Tertullian

Kirchenschriftsteller
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Quintus Septimius Florens Tertullianus oder kurz Tertullian (* nach 150 in Karthago (heute in Tunesien); † nach 220) war ein antiker, früher christlicher und der erste lateinische Kirchenschriftsteller. In seinen Schriften verteidigte er das christliche Glaubenssystem gegenüber heidnischen Angriffen und ketzerischen Lehren. Er prägte wichtige Begriffe und Konzepte, die später in der christlichen Theologie von großer Bedeutung werden sollten. Er verwendete beispielsweise erstmals den Begriff Trinität, um das Konzept der Dreieinigkeit Gottes auszudrücken, und setzte entscheidende Impulse bei der Erklärung des Verhältnisses von menschlicher und göttlicher Natur in Christus. Da er sich dem später als häretisch verurteilten Montanismus zuwandte, gilt er heute weder in der West- noch in der Ostkirche als Heiliger.

Tertullians Apologeticum (Codex Balliolensis)

Biographische Aussagen über Tertullian sind wegen der Quellenlage vorsichtig zu treffen. „Eine vollständige Biographie des Nordafrikaners Tertullian läßt sich nicht schreiben“,[1] stellt seine Biographin Henrike Maria Zilling klar. Laut Hieronymus sei er der Sohn eines römischen Offiziers gewesen. Nach dem protestantischen Theologen Wilhelm Zimmermann stamme er von Puniern und Römern ab.[2] Der anglikanische Prediger W. H. C. Frend lokalisierte dagegen die theologischen Vorstellungen Tertullians innerhalb der berberisch-punischen Bevölkerung Karthagos, womit zwar etwas über das geistige Umfeld, jedoch nicht über die Herkunft Tertullians ausgesagt werden kann. Gleichfalls verortet ihn der Altphilologe Timothy David Barnes in der berberisch-punischen Region.[3] Neure Forschungen wie die David Ivan Rankins und David Wilhites zeigen die Bedeutung seiner nordafrikanischen Herkunft für sein Denken, ohne dass sich die Frage nach der ethnischen Herkunft eindeutig klären lässt.

Gesichert ist, dass er eine juristische und rhetorische Ausbildung erhielt. Eine Zeit lang wirkte er in Rom als Advokat. Viele seiner Schriften lesen sich auch wie ein juristisches Plädoyer. Zu seinen Werken zählen viele Streitschriften gegen die Juden, gegen die Gnosis (Valentinianer und Doketisten), gegen Marcioniten, andere Häresien und gegen die Kindertaufe, aber auch Verteidigungsschriften für das Christentum vor heidnischem Publikum. Er betonte die Vereinbarkeit von Christentum und Römischem Reich und bestand darauf, dass Christen auch loyal zum Kaiser stehen müssten.

31 Schriften sind von seinem Werk erhalten, wohl der Großteil des von ihm Geschriebenen. Die ersten Schriften erschienen 197 – damals war er offenbar bereits Christ. In der ersten Zeit seiner Schriftstellerei beschäftigte Tertullian sich mit privaten (unter anderen De pallio, De patienta, Ad uxorem) und katechetischen Themen (unter anderem De spectaculis, De idolatria, De testimonio animae, De baptismo). 197 schrieb Tertullian seine ersten apologetischen Werke. Er plante offenbar ein größeres apologetisches Werk, als die Christenverfolgung in Karthago drastisch zunahm. Deshalb änderte er seinen Plan und stellte nun in Kürze sein gesammeltes Material zum Apologeticum zusammen, das den Vorständen der afrikanischen Provinz überreicht wurde. Während der Severianischen Verfolgung richtete er um 202 eine Trostschrift an die Märtyrer im Kerker (Ad martyras). Sein Sprachstil hob sich von anderen ab. Tertullian gilt als einer der originellsten lateinischen Kirchenautoren. Er schrieb sehr engagiert, aber auch leidenschaftlich und teilweise polemisch. Seine Thesen hatten auch Einfluss auf das Verschwinden des Theaterspiels aus Westeuropa im Frühmittelalter.

