Rudolf Hierl (Architekt)

Deutscher Architekt und Professor

Rudolf Hierl (* 1958 in Neumarkt in der Oberpfalz) ist ein deutscher Architekt und Stadtplaner.

Werdegang Bearbeiten

Hierl studierte zunächst zwischen 1977 und 1979 Germanistik und Theaterwissenschaft in Erlangen. Anschließend begann er ein Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin, das er 1985 mit einem Diplom bei Otto Steidle abschloss. 1983 machte Hierl eine Studienreise durch die USA mit Gastbesuchen an der UCLA und der Columbia University in New York. Seine berufliche Laufbahn begann 1985 mit einer Mitarbeit im Büro Steidle + Partner, darauf folgte eine Tätigkeit in der verantwortlichen Position für den Umbau der Hauptstelle der Stadtsparkasse München bei Paolo Nestler bis 1987. 1987 eröffnete Hierl sein eigenes Architekturbüro in München.[1] Parallel begann er mit der Arbeit an seiner Doktorarbeit über das Neue Bauen im Berlin der 1920er-Jahre und forschte zu der Monographie des Architekten Erwin Anton Gutkind.[2] 1989 folgten Dissertation[3] und Promotion bei Heinrich Klotz und Otto Steidle an der Philipps-Universität Marburg.

Hierl ist im Bund deutscher Architekten tätig und war 2017 Mitverfasser des Beitrags des BDA „Standards im Wohnungsbau. Kontroverse zur aktuellen Rechtslage“.[4]

Lehrtätigkeit Bearbeiten

1995 wurde Hierl an die Architekturfakultät der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg berufen.[5] In den Jahren 2007 bis 2010 hielt er das Dekanat an der Architekturfakultät der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. Er initiierte dort das System der „Teaching Offices“[6] und die „Halle A Lectures“.

Gestaltungsbeiräte und Mitgliedschaften Bearbeiten

Projekte Bearbeiten

Hierl entwickelt für unterschiedliche Bauaufgaben spezifische und eigenständige prototypische Lösungen so seine Beiträge für Jugendherbergen, für das Staatsarchiv in Landshut, für den Neubau der Hauptverwaltung der Paulaner Brauerei[8][9] und vor allem seine Beiträge zum Wohnungsbau: Wohnbau am Gebirgsjägerplatz in Salzburg, Hochhaus in der Baierbrunner Straße, Konversion AGFA-Gelände, Künstlerateliers unter Brücke in der Ganghofer Straße.[10] Die Hinwendung zum Wohnungsbau und die vertiefte Befassung damit gehen auf Vorbild, Wirken und Einfluss von Otto Steidle zurück, der ihn beginnend mit der Doktorarbeit anhaltend dazu ermuntert hat.

Neue Hauptverwaltung der Paulaner Brauerei München Bearbeiten

Hierl und sein Team realisierten bei diesem Projekt ihren Vorschlag, das klassizistische Brauerei-Gebäudeteil des Altbaus von Franz Xaver Zacherl von 1822 mit seinen 1,5 Meter dicken Ziegelmauern mit einem modernen Neubau zu verbinden. Der Altbau geht dabei in eine filigrane Fassadenstruktur aus weißem Sichtbeton über. Schmale Fensterbänder in regelmäßiger Anordnung nivellieren zu einem engen Takt und reduzieren die tragende Frontfläche auf das Wesentliche. Der zweigeschossige Altbau wurde in einen dreigeschossigen Neubau überführt. Dieser wurde weitgehend aus Fertigbauteilen errichtet, darunter einer tragenden Stahlbetonfassade außen. Sie besteht aus Pfeilern und einer freitragenden Systemdecke. Der Baukörper bildet ein Geviert, das den Innenhof integriert. Der Haupteingang führt in eine 6 Meter hohe Foyerhalle. Im Untergeschoss wurde ein altes Gewölbe restauriert und dient Veranstaltungen.[11][12]

