Tahmineh Milani

iranische Regisseurin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin

Tahmineh Milani (anhören/? persisch تهمینه میلانی, geboren am 1. September 1960 in Tabriz, Iran)[1] ist eine Regisseurin, Drehbuchautorin und Filmproduzentin.[2]

Tahmineh Milani (2006)

Ausbildung Bearbeiten

Bis 1979 studierte Milani Architektur an der Universität für Wissenschaft und Technologie in Teheran. Als 1979 nach der Islamischen Revolution die Universitäten geschlossen wurden, nahm Milani an einem Drehbuchseminar teil.[3] Danach machte sie erste Berufserfahrungen in der Filmbranche als Script Girl und Regieassistentin.

1989 drehte sie mit Children of Divorce ihren ersten Film als Regisseurin. 1990 schrieb sie das Drehbuch zu dem Film Love & Death von Mohammad Reza Alami.[4]

Arbeit als Regisseurin Bearbeiten

Als Regisseurin hat Milani preisgekrönte Filme wie Zwei Frauen, Die fünfte Reaktion und Zan-e ziadi (The Unwanted Woman) gedreht. Darin werden oft ökonomische, kulturelle und soziale Themen behandelt, die Frauen, vor allem aus der Mittelschicht, betreffen.[5] Oft leiden Milanis mutige Protagonistinnen unter dem frauenfeindlichen Regime.[6] Milanis Meinung nach ist eines der größten Probleme im heutigen Iran, dass Menschen ihre Persönlichkeit nicht zeigen können und dadurch gezwungen sind, ein Doppelleben zu führen.[2]

Milanis frühe Filme arbeiten mit märchenhaften Elementen, so z. B. Afsāneh-ye Āh (The Legend of a Sigh) aus dem Jahr 1991: Hier beschwört eine Autorin mit Schreibblockade durch ihr Seufzen einen Geist herauf. Der Geist zeigt ihr andere Frauen, die viel größere Probleme als sie selbst haben, aber stark bleiben.[7] Zwei Jahre später drehte Milani den Science-Fiction-Film Digeh Che Khabar (Was gibt's Neues?), wieder mit einer jungen Frau als Hauptfigur. Dabei bekam sie Ärger mit der Zensur: sie sollte die weibliche durch eine männliche Hauptfigur ersetzen. Milani wehrte die Eingriffsversuche und die Kritik, sie stachle Frauen zur Revolte gegen das System an, jedoch ab.[1]

Als 2001 Die verborgene Hälfte herauskam, wurde Milani beschuldigt, mit dem Film anti-revolutionäre Kräfte zu unterstützen. Erzählt wird von einer Frau, die als Studentin gegen das Schah-Regime protestiert hatte. Als Jahre später ihr Mann, ein Richter, eine Frau wegen ähnlicher Vergehen verurteilen soll, erzählt sie ihm von ihrer Vergangenheit.[1] Die verborgene Hälfte ist der erste iranische Film, der thematisiert, dass nach der Islamischen Revolution die Universitäten im Land jahrelang geschlossen waren.[3] Obwohl unter der reformorientierten Regierung von Mohammad Chatami eine Drehgenehmigung erteilt worden war, wurde Milani 2001 verhaftet. Erst durch die Intervention einiger iranischer und internationaler Filmgrößen wie Abbas Kiarostami, Mohsen Makhmalbaf[8] und Francis Ford Coppola, wurde sie nach zwei Wochen wieder freigelassen.[6] Während die Verhandlung noch lief, produzierte sie zusammen mit ihrem Mann den Film Bemani (Stay Alive) von Dariush Mehrjui.[9]

FürVakonesh Panjom (The Fifth Reaction) aus dem Jahr 2003 bekam Milani gemischte Kritiken: Dem Film, in dem wie oft bei Milani Niki Karimi die Hauptrolle übernahm, wurde „holzschnittartige Figurenzeichnung“ vorgeworfen.[10] An allem Schlechten, das Frauen hier zustoße, seien Männer schuld.[11] Andere Kritiker bezeichneten den Film, der auf internationalen Festivals gezeigt wurde, jedoch auch als „leidenschaftlich und spannend“ und hielten ihm seinen „sehr direkten Feminismus“ zugute.[12]

2006 gelang Milani mit der Beziehungskomödie Atash bas (Waffenstillstand) einer der erfolgreichsten Film im Iran[13]. Auch hier zeigt sie die Stärke von Frauen in einer Gesellschaft, die ihnen keine Stimme geben will. Atash bas enthält darüber hinaus jedoch Anklänge an amerikanische Screwball Comedies und speziell an Manche mögen's heiß von Billy Wilder. Er bildete den Auftakt einer Reihe von Filmen, die sich erstmals mit der zeitgenössischen iranischen Mittelschicht beschäftigten.[14] 2014 drehte Milani die Fortsetzung Atash bas II.

