Schlauchreifen (Schweiz: Collé oder auch Tubolare) sind eine Bauart des Fahrradreifens, bei der der textile Reifenmantel zu einer geschlossenen Hülle vernäht ist, in dessen Innerem der eigentliche luftdichte Schlauch liegt. Damit unterscheidet er sich von den deutlich gängigeren Draht- und Faltreifen, bei denen sich der Schlauch zwischen Mantel und Felge befindet.

Aufgeschnittener Schlauchreifen. Innen der Schlauch (rot), umgeben von einem textilen Mantel (weiß). Die gummierte Lauffläche (Protektor) ist im Bild rechts, die Klebefläche links.

Schlauchreifen werden vorwiegend im Straßenradsport, bei Querfeldein-Rennen, im Bahnradsport sowie bei Saalsportdisziplinen (Kunstradfahren, Radball, Radpolo und zum Beispiel beim Rollstuhlbasketball) verwendet.

Aufbau Bearbeiten

Der Mantel eines Schlauchreifens besteht aus zwei bis drei Lagen gummiertem Gewebe aus Baumwolle, Nylon oder Seide,[1] welches zu einem Torus vernäht ist.[2]:64 Diese Naht wird mit einem dünnen, aufgeklebten textilen Nahtband geschützt. Die außenliegende Lauffläche des Mantels, der Protektor,[3] wird durch eine Gummiauflage griffig gemacht, häufig auch verstärkt durch ein bis zwei Gewebestreifen darunter. Auf der Innenseite ist der Mantel vernäht. Im Inneren liegt der Schlauch, meist aus Latex oder Butyl, seltener aus TPU.[4][5] Latex- und Butylschläche sind innen mit Talkum versehen, damit die Wände nicht verkleben können.

Für die Straße hergestellte Schlauchreifen werden mit Breiten von 18 bis 30 mm angeboten, deren Masse liegt zwischen 140 und 370 Gramm.

Felgen Bearbeiten

 
Felgen für Schlauchreifen haben ein konkaves Felgenbett.
 
Schlauchreifen auf Felge (wenig Luft und Reifen angehoben zur Veranschaulichung des Klebers)

Schlauchreifen benötigen Felgen, die eine konkave Außenfläche (das Felgenbett) besitzen, aber keine Felgenhörner. Da die Felge so nicht dem Reifeninnendruck standhalten muss, können Schlauchreifenfelgen besonders leicht konstruiert werden. Dies ermöglicht auch besonders hohe Drücke von bis zu 14 Bar.[2]:67

Bis in die 1950er Jahre waren Felgen aus Hickoryholz verbreitet, sie waren zwar leichter als damalige Aluminiumfelgen, die meist auf einem Holzkern basierten, aber aufwendiger in der Herstellung und hielten Nässe nur bedingt stand.[6] Holzfelgen fanden bei Bahnrädern noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts Verwendung.[7]

Einsatz Bearbeiten

Die Kombination aus Schlauchreifen und Felge ist mindestens 200 Gramm leichter als andere Reifensysteme, wodurch weniger Energie zum Beschleunigen und an Steigungen benötigt wird.[8] Aufgrund der hohen Kosten werden sie überwiegend im professionellen Radsport verwendet.[9]

Straßen- und Bahnräder
Im Straßen- und Bahnradsport sind Schlauchreifen bei Rennen gängig, seit etwa 2020 kommen jedoch auch vermehrt Falt- und Tubeless-Reifen zum Einsatz.[8][10] Durch die Verwendung breiterer Reifen mit niedrigeren Drücken bietet der hohe Maximaldruck im Straßenrennsport keinen Vorteil mehr. Da die Reibung zwischen Schlauch und Mantel entfällt, haben schlauchlose Reifen („tubeless“) zudem einen geringeren Rollwiderstand und sind durch eine Dichtflüssigkeit pannensicherer.[9][10][11]
2022 wurde der mit Schlauchreifen aufgestellte Stundenweltrekord zweimal mit Faltreifen geschlagen.[12][13]
Cyclocross
Beim Cyclocross werden Schlauchreifen vor allem wegen des Handlings bei sehr niedrigen Drücken weiterhin bei Training und Rennen verwendet.[14][15]
Mountainbikes
Im Mountainbikebereich waren Schlauchreifen Nischenprodukte.[16][17] Seit etwa 2010 wurden die vorher üblichen Draht- und Faltreifen weitestgehend von schlauchlosen Reifen verdrängt.[10]

Sicherheit Bearbeiten

Bei längeren steilen Abfahrten können Felgenbremsen die Felge so stark erhitzen, dass der verwendete Kleber schmilzt und sich der Schlauchreifen von der Felge löst.[18]

Montage und Reparatur Bearbeiten

 
Schlauchreifenkitt
 
Reifenkleber wird auf eine Felge aus Carbon aufgetragen

Um Schlauchreifen auf der Felge zu halten, müssen sie aufgeklebt werden. Vor allem im Bahnradsport wurde dazu früher oft ein Kleber auf Schelllackbasis verwendet, heute verwendet man dazu zähflüssigen Klebstoff („Reifenkitt“), oder Felgenklebeband.[7] Klebereste werden von der Felge entfernt, bevor die neue Kleberschicht aufgetragen wird.[19]

Ein platter Schlauchreifen kann im Gegensatz zu anderen Luftreifen auch platt noch begrenzt gefahren werden, da er durch den Kleber fest mit der Felge verbunden ist.[2]:68[10] Er kann unterwegs jedoch nicht mittels Flickzeug repariert werden, muss also komplett getauscht werden, wobei bei einer Feldreparatur die vorhandene Kleberschicht in der Regel nicht entfernt wird.[19]