Städtebauliche Entwicklung Agfa Gelände in München Bearbeiten

Auf dem ehemaligen Gelände des 2008 gesprengten Agfa-Hochhauses in Obergiesing entstanden als neu angelegter Weißensee Park mehrere vier- bis achtstöckige, U-förmige Hauptgruppen, von denen die mittlere an der Weißenseestraße durch Hierl und Team realisiert wurde. Hierl konzipierte hier, dass die klassische Kleinfamilie – Vater, Mutter, Kinder – nicht mehr zeitgemäß für den gegenwärtigen Wohnungsbau sei und nahm daher vom „Prinzip des Stapelns“ von Wohnungen und einer damit einhergehenden Standardisierung Abstand. Individuelle Aspekte von Serienwohnungen wurden durch geschossweise versetzte, wohnungsbezogene, an der Außenfassade liegende Freiflächen sowie plastische Baukörpermodellierung mit feinen Farbnivellierungen der Außenfassaden herausgearbeitet. Loggien, Wintergärten, Erker wechseln sich dabei ab. Zum Innenhof hin haben die Wohnungen offene Balkone oder Balkon-Loggien.[13][14][15][16]

Wohnturm an der Isar Bearbeiten

Hierl schuf mit diesem 50 Meter hohen Turm ein Wohnhochhaus neuer Art auf dem ehemaligen Siemensgelände zwischen Obersendling und Solln als Teil eines neu entstandenen Wohnviertels. Der Baukörper erhält durch diagonal verlaufende Fenster eine gestreckte, schlanke Form. Im Gegensatz zu früherer Bauweise wurde hier angestrebt, der äußeren Form eine wichtige Rolle zuzugestehen. Vorgesehen waren im Bebauungsplan fünfeckige Hochhäuser, was Hierl mit einem nahezu quadratischen Entwurf mit gerundeten Ecken durchbrach. Der Vorteil besteht in Lichtgewinn, da jede Wohnung mindestens zwei Seiten zum Licht besitzt. Die einzelnen Wohnungen haben unterschiedliche Formen, Größen und variable, dem Nutzungszyklus angepasste Grundrisse. Es gibt zwei, drei oder fünf Wohnungen je Etage. Brüstungen mit nur 40 cm konnten entgegen bestehender Richtlinien durchgesetzt werden. Die 16 Stockwerke sind als versetzte Einzelelemente übereinandergesetzt. Hierl erklärt dazu: „Jedes Stockwerk rotiert und hat einen anderen Grundriss. Das ist konstruktiv mit einem gewissen Aufwand verbunden. So entstand erstens die Diagonale, die den Körper streckt, und das Zweite ist die Doppelhelix. Dieses sich um die eigene Achse Drehen erzeugt optisch mehr Vertikalität.“[17][18][19]

Weitere Projekte (Auswahl) Bearbeiten

Wettbewerbspreise Bearbeiten

Hierl gewann zahlreiche Wettbewerbe mit Erstplatzierungen, darunter:

  • Neubau eines Gebäudeensembles im businessPARK, Regensburg[33]
  • AGFA Gelände, München[34]
  • Theresienhöhe WA 2 München, Grundschule Theresienhöhe München & Fassadengestaltung Stadtteilzentrum Nordheide, Milbertshofen[35]
  • Realisierungswettbewerb Staatsarchiv, Landshut[36]
  • Erweiterung der Fachhochschule, München[37]

Preise Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Bücher

  • Rudolf Hierl: Erwin Gutkind 1886–1968. Architektur als Stadtraumkunst. Birkhäuser, Basel/Berlin/Boston 1992. ISBN 978-3-7643-2689-0

Fachartikel

  • Andreas Meck und Rudolf Hierl. Kontinuum Stadt und spezieller Ort (Interview). In: Florian Aicher u. a. (Hrsg.): Im Gespräch – Bauen in Bayern. Zum 25jährigen Bestehen der Bayerischen Architektenkammer. Callwey, München 1996. ISBN 978-3-7667-1246-2, S. 139–146
  • Rudolf Hierl: Kosten- und qualitätsbewusstes Bauen. In: Christian Schittich (Hrsg.): im DETAIL: Kosteneffizient Bauen. Ökonomische Konzepte – Wirtschaftliche Konstruktionen. Edition Detail, Birkhäuser, München 2007, ISBN 978-3-7643-8413-5
  • Stadtraum und Fassade. In: DETAIL. Zeitschrift für Architektur+Baudetail. Serie 1990/4. ISSN 0011-9571 S. 352–356