Tertullian sympathisierte mit den Montanisten. Ob er gegen Ende seines Lebens zu ihnen übertrat, ist bis heute umstritten. Das häufig genannte Jahr 207 für seinen vermeintlichen oder tatsächlichen Übertritt ist nicht gesichert. Seine rigoristische Moral, die sich in seinen letzten Schriften noch weiter radikalisierte, wie z. B. sein Verbot der Wiederheirat nach dem Tod des Partners, wurde immer wieder in diese Richtung interpretiert; auch äußerte er sich positiv über Montanus selbst. Hieronymus behauptete später sogar, Tertullian hätte eine eigene Kirche gegründet. Aufgrund dieser Aussagen wird Tertullian in keiner Konfession als Heiliger verehrt. In den orthodoxen Kirchen wird Tertullians nach Ansicht dieser Kirche übermäßig negatives Menschenbild teilweise als Quelle einer schlechten theologischen Tendenz angesehen, die sich in Augustinus von Hippo fortsetzte und 1054 schließlich zum Bruch zwischen West- und Ostkirche führte.

Tertullian starb in hohem Alter irgendwann nach 220. Sein Verdienst lag darin, dass er die Theologie in die Latinität geholt hatte. Er übersetzte zahlreiche biblische Texte aus dem Griechischen und schuf dabei neue lateinische Worte. Viele spätere Vaterunser-Auslegungen sind von ihm abhängig. Außerdem wurde sein Apologeticum als große Ausnahme ins Griechische übersetzt, was auf die Relevanz dieses Werkes hinweist.

Der „heidnischenPhilosophie (vor allem Platon und der Stoa) blieb er – trotz aller Angriffe im Detail – im Ganzen verpflichtet. In De pallio rechtfertigte er seine Gewohnheit, weiterhin den Philosophenmantel zu tragen.

Am Ende seines Lebens näherte er sich dem häretischen Montanismus.[4]

Theologie

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Durch seinen scharfen, glänzenden Stil – und die Tatsache, dass er der erste Kirchenschriftsteller war, der auf Lateinisch schrieb – gilt Tertullian als Vater des Kirchenlateins. Er ist der Erste im christlichen Kontext, bei dem die Begriffe trinitas für griechisch τριάς trias („Dreifaltigkeit“ Gottes) oder damnatio für ἀνάϑεμα anathema („Verdammung, Verurteilung“) historisch greifbar werden.

Tertullians theologische Begriffe und Formeln sind in späteren Auseinandersetzungen von Bedeutung, nicht zuletzt, wenn es um Gott selbst ging: So nannte er Vater, Sohn und Heiligen Geist „drei Personen“ (tres personae), die aber eine Einheit Gottes (una substantia) bilden. Jesus Christus sei wahrer Mensch und zugleich Gott. Demnach sei zwischen menschlichen und göttlichen Eigenschaften Christi zu unterscheiden: Sie seien zwar in der Person des Sohnes vereint, aber nicht vermischt.

Tertullian vertrat auch die Auffassung, dass die Ungläubigen in einer Hölle bei vollem Bewusstsein endlos bestraft werden. In seiner Abhandlung Über die Auferstehung des Fleisches kritisiert Tertullian die Christen, die den in Mt 10,28 EU benutzten Ausdruck „Zerstörung“ so interpretieren, dass damit die endgültige Annihilation oder Vernichtung gemeint sei oder ein zeitlich begrenzter Tod und nicht eine ewige Strafe. Gegenüber dieser Auffassung betont Tertullian, dass das Feuer der Hölle ewig und ausdrücklich als eine ewig andauernde Strafe angekündigt sei. Als solche stelle die Strafe ein „nie endendes Töten“ dar – ein Töten, dessen Wirkungen furchterregender seien als die eines nur von Menschen begangenen Mordes, womit er weit über die Aussagen der Bibel hinausging. In seiner Apologie schrieb Tertullian, dass „diejenigen, die Gott anbeten, für immer bei Gott sein werden […], aber die Gotteslästerer und diejenigen, die sich Gott nicht von ganzem Herzen hingegeben haben, werden in gleicher Weise für immer im Feuer der Strafe sein“. Damit stellte er sich scharf gegen die Allerlösung, die sein Zeitgenosse Origenes vertrat.

