Die Schweizer Minderheit in Chile besteht hauptsächlich aus den Nachfahren von Einwanderern aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in der historischen Region Araukanien im Süden des Andenstaates niederliessen. Aufgrund ihrer geografischen Gegebenheiten wird die Gegend auch als «Chilenische Schweiz» bezeichnet. Chile ist das Land mit den meisten von Schweizer Siedlern gegründeten Städten in Lateinamerika und nach Argentinien das zweitgrösste in der Region in Bezug auf die Anzahl der Schweizer Nachkommen (vollständige oder teilweise Abstammung).[1]

Schweizerische Wohltätigkeitsgesellschaft von Victoria

Geschichte Bearbeiten

19. Jahrhundert Bearbeiten

Im Jahr 1883 annektierte die Republik Chile die bis dahin noch nicht einverleibte Region Araukanien. Die Regierung hatte ab Mitte des 19. Jahrhunderts beschlossen, die dünn besiedelten Gebiete des Landes zu urbanisieren und industriell oder landwirtschaftlich stärker zu nutzen. Daher gab es Besiedlungs- und Anwerbeprogramme, die deutsche Siedler nach Chile holten. Diese Strategie wurde auch auf die Regionen von Los Ríos und nördlich von Los Lagos ausgeweitet. Durch die chilenische Generalagentur für Kolonisation wurden Kolonisationsagenten in die Schweiz entsandt, um Kontingente von gebildeten Schweizer Bürgern mit den körperlichen Fähigkeiten zur Durchführung der erforderlichen Aufgaben zusammenzustellen.[2] Die Schweizer Siedler in Chile gründeten neue Städte, die unter der Gerichtsbarkeit der chilenischen Nation standen. Auf diese Weise wurden Kommunen wie Traiguén, Victoria, Purén, Ercilla, Galvarino, Pitrufquén und Los Sauces gegründet und nahmen danach eine beträchtliche Anzahl von Einwanderern schweizerischer Herkunft auf. Viele der Nachkommen verloren ihre Schweizer Staatsangehörigkeit und galten als Chilenen mit Schweizer Abstammung (ähnlich wie die Deutschstämmigen) und sehen sich auch heute so, ohne Staatsbürgerschaftskonflikte.[3]

Die Schweizer Siedler in Araukanien leisteten wichtige Beiträge zur städtischen und industriellen Entwicklung der Region sowie zur Gründung der ersten Schulen, Krankenhäuser, Feuerwachen und anderer Institutionen. Weil in dieser Region Einwanderer aus verschiedenen europäischen Ländern lebten, wurden mitunter die Schweizer mit den deutschen, französischen oder italienischen Einwanderern verwechselt. Während Rosario Montt de Etter berichtet, dass das Zusammenleben der europäischen Siedler mit den Kreolen, den indigenen Mapuche sowie Nachfahren von Kreolen und Mapuche weitestgehend konfliktfrei gewesen sein soll,[4] verweist Alberto Dufey Castro auf Konflikte um Territorien und ländliche Besitztümer zwischen den verschiedenen Bewohnern der Region.[5]

20. Jahrhundert Bearbeiten

 
Haupteingang zum Schweizer Klub Santiago

1910 und anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit der Republik Chile schenkte die Schweizer Gemeinde der Stadt Santiago ein Denkmal namens Schweizer Löwe.

1939 wurde die Schweizerschule Santiago in der Kommune Ñuñoa gegründet, die älteste in ganz Lateinamerika. Neben der Bildungseinrichtung wurde der Schweizer Klub (span. Club Suizo) gegründet, ein Sport- und Gesellschaftsverein zur Verbreitung der Schweizer Kultur in der chilenischen Hauptstadt.[6]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Alberto Dufey Castro: La emigración suiza en territorio mapuche: Crónica de la Emigración Suiza en la Araucanía. Hrsg.: Ximena San Martín. 1. Auflage. Swisslatin, 2016, ISBN 978-1-5327-5469-2 (spanisch).
  • Henri Egli: Die Schweizerkolonien Süd-Chiles. Ihre Entstehung und 50jährige entwicklung. Hrsg.: E. Lampert. Imprenta Central, Valdivia.
  • Federico Schneiter: Die schweizerische Einwanderung in Chile. 1983.
  • Béatrice Ziegler: Auf der Suche nach Brot und Freiheit: Die Auswanderung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Deutsche in Lateinamerika – Lateinamerika in Deutschland. 1996, doi:10.31819/9783964566843-004.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Swiss diaspora in Chile – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. «Chind». Niños descendientes suizos en la Araucanía 1883–2010. Arte en la Red, 26. Oktober 2010, archiviert vom Original am 31. März 2016; abgerufen am 17. März 2023 (spanisch).
  2. Marcela Martínez Rodríguez: Colonization and Immigration. The Colonization Agency as an Actor in the Colonization Process. 1881–1901. In: Tzintzun. Revista de estudios históricos. Nr. 71, 2020, S. 67–91 (englisch, redalyc.org).
  3. Chile: Los suizos del fin del mundo In: SWI swissinfo.ch, 13. Februar 2004. Abgerufen am 17. März 2023 (spanisch). 
  4. Rosario Montt de Etter: Inmigración Suiza en Chile en el siglo XIX: por su propia fuerza: el pionero Ricardo Roth. 1. Auflage. Centro de Estudios Bicentenario, Santiago de Chile 2009 (spanisch, stanford.edu).
  5. Alberto Dufey Castro: La emigración suiza en territorio mapuche: Crónica de la Emigración Suiza en la Araucanía. Hrsg.: Ximena San Martín. 1. Auflage. Swisslatin, 2016, ISBN 978-1-5327-5469-2 (spanisch).
  6. Schweizer Klub. Schweizer Schule Santiago, abgerufen am 17. März 2023.