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Offizielle Homepage. Hierl Architekten BDA DWB, abgerufen am 17. September 2017.
  2. Rudolf Hierl: Erwin Gutkind 1886–1968. Architektur als Stadtraumkunst. Birkhäuser, 1992, ISBN 3-7643-2689-1
  3. Hierl, R. (1989). Erwin Anton Gutkind: „Neues Bauen“ im Berlin der Weimarer Republik.
  4. Standards im Wohnungsbau. Kontroverse zur aktuellen Rechtslage
  5. Kontakt und Personen. Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, abgerufen am 17. September 2017.
  6. Projekt "Raum schaffen" an der HS.R ARCH (abgerufen am 23. Sept. 2017)
  7. Vorstellung des Gestaltungsbeirats Freising. architektur aktuell Freising e.V., abgerufen am 17. September 2017.
  8. domus: Paulaner Headquarters. Restoring an old brewery, German studio Hierl Architekten has designed an office building in Munich, a courtyard development with flexible, variable and non hierarchical spaces. (abgerufen am 23. Sept. 2017)
  9. Brauhaus Reloaded Hierl bauen Paulaner-Verwaltung in München. BauNetz, 27. Juni 2017, abgerufen am 17. September 2017.
  10. Projekte. Hierl Architekten BDA DWB, abgerufen am 17. September 2017.
  11. Tradition und Moderne: Neues Paulaner Verwaltungszentrum am alten Standort. CUBE – Das Münchener Magazin für Architektur, modernes Wohnen und Lebensart. 03-2017. S. 24–25 Online (Memento des Originals vom 2. Oktober 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cube-magazin.de
  12. Paulaner-Brauerei in München: Im Dialog zwischen Alt und Neu. Baumit. Architektur-Spezial. 02.2017. S. 6–13 Online
  13. Das Wohnen wandelt sich. Neue Wohnraumkonzepte für neue Familien. CUBE – Das Münchener Magazin für Architektur, modernes Wohnen und Lebensart. 02-2014. S. 17–18 Online
  14. WOCON 7. AGFA Park in München. Architektur Exklusive Lifestyle. Januar/Februar 2015. S. 66–67
  15. Baumeister. Zeitschrift für Architektur. April 2008. S. 10
  16. Oliver Herwig: Der Brückenbauer. Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2007, S. 26
  17. IsarBelle - Die Schöne an der Isar. Individueller Wohnturm statt „Stapelbude“. CUBE Das Metropolmagazin für Architektur, modernes Wohnen und Lebensart. 01/2014. S. 18–20 Online
  18. Immobilien Spezial 2015. S. 72–73
  19. Architektur Mai/Juni 2014. S. 66–67
  20. Erst&Sohn Special Wohnungsbau. Neubau - Umbau - Sanierung. Juni 2017 A61029. S. 74–77
  21. NEUBAU-IMMOBILIEN MÜNCHEN Das Online-Magazin für aktuelle Bauträger-Projekte in München: Münchens neues Wohnquartier: Am Mühlbach Online (Memento des Originals vom 24. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/neubau-muenchen.com
  22. DETAIL. Serie 2014 Nr. 3. S. 184–195
  23. Urbane Wohnimmobilien. Squaremeter. Heft 1 Okt. 2014. S. 46–48.
  24. Baumeister B4 Zeitschrift für Architektur April 2007. S. 70–75.
  25. Bauwelt. 03/2006. S. 12–17
  26. Landeshauptstadt München. Referat für Stadtplanung und Bauordnung.Ideenwettbewerb 2006. S. 48–51
  27. Baumeister. Zeitschrift für Architektur. Sonderveröffentlichung Okt. 2006. S. 34–35.
  28. Erlesenes für die Einkaufsmeile. Süddeutsche Zeitung, 14. Nov. 2003, S. 44.
  29. Geradläufige Treppen. Ursula Baus, Klaus Siegele. Gestaltung, Konstruktion, Beispiele. Deutsche Verlagsanstalt 2009
  30. DETAIL. Zeitschrift für Architektur+Bautedail. Serie 2004, Mai. S. 486–489
  31. BETON PRISMA. Nr. 76, 1999. S. 26
  32. intelligente Architektur. Zeitschrift für Architekten und Ingenieure im Bauwesen. Nov. 1998. S. 64–69.
  33. Wettbewerb Aktuell 9/2012
  34. Bayerische Architektenkammer. Architektenwettbewerbe in Bayern 2006-2009
  35. Bayerische Architektenkammer. Architektenwettbewerbe in Bayern. 2000-2005
  36. Wettbewerbe aktuell. Sonderdruck 9/1993
  37. Ideenwettbewerb für die Erweiterung der Fachhochschule München. Auslobender: Freistaat Bayern, vertreten durch das Bauamt Technische Universität München. 1991. Verlag Wettbewerb aktuell München