Sergei Iwanowitsch Tjulpanow

sowjetischer Offizier und Gesellschaftswissenschaftler

Sergei Iwanowitsch Tjulpanow (russisch Сергей Иванович Тюльпанов, wiss. Transliteration Sergej Ivanovič Tjul'panov; * 3. Oktober 1901; † 16. Februar 1984 in Leningrad) war ein sowjetischer Offizier und Gesellschaftswissenschaftler. Er wurde 1945–1949 als Mitarbeiter der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) bekannt.

Tjulpanow (links) mit Alexander Dymschitz (17. Mai 1946)

Leben Bearbeiten

 
Tjulpanow bei der Eröffnung der Berliner Universität am 29. Januar 1946. Von links: Josef Naas und Theodor Brugsch von der DVV, Paul Wandel am Mikrofon, rechts Tjulpanov und Solotuchin als Vertreter der SMAD
 
Tjulpanow beim Weltkongreß der Friedenskräfte in Moskau (26. Oktober 1973) 2ter v.r.

Tjulpanow war Berufsoffizier und trat 1927 der KPdSU bei. Als Regimentskommissar war er Lehrer an militärischen Einrichtungen und studierte zugleich 1930–36 Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in Leningrad (Doktor). Während des Großen Terrors 1937–38 versteckte er sich ein Jahr lang als Arbeiter auf einer Kolchose. Seine Mutter wurde 1940 als angebliche »Spionin« hingerichtet. Sein Vater verstarb in Kasachstan im Lager.[1] Ab 1938 war Tjulpanow wieder als Lehrer aktiv, ab 1941 auch im Schulungswesen der Partei. 1941–45 war er Leiter der Politischen Abteilung an verschiedenen Frontabschnitten.[2] Seine fünfjährige Tochter Dolores verhungerte im belagerten Leningrad. Er selbst wurde mehrfach verwundet.[1]

Von Oktober 1945 bis September 1949 leitete er im Range eines Obersten die Propaganda- und Informations-Abteilung der SMAD. In dieser Funktion hatte er viele Kontakte zu den Politikern der KPD, SPD und (ab 1946) SED, namentlich zu Walter Ulbricht.[3] Er forcierte 1946 die Vereinigung von SPD und KPD zur SED[4] und ab 1948 die Entwicklung eines eigenen Staatswesens auf dem Gebiet der SBZ nach sowjetischen Vorbildern. Er engagierte sich auch für die Freilassung von Gustav Gründgens.[1]

1949 wurde Tjulpanow aus Deutschland abberufen und zum Generalmajor befördert. Er war Lehrer an der Leningrader Marineakademie und ab 1957 ziviler Hochschullehrer an der Universität Leningrad.

1976 wurde er in der DDR mit dem Orden Stern der Völkerfreundschaft in Gold ausgezeichnet.[5] 1959 erhielt er von der Universität Leipzig die Ehrendoktorwürde.[6]

Darstellung Tjulpanows in der bildenden Kunst der DDR Bearbeiten

  • Hans Kies: Porträtkopf Prof. S. Tulpanow, ehemaliger Kulturoffizier in Dresden (Porträtbüste, 1966/1967, schwarzer Granit, poliert; Nationalgalerie Berlin)[7]

Werke Bearbeiten

  • Politische Ökonomie und ihre Anwendung in den Entwicklungsländern, Die Wirtschaft, Berlin 1972.
  • Erinnerungen an deutsche Freunde und Genossen, Aufbau-Verlag, Berlin 1984.
  • Deutschland nach dem Kriege (1945–1949). Erinnerungen eines Offiziers der Sowjetarmee, Dietz-Verlag, Berlin/DDR 1986.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Sergei Tjulpanow – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Nicht mit gleicher Münze heimgezahlt, Rezension zu Pardon: Tulpanow. Stalins Macher und Widersacher., nd-aktuell, 7. Mai 2024
  2. Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Berlin 1999, ISBN 3-05-002680-4, S. 137.
  3. Wilfried Loth: Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte. Berlin 1994, ISBN 3-87134-085-5, S. 130–135.
  4. Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945–1949. Berlin 1999, ISBN 3-05-002680-4, S. 257.
  5. Neues Deutschland, 7. Oktober 1976, S. 5
  6. Verzeichnis der Ehrenpromotionen. Archiv der Universität Leipzig, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Januar 2021; abgerufen am 11. November 2020 (Ordnung nach Graduierungsjahr).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/geschichte.archiv.uni-leipzig.de
  7. Unbekannter Fotograf: Porträtkopf Prof. Sergej Tjulpanow, ehem. Kulturoffizier in Dresden. 1966, abgerufen am 20. Februar 2023.