St.-Porphyrius-Kirche

Kirchengebäude im Staat Palästina

Die St.-Porphyrius-Kirche (Ιερός Ναός του Αγίου Πορφυρίου Ierós Naós tu Agíu Porfiríu, كنيسة القديس برفيريوس Kanīsat al-Qadīs Burfīryūs) in Gaza-Stadt ist eine Kirche des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Jerusalem. Sie ist ein Bauwerk des 12. Jahrhunderts und der älteste für den christlichen Gottesdienst genutzte Kirchenbau im Gazastreifen. Sie ist benannt nach Bischof Porphyrios von Gaza († 420),[1] der als Heiliger verehrt wird.

Dachreiter der St.-Porphyrius-Kirche und Minarett der benachbarten Freitagsmoschee (2005)

Lage Bearbeiten

Die gotische Kirche befindet sich im Stadtteil Zaytun im Süden der Altstadt von Gaza. Die Freitagsmoschee des Kātib al-Wilāya, die in ihren älteren Teilen aus dem 15. Jahrhundert stammt, grenzt mit der Süd- und Westseite direkt an das griechisch-orthodoxe Kirchengrundstück.[2] Auf diesem Kirchengrundstück von etwa 216 Quadratmetern[3] stehen außer der kreuzfahrerzeitlichen Kirche sieben weitere moderne Gebäude wie eine Bibliothek und ein Jugendzentrum.

Geschichte Bearbeiten

Bischof Porphyrios ließ mit kaiserlicher Unterstützung heidnische Kultstätten in Gaza zerstören, insbesondere den Tempel des Marnas, der Hauptgottheit von Gaza. An dessen Stelle ließ er eine Kirche errichten. Die Bauinschrift der St.-Porphyrius-Kirche erhebt den Anspruch, dass dies der Kirchenbau des frühen 5. Jahrhunderts sei; historisch wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Marnastempel und der Kirchenbau des Porphyrios an der Stelle der kreuzfahrerzeitlichen Johanneskirche befanden, der heutigen Großen Moschee von Gaza.[4]

Der heutige Kirchenbau stammt aus der Kreuzfahrerzeit. Er wurde um 1150/1160 errichtet und dem Patrozinium des heiligen Porphyrios unterstellt; im 15. Jahrhundert wurde der Sakralbau auch als Marienkirche bezeichnet. Der Fußboden der Kirche liegt 1,80 m bis maximal 3 m unter dem Straßenniveau; das spricht für eine frühbyzantinische Vorgängerkirche an dieser Stelle.

Im Jahr 1856 fand eine Restaurierung statt. Die frühesten Beschreibungen des Bauwerks datieren nach dieser Restaurierung. Victor Guérin beschrieb die Kirche bei seinem Besuch im Jahr 1863. Während seines Aufenthalts in Gaza im September 1876 beschrieb Charles Clermont-Ganneau die St.-Porphyrius-Kirche und fertigte einen Grundriss sowie einen Längs- und Querschnitt des Kirchenbaus an.

Baubeschreibung Bearbeiten

 
St.-Porphyrius-Kirche, Grundriss und Querschnitt, Charles Clermont-Ganneau 1896
 
Außenansicht von Westen, Charles Clermont-Ganneau 1896

Das Baumaterial der Kirche sind kleine Sandsteinblöcke. Einzelne Elemente wie Säulen und Kapitelle sind aus Marmor, und marmorne Säulenscheiben sind als Schmuckelemente in die Fassade integriert (Foto).

Der Haupteingang befindet sich an der Westseite des Kirchenbaus. Er hat einen Spitzbogen; im Tympanon liest man auf einer Marmortafel (0,60 × 0,40 m) eine griechische und arabische Bauinschrift mit folgendem Text:[5]

  • (Griechisch): „Dieser Tempel wurde errichtet unter Kaiser Arcadius und während der Amtszeit des heiligen Bischofs Porphyrius im Jahr Jesu Christi 405. Seine Restaurierung fand unter dem Patriarchat Kyrills von Jerusalem und auf Kosten der griechischen Gemeinde von Gaza 1856 statt.“
  • (Arabisch): „Im Namen Allahs, des Lebendigen, des einen heiligen Gottes. Den Beginn dieses Kirchenbaus veranlasste Bischof Porphyrios von Gaza im Jahr 405 in den Tagen des Kaisers Arcadius. Sie wurde restauriert während des Patriarchats Kyrills von Jerusalem auf Initiative von Vater Philymos und unter der Aufsicht des Architekten Balaschuti Bascharius. Die Mittel dazu stammten von [der Stiftung des] Heiligen Grabes und von einigen Christen aus Gaza. Im Jahr 1856 der christlichen Zeitrechnung, im Monat März.“

Die gegenwärtige Vorhalle des Westeingangs wurde im 20. Jahrhundert erbaut; ob es bereits eine frühere Vorhalle gab, ist unbekannt. Oberhalb des Portals, teilweise verdeckt durch die moderne Vorhalle, sind an der Westseite beiderseits zwei schmale spitzbogige Fenster aus der Erbauungszeit erhalten. Die Fenster an der Nord- und Südseite des Kirchenschiffs wurden stärker verändert.