Plagiatsvorwürfe Bearbeiten

2018 erhob eine Gruppe junger Künstler Plagiatsvorwürfe gegen Milani. Die Regisseurin hatte in einer Ausstellung in Teheran ein Bild gezeigt, das starke Ähnlichkeiten mit einem Werk der Illustratorin Jenny Meilihove hatte.[15] Milani entschuldigte sich damit, dass sie eine Postkarte mit Meilihoves Motiv gesehen habe und den Eindruck unbewusst in ihr eigenes Werk habe einfließen lassen. Sie ließ alle Einnahmen der Ausstellung einem guten Zweck zukommen, verklagte jedoch die Galerie, weil sie die Ausstellung früher als vereinbart beendet hatte.[16]

2019 kam es zu weiteren Plagiatsvorwürfen gegen Milani, die eine Ausstellung mit Gemälden in der Ariana Galerie in Teheran plante. Die Galerie wurde von amtlicher Seite verwarnt. Milani verteidigte sich in den sozialen Medien mit der Aussage, dass sie sich eben von vielen Dingen inspirieren lasse.[17]

Privates Bearbeiten

Milani ist mit dem Schauspieler und Produzenten Mohammad Nikbin verheiratet.[18] Nikbin ist wie Milani ursprünglich Architekt, gemeinsam gestalteten die beiden Teile des Teheraner U-Bahn-Systems. Außerdem war er an einigen ihrer Filme als Schauspieler oder Produzent beteiligt.[19]

Filmografie als Regisseurin (Auswahl) Bearbeiten

  • Children of Divorce (Bach'che'hā-ye Talāgh), 1990
  • The Legend of a Sigh (Afsāneh-ye Āh), 1991
  • Was gibt's Neues? (Digeh che khabar?), 1992
  • Kakadu, 1995
  • Zwei Frauen (Do Zan), 1999
  • Die verborgene Hälfte (Nimeh-ye Penhān), 2001
  • Die fünfte Reaktion (Vakonesh Panjom), 2003
  • The Unwanted Woman (Zan-e Ziadi), 2005
  • Cease Fire (Atash Bas), 2006
  • Settling Scores (Tasvie Hesab), 2007
  • Superstar, 2009
  • One of Our Two (Yeki Az Ma Do Nafar), 2011
  • Cease Fire II (Atash Bas II), 2014
  • Untaken Paths (Mali & rah-hay narafteash), 2017[20]

Auszeichnungen Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Tahmineh Milani. In: Persian Film Festival Australia. 20. Juni 2017, abgerufen am 11. Februar 2020 (australisches Englisch).
  2. a b Tahmineh Milani - A renowned feminist filmmaker. In: Iran Chamber Society. Abgerufen am 23. Februar 2010.
  3. a b Jill Nelmes, Jule Selbo: Women Screenwriters: An International Guide. 1. Auflage. Palgrave Macmillan, London, ISBN 978-1-137-31236-5, Tahmineh Milani (b. 1960).
  4. Tahmineh Milani – A renowned feminist filmmaker. In: Iran Chamber Society. Abgerufen am 30. Januar 2020 (englisch).
  5. Jill Nelmes, Jule Selbo (Hrsg.): Women Screenwriters: An International Guide. 1. Auflage. Palgrave Macmillan UK, London 2015, ISBN 978-1-137-31237-2, S. 98.
  6. a b „Well played“ - 3. Arabisch-iranische Filmtage der Heinrich-Böll-Stiftung. In: Heinrich Böll Stiftung. 7. März 2008, abgerufen am 20. Februar 2020.
  7. The Legend of a Sigh (1991) - IMDb. In: imdb.com. Abgerufen am 11. Februar 2020 (englisch).
  8. Steve Ross: Thorn in their side. In: The Guardian. 2. November 2001, abgerufen am 20. Februar 2020 (englisch).
  9. Gönül Dönmez-Colin (Hrsg.): Cinemas of the Other: A Personal Journey with Film-makers from the Middle East and Central Asia. Intellect Ltd, 2006, ISBN 978-1-84150-143-7, S. 90.
  10. Deborah Young: The Fifth Reaction. In: Variety. 20. Mai 2003, abgerufen am 28. Februar 2020 (englisch).
  11. Jill Nelmes, Jule Selbo (Hrsg.): Women Screenwriters: An International Guide. Palgrave Macmillan UK, London 2015, ISBN 978-1-137-31237-2, S. 99.
  12. Iranian women in search of rights. In: Los Angeles Times. 29. August 2003, abgerufen am 28. Februar 2020 (amerikanisches Englisch).
  13. Atash bas. In: IMDb. Abgerufen am 28. Februar 2020 (englisch).
  14. Jill Nelmes, Jule Selbo (Hrsg.): Women Screenwriters: An International Guide. Palgrave Macmillan UK, London, ISBN 978-1-137-31237-2, S. 100.
  15. Tahmineh Milani accused of plagiarism In: Tehran Times, 9. September 2018. Abgerufen am 23. Februar 2020 (englisch). 
  16. Milani sues E1 Gallery over early closure of her exhibition. In: tehrantimes.com. 17. September 2018, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
  17. Tehran Ariana Gallery gets warning over Tahmineh Milani exhibition. In: tehrantimes.com. 6. Mai 2019, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
  18. Tahmineh Milani. In: imdb.com. Abgerufen am 8. Februar 2020 (englisch).
  19. Josef Gugler: Film in the Middle East and North Africa: Creative Dissidence. University of Texas Press, 2011, ISBN 978-0-292-73756-3, S. 72.
  20. Untaken Paths. In: Persia Film Distribution. 3. September 2017, abgerufen am 8. Februar 2020 (amerikanisches Englisch).
  21. Richard Peña: 1999 Tehran Film Festival: Being There. In: Film Comment. Film at Lincoln Center, 1999, abgerufen am 20. Februar 2020 (englisch).
  22. Cairo International Film Festival (2001). In: IMDb. Abgerufen am 20. Februar 2020 (englisch).
  23. „Fifth Reaction“ in Cairo Int’l Film Festival. In: Mehr News Agency. 5. Oktober 2003, abgerufen am 20. Februar 2020 (englisch).
  24. Archives 2003. In: Geneva International Film Festival. Abgerufen am 12. Februar 2020 (französisch).
  25. a b Unwanted Woman. In: Tahmineh Milāni official website. Archiviert vom Original am 22. Juli 2011; abgerufen am 4. Dezember 2010.