So beeinflusste Tertullian nachhaltig einige Kirchenväter, vor allem Cyprian von Karthago und Augustinus von Hippo, die ebenfalls im Gebiet des heutigen Tunesien und Algerien wirkten, und somit die gesamte westliche Kirche. In dem theologischen Lehrschreiben des Papstes Leo der Große an das Konzil von Chalcedon, dem so genannten Tomus ad Flavianum, tauchen ähnliche Begriffe auf.

In seinem Bibelgebrauch zeigt Tertullian deutliche Präferenzen, etwa für Jesaja und mehrere Paulusbriefe. Das Evangelium nach Lukas verwendet er intensiver als das Evangelium nach Johannes, obwohl er in der Auseinandersetzung mit Marcion das von diesem allein anerkannte Evangelium nach Lukas als nicht von einem Augenzeugen geschrieben abwertet. An den Rändern der Bibel werden manche später anerkannte Bücher bei Tertullian kaum verwendet: Im Alten Testament verwendet er von den deuterokanonischen Büchern nur die Weisheit Salomos sowie die Zusätze zu Daniel.[5]

Schriften (Auswahl)

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Opera omnia, Ausgabe von 1598

Tertullian verfasste apologetische, dogmatische und aszetische Schriften.

  • De cultu feminarum/Vom Putz der Frauen, Buch I: um 205/6; Buch II: um 196/7, Streitschrift gegen die Putz- und Schminksucht der Frauen (und Männer).
  • Adversus Judaeos, um 197, Streitschrift gegen die Juden. Ihnen wird Verstocktheit vorgeworfen, da sie Jesus nicht als Messias anerkannten.
  • Apologeticum, um 198, gilt als sein bedeutendstes Werk, in dem er das Christentum vor dem Heidentum verteidigt, indem er es mit seinen eigenen Waffen, Wissenschaft, aber auch Staatstreue, zu schlagen versucht.
  • De spectaculis/Über die Spiele, vor 200, systematische Abhandlung über das römische Spielewesen: Wagenrennen im Circus, Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen im Amphitheater, Athletenwettkämpfe im Stadio, Mimus und Pantomimus auf der Bühne. Wer als Christ Schauspiele besucht, begibt sich in die Gesellschaft der Dämonen, die diese Stätten beherrschen. Genaue Beschreibungen über Herkunft der Spiele; Reclam 1988. ISBN 978-3-15-008477-9.
  • De baptismo/Von der Taufe und De oratione/Vom Gebet, beide Schriften um 200–206, enthalten die älteste erhaltene Schrift zur Taufe und die erste bekannte Auslegung des Vaterunsers; übersetzt und eingeleitet von Dietrich Schleyer, FC 76, Brepols 2006, ISBN 2-503-52115-0.
  • De praescriptione haereticorum/Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker, um 204, übersetzt und eingeleitet von Dietrich Schleyer, FC 42, Brepols 2002, ISBN 2-503-52105-3.
  • Adversus Marcionem, um 207, Streitschrift gegen Marcion in fünf Büchern. Marcion war ein Häretiker mit einer gewissen Nähe zur Gnosis, der das AT verwarf und nur ein NT akzeptierte, das von allen jüdischen Einflüssen bereinigt war. Sein Kanon bestand lediglich aus einem Evangelium und einigen, gekürzten Paulusbriefen.
  • Ad Uxorem/An seine Frau, um 207, verteidigt die Ehe als solche gegen gnostische Forderungen nach völliger Ehelosigkeit, ist aber kritisch gegen Wiederheirat; warnt christliche Frauen vor der Eheschließung mit Heiden.