Ein Nebeneingang befindet sich an der Nordseite. An seinen Pfosten wurden von Kirchenbesuchern viele Kreuze und Initialen eingeritzt.[6] Ein weiterer Nebeneingang an der Südseite, zu dem eine Treppe hinaufführt, wurde modern ergänzt.

Die einschiffige Kirche hat zwei kreuzgratgewölbte Joche. Der tonnengewölbte Chorraum wird von einer halbkreisförmigen Apsis abgeschlossen. Mit Apsis misst der Kirchenraum 22,9 m × 8,25 m.[7] Die Architektur zeigt Ähnlichkeit mit der ebenfalls kreuzfahrerzeitlichen einstigen Hauptkirche von Gaza, die das Patrozinium Johannes des Täufers trug und nach Rückzug der Kreuzfahrer in die Hauptmoschee von Gaza umgewandelt wurde.

Die Kirche im Gaza-Israel-Konflikt Bearbeiten

Wurde die Zahl der Christen im Gazastreifen in den 1990er Jahren noch mit 5000 angegeben, so war sie im Jahr 2013 auf etwa 1500 Personen gesunken, die in ihrer großen Mehrheit griechisch-orthodox sind.[3] „Charakterisiert durch dicke Mauern und einen reich geschmückten Innenraum, diente die Kirche lange als Ort der Zuflucht und der Gemeinschaft für ihre Mitglieder, die eine religiöse Minderheit im Gazastreifen sind.“[8]

Christlich-orthodoxe Einwohner von Gaza haben oft ein gutes Einvernehmen mit der muslimischen Mehrheitsgesellschaft betont. Nach der islamkritischen Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. 2006 griffen palästinensische Muslime Kirchen an, in Gaza die St.-Porphyrios-Kirche. Dass diese orthodoxe Kirche nicht unter päpstlicher Jurisdiktion steht, schützte sie nicht.[9]

Während der israelischen Bombardierungen im Sommer 2014 (Operation Protective Edge) suchten rund 2000 Einwohner von Gaza, meist Frauen und Kinder, Schutz in der Kirche. Sie fühlten sich hier sicherer als auf dem Gelände der benachbarten Moschee, da Moscheen häufiger Ziel von Luftangriffen wurden.[10]

 
St.-Porphyrius-Kirche, Südseite (2022)

Auch bei den Luftangriffen, die das israelische Militär in Folge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel im Oktober 2023 durchführte (Operation Iron Swords), suchten wieder viele Zivilisten auf dem Gelände der historischen orthodoxen Kirche Schutz. Am 19. Oktober 2023 meldete die Hamas, die Kirche sei angegriffen worden und es habe eine „hohe Zahl von Märtyrern und Verletzten“ gegeben. Später war von 18 toten palästinensischen Christen die Rede. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte erklärten daraufhin, der Angriff habe einem Kommandozentrum gegolten, das für Attacken auf Israel genutzt worden sei; dabei sei die Kirche beschädigt worden.[11] Laut Zeugenaussagen hielten sich auf dem Kirchengrundstück zahlreiche christliche Familien aus dem Gazastreifen auf, und Abendessen wurde gerade ausgeteilt, als um 19:30 der Luftangriff erfolgte. Die Kirche selbst blieb unversehrt.[12] Ein Nebengebäude stürzte ein; die Personen, die sich im Erdgeschoss aufhielten, starben. Am 20. Oktober wurden 16 Todesopfer, davon vier kleine Kinder, im Kirchhof ausgesegnet und dann in einem Massengrab beigesetzt.[13]

  • Die Hilfsorganisation Caritas gab bekannt, unter den Toten sei eine örtliche Mitarbeiterin, die mit ihrer Familie ebenso wie andere Caritas-Angestellte in der Kirche Zuflucht gesucht hatte.[14]
  • Der US-Politiker Justin Amash teilte mit, dass unter den Toten Angehörige seiner Familie seien.[15]

