landtag kann vor Ablauf seiner Dauer nur durch Volksabstimmung aufgelöst werden.“ Die Hessische Verfassung regelte weiter, dass Volksabstimmung stattzufinden mussten, wenn ein Zwanzigstel der bei der letzten Wahl zum Landtag Stimmberechtigten, sich für eine solche Abstimmung aussprach. Das dazugehörige Ausführungsgesetz, das Gesetz über Volksbegehren und Volksabstimmung vom 17. März 1921[1] setzte für die Sammelung der Unterstützerunterschriften keine Ausschlussfrist vor, die Sammlung konnte daher ohne Zeitdruck erfolgen. Damit hatte der Volksstaat Hessen im Vergleich zu den anderen Ländern der Weimarer Republik die längsten Fristen und niedrigsten Quoren.[2] Im April 1926 scheiterte der Versuch der Opposition einer Verfassungsänderung, um dem Landtag ein Selbstauflösungsrecht mit einfacher Mehrheit zu geben im Landtag.

Auch wenn die Legislaturperiode im Volksstaat Hessen nur drei Jahre dauerte und der Landtag sowieso im Folgejahr neu gewählt werden würde, sah die Opposition die Chance auf Neuwahlen und einen Regierungswechsel. Der Hessische Bauernbund, die Deutsche Volkspartei, die Deutschnationale Volkspartei, die Kommunistische Partei Deutschlands, die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung und die Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes riefen daher 1926 unter dem Namen Wirtschafts- und Ordnungsblock zu einem Volksbegehren zur vorzeitigen Auflösung des Landtags auf. Die Parole der Initiative war „Schickt den Landtag heim!“. Neben den Regierungsparteien SPD, Deutsche Demokratische Partei und Zentrum lehnte auch die Vereinigte schaffende hessische Landwirte die Auflösung ab.

Das Volksbegehren Bearbeiten

Da bei der letzten Landtagswahl 846.196 Bürger wahlberechtigt waren, musste die Opposition für das erfolgreiche Volksbegehren 42.310 gültige Unterschriften sammeln. Dieses Ziel wurde deutlich übertroffen. Den Wahlbehörden wurden 168.742 Unterschriften überreicht. Neben den 10 Unterschriften der Initiatoren stammten davon 62.440 aus der Provinz Starkenburg, 65.948 aus der Provinz Oberhessen und 40.344 aus Rheinhessen. Hiervon wurden vom Landesabstimmungsleiter aber nur ein Drittel als gültig anerkannt. Zur Nachbesserung der mangelhaften Stimmen hatten die Initiatoren zwei Wochen Zeit Nachbesserungen vorzunehmen. Am Ende waren 90.846 Unterschriften ungültig, 15.879 waren an die Initiatoren zurückgegeben worden und nicht korrigiert zurückgegeben worden und 61.999 Unterschriften waren als gültig anerkannt worden. Damit war das Quorum erfüllt. Die Gründe der Nichtanerkennung waren vielfältig. In 74.955 Fällen wurde moniert, dass die Eintragungen nicht vom Unterzeichner, sondern von Dritten vorgenommen wurden. Dies bezog sich nicht primär auf die Unterschrift, sondern es mussten auch Geburtsname, Beruf und Wohnort von den Unterzeichnenden persönlich eingetragen werden. 5287 Unterschriften waren unleserlich oder unvollständig, 5730 Unterschrifte waren nicht auf den offiziellen Unterschriftenlisten geleistet worden, 3146 Unterschriften waren ungenügend oder nicht bescheinigt und 1746 wurden aus sonstigen gesetzlichen Gründen zurückgewiesen.

Die Volksabstimmung Bearbeiten

Nachdem das Quorum erreicht war, wurde als Abstimmungstermin der 5. Dezember 1926 festgelegt.

Es ergaben sich folgende Ergebnisse der Wahlen auf Provinzebene

Provinz Stimmberechtigte Abgegebene Stimmen Gültige Stimmen ja nein LTW ja (*) LTW ja(*)
Starkenburg 409699 205404 202400 95472 106928 118044 182211
Provinz Oberhessen 210078 105840 104802 63282 41520 81575 66257
Rheinhessen 256478 116115 114969 43572 71397 48788 128257
Hessen 876255 427359 422171 202326 219845 248407 376725
  • Diese Spalte enthält den Stimmenanteil der Parteien, die den Volksentscheid unterstützen/ablehnten, bei der letzten Landtagswahl.