Ein Schlauchreifen kann repariert werden, indem die Naht des Mantels aufgetrennt, der Schlauch entnommen und geflickt, und anschließend wieder in den Mantel eingenäht wird.[20][2]:181

Literatur Bearbeiten

  • Michael Gressmann, Franz Beck, Rüdiger Bellersheim: Fachkunde Fahrradtechnik. 1. Auflage, Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2006, ISBN 3-8085-2291-7
  • Frank Lewerenz, Martin Kaindl, Tom Linthaler: Das Rennrad Technikbuch. 1. Auflage, Pietsch Verlag, Stuttgart, 2005, ISBN 3-613-50486-3
  • Peter de Leuw: Fahrräder Richtig auswählen, sicher fahren. 1. Auflage, Beuth Verlag GmbH, Berlin-Wien-Zürich, 2006, ISBN 3-410-16487-1
  • Jörg Urban, Jürgen Brück: Fahrradreparaturen Wartung und Pannenhilfe. 1. Auflage, Gondrom Verlag GmbH, Bindlach, 2007, ISBN 978-3-8112-2938-9

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Chris Sidwells: Call of the Road: The History of Cycle Road Racing. William Collins, 2019, ISBN 978-0-00-822080-8, Kap. 12 "Time Lords and Ladies" (englisch).
  2. a b c d Richard Hallett: The Bike Deconstructed: A Grand Tour of the Modern Bicycle. First edition Auflage. Princeton Architectural Press, New York 2014, ISBN 978-1-61689-228-9 (englisch).
  3. Schlauchreifen montieren. In: Kurbelix. 22. Februar 2018, abgerufen am 2. August 2023 (deutsch).
  4. Hans-Erhard Lessing, Tony Hadland: Evolution des Fahrrads. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2021, ISBN 978-3-662-63487-5, S. 187, doi:10.1007/978-3-662-63487-5.
  5. Paul Norman: So long latex | New Pirelli P Zero Race SL tubular tyres use thermoplastic polyurethane inner tube. In: Bike Radar. 27. April 2021, abgerufen am 17. September 2023 (amerikanisches Englisch).
  6. Jobst Brandt: The Bicycle Wheel. 3. Auflage. Avocet, Menlo Park, CA 1993, ISBN 978-0-9607236-6-9, S. 55 f.
  7. a b Glen Norcliffe, Una Brogan, Peter Cox, Boyang Gao, Tony Hadland, Sheila Hanlon, Tim Jones, Nicholas Oddy, Luis Vivanco: Routledge Companion to Cycling. 1. Auflage. Routledge, London 2022, ISBN 978-1-00-314204-1, S. 110 ff., doi:10.4324/9781003142041 (englisch).
  8. a b Robert Kühnen: Sind Schlauchreifen beim Rennrad ein Auslaufmodell? In: Tour. 26. Mai 2022, abgerufen am 4. August 2023.
  9. a b C. Calvin Jones: Big blue book of bicycle repair. 4. Auflage. 2019, 2. "Tires & Tubes".
  10. a b c d Emily Tillett: Have we witnessed the death of tubular tyres? Why tubeless now rules the Tour de France peloton. In: road.cc. 9. Juli 2023, abgerufen am 17. September 2023 (englisch).
  11. Michael Sinner: Tubeless-Reifen. In: velonerd.cc. 24. Januar 2018, abgerufen am 4. August 2023 (deutsch).
  12. Jan Gathmann: Dan Bigham fährt neuen Stundenrekord: 55,548 Kilometer in einer Stunde. In: Rennrad News. 19. August 2022, abgerufen am 4. August 2023 (deutsch).
  13. Josh Croxton: €75k per hour – Filippo Ganna's full gear and kit list for his Hour Record attempt. In: Cycling News. 9. Oktober 2022, abgerufen am 4. August 2023 (englisch).
  14. Dan Cavallari: CX tubeless: Can it compete with tubulars? In: Velo. 9. Oktober 2015, abgerufen am 4. August 2023 (amerikanisches Englisch).
  15. Jordan Villella: The Best Cyclocross Tires - Tubulars, Tubeless & Clinchers for Every Condition. In: Bike Rumor. 14. November 2022, abgerufen am 4. August 2023 (amerikanisches Englisch).
  16. Luke Webber: Tech scoops at mountain bike World's in Italy. In: BikeRadar. 17. Juni 2008, abgerufen am 23. September 2023 (amerikanisches Englisch).
  17. Spencer Powlison: Reviewed: Geax Saguaro tubular mountain bike tires. In: Velo. 30. September 2013, abgerufen am 23. September 2023 (amerikanisches Englisch).
  18. David Gordon Wilson, Theodor Bernhard Schmidt, Jim Papadopoulos: Bicycling science. 4th edition Auflage. MIT press, Cambridge 2020, ISBN 978-0-262-53840-4, S. 331 (englisch).
  19. a b C. Calvin Jones: Big Blue Book of Bicycle Repair. 3. Auflage. Park Tool Co., Saint Paul, MN 2013, ISBN 978-0-9765530-4-5, S. 28 ff. (englisch).
  20. Andrew Livesey: Bicycle Engineering and Technology. 1. Auflage. Routledge, New York 2020, ISBN 978-0-367-81684-1, S. 49, doi:10.1201/9780367816841 (englisch).