Das Jerusalemer griechisch-orthodoxe Patriarchat bestätigte, dass das Kirchengrundstück getroffen worden sei, und erklärte: „Dass Kirchen und ihre Institutionen zum Ziel werden, ebenso wie der Schutzraum, den sie unschuldigen Zivilisten, besonders Kindern und Frauen, bieten, welche ihr Zuhause bei den israelischen Luftangriffen auf Wohngebiete in den letzten 13 Tagen verloren haben, ist ein Kriegsverbrechen, das nicht ignoriert werden darf.“[16] Der Ökumenische Rat der Kirchen verurteilte den Angriff auf das Kirchengrundstück.[17] Das griechische Außenministerium drückte seine „tiefe Besorgnis“ über diesen Luftangriff aus.[18]

Literatur Bearbeiten

  • Charles Clermont-Ganneau: Archaeological researches in Palestine during the years 1873–1874. Band 2. Committee of the Palestine Exploration Fund, London 1896, S. 381–383 (Digitalisat).
  • Denys Pringle: The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus. Band 1: A–K (excluding Acre and Jerusalem). Cambridge University Press, Cambridge 1993, S. 216–219.
  • Moshe Sharon: Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaestinae. Band 5: G. Brill, Leiden 2008, S. 210 f.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Vgl. Johannes Hahn: Porphyrius von Gaza. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 6, Mohr-Siebeck, Tübingen 2003, Sp. 1499–1500.
  2. Mohamed-Moain Sadek: Die mamlukische Architektur der Stadt Gaza. Schwarz, Berlin 1991, S. 133 (Digitalisat).
  3. a b Asmaa al-Ghoul: Gaza's Orthodox Church Celebrates 1,606 Years - Al-Monitor: Independent, trusted coverage of the Middle East. 11. März 2013, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  4. Moshe Sharon: Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaestinae. Leiden 2008, S. 213.
  5. Moshe Sharon: Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaestinae, Leiden 2008, S. 212.
  6. Denys Pringle: The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus, Bd. 1, Cambridge 1993, S. 219.
  7. Denys Pringle: The Churches of the Crusader Kingdom of Jerusalem: A Corpus, Bd. 1, Cambridge 1993, S. 216.
  8. Miriam Berger, Evan Hill, Kelsey Ables: Historic church sheltering civilians struck in deadly Gaza City blast. In: Washington Post. 20. Oktober 2023, ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 20. Oktober 2023]).
  9. Ulrich Schmid: Leben im Schatten der Hamas. In: Neue Zürcher Zeitung, 4. Januar 2016. Abgerufen am 20. Oktober 2023.
  10. Israel-Gaza conflict: Greek Orthodox church of St Porphyrios becomes a small refuge. 28. Juli 2014, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  11. Peter Bauer, Rafaela Steckbauer, Aida Kastrat, Georg Filzmoser, alle ORF.at/Agenturen: Öffnung von Rafah: Anzeichen mehren sich. 20. Oktober 2023, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  12. Karen Zraick, Ameera Harouda: Israeli Airstrike Hits Greek Orthodox Church Compound in Gaza City. In: The New York Times, 20. Oktober 2023, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  13. Emma Graham-Harrison: ‘Destruction chased them’: funeral held for those killed in Gaza church airstrike. In: The Guardian. 20. Oktober 2023, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 21. Oktober 2023]).
  14. tagesschau.de: Liveblog: ++ Steinmeier sichert Angehörigen von Geiseln Hilfe zu ++. Abgerufen am 20. Oktober 2023.
  15. Relatives of a former U.S. representative were among those killed in Gaza in church hit by strike. 21. Oktober 2023, abgerufen am 21. Oktober 2023.
  16. The Patriarchate of Jerusalem condemns Israeli airstrikes targeting humanitarian institution in Gaza. In: Jerusalem Patriarchate News Gate. 20. Oktober 2023, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  17. WCC condemns attack on building adjacent to St Porphyrios Greek Orthodox Church in Gaza | World Council of Churches. Abgerufen am 20. Oktober 2023.
  18. Hellenic Republic, Ministry of Foreign Affairs: Announcement by the Ministry of Foreign Affairs on the loss of life caused by the attack on a building adjacent to the St. Porphyrius Monastery in Gaza (20.10.2023)

Weblinks Bearbeiten

Commons: St. Porphyrios-Kirche in Gaza – Sammlung von Bildern

Koordinaten: 31° 30′ 11,9″ N, 34° 27′ 43,5″ O