  • De corona militis/Vom Kranze des Soldaten, vor der Ermordung Getas im Jahr 211, beschreibt das Verhältnis des christlichen Soldaten zu den Symbolen staatlicher Macht
  • De virginibus velandis/Über die Verschleierung der Jungfrauen, um 211, fordert, dass sich auch gottgeweihte Jungfrauen, unverheiratete Frauen und Witwen in der Kirche verschleiern müssen.
  • Adversus Praxean/Gegen Praxeas, um 213, Streitschrift gegen den Modalisten Praxeas; übersetzt und eingeleitet von Hermann J. Sieben, FC 34, Freiburg/Br. 2001, ISBN 978-3-451-23921-2.
  • „Semen est sanguis christianorum.“ (Apologeticum 50, „Das Blut der Christen ist ein Samenkorn“ – nämlich für ihre Religion.)
  • „Certum est, quia impossibile.“ (De carne Christi 5, „Es ist sicher, weil es unmöglich ist.“) – Über die Auferstehung. Gemeint ist: Etwas derart jeder Erfahrung Spottendes wie die Auferstehung Jesu Christi wäre niemals von den ersten Jüngern geglaubt worden, wenn sie es nicht tatsächlich erlebt hätten. Daraus wurde im 17. Jahrhundert der oft zitierte Satz: Credo quia absurdum [est] („Ich glaube, weil es widersinnig ist“).
  • „Christianos ad leonem!‘ – Tantos ad unum?“ (Apologeticum 40, „‚Die Christen vor den Löwen!‘ – So viele vor einen?“) – Beispiel für Tertullians Rhetorik, die hier einen guten Schuss Galgenhumor enthält. Die Tatsache, dass es – egal ob es sintflutartig regnet oder schlimme Dürre gibt, ob die Erde bebt oder stillsteht – immer heißt, die Christen seien schuld und gehörten vor den Löwen, kommentiert er mit dieser lapidaren Frage: Sind das nicht zu viele für nur einen?
  • „Respice post te, hominem te memento!“ (Apologeticum 33, „Schau hinter dich und erinnere dich, dass du (nur) ein Mensch bist.“) – Eine Variante des Memento mori.

Gedenktag

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26. April im Evangelischen Namenkalender.[6]

Literatur

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Wikisource: Quintus Septimius Florens Tertullianus – Quellen und Volltexte (Latein)
Commons: Quintus Septimius Florens Tertullianus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Henrike Maria Zilling: Tertullian. Untertan Gottes und des Kaisers. Schöningh, Paderborn u. a. 2004, S. 21.
  2. Wilhelm Zimmermann: Lebensgeschichte der Kirche Jesu Christi (Die Kirche im Mittelalter bis zum Anbruch des Remormationszeitalters, Bd. 3), Belser, Stuttgart 1858, Seite 21.
  3. Timothy David Barnes: Tertullian. A Historical and Literary Study. 2. Auflage, Oxford University Press, Oxford 1985.
  4. Elaine Pagels: Versuchung durch Erkenntnis. Die gnostischen Evangelien. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-37956-9, S. 164.
  5. Franz Stuhlhofer: Der Gebrauch der Bibel von Jesus bis Euseb. Eine statistische Untersuchung zur Kanonsgeschichte (= Theologische Verlagsgemeinschaft, Monographien und Studienbücher 335). Wuppertal 1988.
  6. Frieder Schulz: Das Gedächtnis der Zeugen – Vorgeschichte, Gestaltung und Bedeutung des Evangelischen Namenkalenders, Göttingen 1975, S. 96.