Satz vom Gnomon
Der Satz vom Gnomon oder auch Satz von den Ergänzungsparallelogrammen ist eine Aussage über Parallelogramme und beschreibt die Flächengleichheit zweier Parallelogramme eines Gnomons.
Aussage
BearbeitenIn einem Parallelogram mit einem Punkt auf der Diagonalen schneidet die Parallele zu durch die Seite in und die Seite in und die Parallele zur Seite durch schneidet die Seite in und die Seite in Der Satz vom Gnomon besagt dann, dass die Parallelogramme und sowie und flächengleich sind.[1][2]
Die von den beiden sich überschneidenden Parallelogrammen und gebildete L-förmige Figur wird als Gnomon bezeichnet. Die Parallelogramme und nennt man Ergänzungsparallelogramme oder Komplemente (zu den inneren Parallelogrammen an der Diagonalen und ).[3]
Herleitung
BearbeitenDer Satz von Gnomon lässt sich recht einfach beweisen, wenn man die Flächen des Ausgangsparallelogramms und der Parallelogramme an der Diagonale betrachtet. Zum einen entspricht deren Differenz genau der gemeinsamen Fläche der beiden Ergänzungsparallelogramme und zum anderen werden sie alle von der Diagonale halbiert und damit gilt:[4]
Anwendungen und Erweiterungen
BearbeitenDer Satz vom Gnomon kann verwendet werden, um zu einem gegebenen Rechteck oder Parallelogramm ein neues flächengleiches Rechteck beziehungsweise Parallelogram zu konstruieren (im Sinne von Konstruktionen mit Zirkel und Lineal). Dies ermöglicht zudem auch die geometrische Konstruktion beziehungsweise Darstellung der Division zweier Zahlen, das heißt, zu zwei als Streckenlängen gegebenen Zahlen konstruiert man eine neue Strecke, deren Länge dem Quotienten der beiden Zahlen entspricht (siehe Zeichnung). Eine weitere Anwendung ist die Übertragung eines Teilungsverhältnisses von einer Strecke auf eine andere (siehe Zeichnung).[1]
Eine analoge Aussage zum Satz vom Gnomon lässt sich im Dreidimensionalen für Parallelepipede formulieren. Hierbei ist ein Punkt auf der Raumdiagonalen des Parallelepipeds und man betrachtet die drei durch verlaufenden Ebenen, die zu den Außenflächen des Parallelepipeds parallel sind. Diese bilden zusammen mit den Außenflächen eine Aufteilung des Parallelepipeds in acht kleinere Parallelepipede. Zwei von diesen Parallelepipeden umschließen die Raumdiagonale und berühren sich in . An diese beiden grenzen nun jeweils drei der restlichen sechs Parallepipede, die hier die Rolle der Ergänzungsparallelogramme beziehungsweise Komplemente im Zweidimensionalen spielen. Zu jedem der beiden an der Diagonale liegenden Parallelepipede existieren also drei Komplemente und es gilt nun, dass die Volumina dieser drei Komplemente gleich groß sind.[2]
Allgemeiner Satz über verschachtelte Parallelogramme
BearbeitenDer Satz vom Gnomon ist ein Spezialfall einer allgemeineren Aussage über verschachtelter Parallelogramme mit einer gemeinsamen Diagonalen. Zu einem gegebenen Parallelogramm betrachten man ein beliebiges inneres Parallelogramm , das ebenfalls als Diagonale besitzt. Weiterhin bildet man die Parallelogramme und , deren Seiten alle zu den Seiten des äußeren Parallelogramm parallel sind und die mit dem inneren Parallelogramm einen Eckpunkt gemeinsam haben. Die Differenz der Flächen dieser beiden Parallelogramme entspricht dann der Fläche des inneren Parallelogramms, das heißt, es gilt:[2]
Den Satz vom Gnomon erhält man als Grenzfall dieser Aussage, wenn man das zu einer geraden Strecke entartete Parallelogramm betrachtet, dessen Eckpunkte alle auf der Diagonalen liegen. Dann liegt insbesondere der gemeinsame Eckpunkt der Parallelogramme und auf der Diagonalen und ihre Flächendifferenz beträgt 0, das heißt, sie sind flächengleich.
Historisches
BearbeitenDer Satz vom Gnomon wird bereits in Euklids Elementen (ca. 300 v. Chr.) beschrieben und spielt dort eine wichtige Rolle bei der Herleitung diverser weiterer Lehrsätze. Der Satz vom Gnomon ist die Proposition 43 im ersten Buch der Elemente. Sie ist dort als Aussage über Parallelogramme formuliert, ohne den Begriff Gnomon selbst zu verwenden. Diesen führt Euklid dann später als zweite Definition im zweiten Buch ein. Weitere Aussagen, bei denen das Gnomon und seine Eigenschaften eine wichtige Rolle spielen, sind die Proposition 6 in Buch II, die Proposition 29 in Buch VI und die Propositionen 1, 2, 3 und 4 in Buch XIII.[5][4][6]
Literatur
Bearbeiten- Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten: Perlen der klassischen Geometrie. Springer 2016, ISBN 978-3-662-53034-4, S. 190–191
- George W. Evans: Some of Euclid's Algebra. The Mathematics Teacher, Band 20, Nr. 3 (März, 1927), S. 127–141 (JSTOR)
- William J. Hazard: Generalizations of the Theorem of Pythagoras and Euclid's Theorem of the Gnomon. The American Mathematical Monthly, Band 36, Nr. 1 (Jan., 1929), S. 32–34 (JSTOR)
- Paolo Vighi, Igino Aschieri: From Art to Mathematics in the Paintings of Theo van Doesburg. In: Vittorio Capecchi (Hrsg.), Massimo Buscema (Hrsg.), Pierluigi Contucci (Hrsg.), Bruno D’Amore (Hrsg.): Applications of Mathematics in Models, Artificial Neural Networks and Arts. Springer, 2010, ISBN 978-90-481-8581-8, S. 601–610, insbesondere S. 303–306
Weblinks
Bearbeiten- Satz vom Gnomon und Definition des Gnomons in Euklids Elementen (englisch)
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Lorenz Halbeisen, Norbert Hungerbühler, Juan Läuchli: Mit harmonischen Verhältnissen zu Kegelschnitten: Perlen der klassischen Geometrie. Springer 2016, ISBN 978-3-662-53034-4, S. 190–191
- ↑ a b c William J. Hazard: Generalizations of the Theorem of Pythagoras and Euclid's Theorem of the Gnomon. The American Mathematical Monthly, Band 36, Nr. 1 (Jan., 1929), S. 32–34 (JSTOR)
- ↑ Johannes Tropfke: Geschichte der Elementarmathematik Ebene Geometrie - Band 4: Ebene Geometrie. Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-162693-2, S. 134-135
- ↑ a b Roger Herz-Fischler: A Mathematical History of the Golden Number. Dover, 2013, ISBN 978-0-486-15232-5, S.35-36
- ↑ Paolo Vighi, Igino Aschieri: From Art to Mathematics in the Paintings of Theo van Doesburg. In: Vittorio Capecchi (Hrsg.), Massimo Buscema (Hrsg.), Pierluigi Contucci (Hrsg.), Bruno D’Amore (Hrsg.): Applications of Mathematics in Models, Artificial Neural Networks and Arts. Springer, 2010, ISBN 978-90-481-8581-8, S. 601–610, insbesondere S. 303–306
- ↑ George W. Evans: Some of Euclid's Algebra. The Mathematics Teacher, Band 20, Nr. 3 (März, 1927), S. 127–141 (JSTOR)