Es ergaben sich folgende Ergebnisse der Wahlen auf Kreisebene

Kreis Stimmberechtigte Abgegebene Stimmen Gültige Stimmen ja nein LTW ja LTW ja
Kreis Bensheim 44461 19217 18928 9310 9618 11635 18729
Kreis Dieburg 41092 19914 19615 9631 9984 12403 17323
Kreis Erbach 30215 14731 14542 8014 6528 8945 11724
Kreis Groß-Gerau 45349 20969 20685 10501 10184 11413 19287
Kreis Heppenheim 32623 10587 10459 3748 6711 6326 14894
Kreis Offenbach 116152 61515 60571 24755 35816 31242 57614
Kreis Gießen 65001 33444 33141 18500 14641 24684 21697
Kreis Alsfeld 24189 10853 10761 7781 2980 10042 5390
Kreis Büdingen 27465 11844 11739 8278 3461 10761 6995
Kreis Friedberg 56459 32739 32318 15460 16858 19055 24263
Kreis Lauterbach 19132 8219 8158 6335 1823 8432 4561
Kreis Schotten 17832 8741 8685 6928 1757 8601 3351
Kreis Mainz 104799 46976 46456 12717 33739 13334 59027
Kreis Alzey 26779 11662 11565 4821 6744 5964 12422
Kreis Bingen 29525 10569 10472 4047 6425 4130 15547
Kreis Oppenheim 31700 13471 13359 5980 7379 6795 14557
Kreis Worms 63675 33437 33117 16007 17110 18565 26704

Die Beteiligung an der Volksabstimmung war mit 50,14 % signifikant geringer, als bei der vorangegangenen Landtagswahl mit 75,3 %. Es war den Regierungsparteien nicht so gut gelungen, ihre Anhänger für die Volksabstimmung zu motivieren, wie die Opposition. Während die Regierungsparteien bei der Landtagswahl noch einen Vorsprung von 128.318 Stimmen gegenüber der Opposition hatten, betrug der Vorsprung der „nein“-Stimmen nun noch 17.519. Auf Provinzebene ergab sich lediglich in Oberhessen eine Mehrheit für die Landtagsauflösung. Dort hatte die Opposition bereits bei der Landtagswahl eine Mehrheit der Stimmen erhalten. Die größte Unterstützung fand die Regierung bei der Landtagswahl wie der Volksabstimmung in den stark industrialisierten Landkreisen Offenbach und Gießen (die SPD-Parteihochburgen waren) und in den katholischen Landesteilen die das Zentrum dominierte.

Folgen Bearbeiten

Da die Volksabstimmung keine Mehrheit für die Auflösung des Landtags ergeben hatte, blieb diese bis zum regulären Ende seiner Wahlperiode tätig. Danach wurde mit der Landtagswahl im Volksstaat Hessen 1927 regulär der vierte Landtag gewählt.

Literatur Bearbeiten

  • Zentralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Mitteilungen der hessischen Zentralstelle für die Landesstatistik. Nr. 12. Hessischer Staatsverlag, Darmstadt Dezember 1926, S. 145–146.
  • Zentralstelle für Landesstatistik (Hrsg.): Volksbegehren und Volksabstimmung über die Auflösung des 3. hessischen Landtags im Mai bzw. am 5. Dezember 1926. Abstimmungsergebnisse nach Gemeinden und Stimmbezirken im Volksstaat Hessen. Hessischer Staatsverlag, Darmstadt 1927.
  • Eckhart G. Franz: Volksstaat Hessen 1918–1945. In: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich, (1806) 1815 bis 1945 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen). 1. Auflage. Band 4, Nr. 63. Elwert, Marburg 1998, ISBN 3-7708-1237-9, S. 899–900 (Teilbd. 2. Die hessischen Staaten bis 1945 : Lieferung 1-3).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Rbl. S. 60ff.
  2. Frank Meerkamp: Die Quorenfrage im Volksgesetzgebungsverfahren: Bedeutung und Entwicklung, 2011, ISBN 978-3-531-93062-6, S. 164, Digitalisat