Renato Usatîi

moldauischer Politiker

Renato Usatîi (russisch Ренато Усатый Renato Usaty, * 1978 in Fălești, Moldauische SSR;[1]) ist ein moldauischer Unternehmer und Politiker der Partei Partidul Nostru. Er leitet das Unternehmen WPT-NN mit Sitz in Nischni Nowgorod, welches im Eisenbahnbereich tätig ist. Im Zuge der Kommunalwahlen im Juni 2015 wurde Usatîi mit rund 72 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Bălți, der zweitgrößten Stadt Moldaus, gewählt.[2]

Renato Usatîi

Leben Bearbeiten

Renato Usatîi wurde im Norden Moldaus geboren, sein Vater Georgi war Englischprofessor.[3] Der junge Renato gewann 1994 den ersten Platz der moldauischen Englischolympiade[4] und schloss später ein Studium an der Staatlichen Universität Bălți ab.

Von 2000 bis 2001 arbeitete Usatîi als Aufsichtsbeamter am Flughafen Chișinău. 2002 nahm er eine Stelle als Ingenieur bei der moldauischen Eisenbahn an, bevor er 2005 nach Nischni Nowgorod in Russland emigrierte. Dort übernahm er die Leitung des Unternehmens WPT-NN,[5] das metallische Bauteile und Werkzeuge für Züge und Eisenbahnen herstellt.[6] Durch diese Tätigkeit besitzt er ein hohes Vermögen. In seiner moldauischen Heimat betätigte er sich als Philanthrop und spendete hohe Geldsummen unter anderem an Schulen, Kirchen und Sportprojekte.[7]

Usatîi ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Politische Karriere Bearbeiten

Ab Anfang 2014 wurde Usatîi in der moldauischen Politik aktiv. Er vertritt prorussische und EU-kritische Positionen[8] und gibt an, gegen die Korruption im Land vorgehen zu wollen. Besonders den amtierenden Pro-EU-Parteien PLDM und PDM wird nachgesagt, dass sie fest in der Hand von Oligarchen seien.[9][10] Usatîi übernahm im Frühjahr 2014 die Führung der Partei Partidul Popular Republican, die bis dahin von Nicolae Andronic geleitet wurde,[11] und benannte diese in „Partidul Nostru — Наша Партия“ um.[12] Ein moldauisches Gericht erklärte diesen Schritt im Juni 2014 für ungültig. Daraufhin rief er eine eigene Partei ins Leben, deren Gründung jedoch im September 2014 von einem Gericht abermals für ungültig erklärt wurde. Daraufhin gab Usatîi am 30. September 2014 bekannt, bei den anstehenden Parlamentswahlen des Landes für die Partei Patria antreten zu wollen, die bis dahin vom ehemaligen moldauischen Botschafter in Rumänien, Emilian Ciobu, geführt wurde.

Im Laufe des Jahres 2014 nahm Usatîis Beliebtheit sprunghaft zu,[13] bei Umfragen lag er bei teils deutlich über 15 %, in Medien wurde er teils als Phänomen gehandelt.[14] Mit pompösen Wahlkampfveranstaltungen mit Live-Konzerten gelang es ihm insbesondere junge Wähler anzusprechen.[15] Usatîis Erfolg gefährdete den Fortbestand der amtierenden Pro-EU-Koalition.[16]

Das moldauische Berufungsgericht schloss Usatîis Partei Patria am 27. November 2014, weniger als drei Tage vor der Wahl, von der Parlamentswahl aus.[17] Mitglieder von Usatîis Partei wurden festgenommen.[18] Patria solle Parteispenden in Höhe von 400.000 € aus Russland erhalten haben.[19] Usatîi vermutete dahinter ein politisches Motiv und legte Berufung dagegen ein,[20] die jedoch einen Tag vor der Wahl definitiv abgelehnt wurde.[21] Andere Parteien hatten nachgewiesenermaßen ebenfalls nicht deklarierte Wahlkampfspenden erhalten, waren aber nicht juristisch verfolgt worden.[22] Der Kopf der EU-Delegation in der Republik Moldau, Pirkka Tapiola, zeigte sich „besorgt“ über den Ausschluss,[23] ebenso wie die US-Botschaft in Chișinău[24], der deutsche Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko nannte diese Entscheidung „unvereinbar mit demokratischen Standards“.[25] Nach der Wahl erklärte der Vorsitzende des moldauischen Verfassungsgerichts, der Ausschluss bei der Wahl sei „übereilt“ durchgeführt worden.[26] Usatîi ist inzwischen Vorsitzender der Partei Partidul Nostru.

Bei den Kommunalwahlen 2015 trat Usatîi als Bürgermeisterkandidat in Bălți, der zweitgrößten Stadt des Landes, an. Er erreichte 72,5 % der Stimmen und kam erstmals 2. Juli 2015 ins Amt. 2018 trat er wieder zurück.[27] 2019 wurde er wiedergewählt.[28]

Im September 2015 begannen die Massenproteste gegen die Politik der moldauischen Regierung. Als Vorsitzender der Partidul Nostru verlangte Usatîi den Rücktritt des Präsidenten, den Generalstaatsanwalt, die Leiter der moldauischen Nationalbank und der Zentralen Wahlkommission.[29] Im Januar 2016 leitete die Generalstaatsanwaltschaft von Moldau ein Strafverfahren gegen Usatîi wegen Drohungen gegen die Staatsbeamten während der Massenproteste ein. Initiiert wurde das Verfahren von Nicolae Timofti, dem damaligen Präsidenten des Landes.[30]

Bei Umfragen im Jahr 2019 wurde Usatîi zum neunt- bzw. zehntbeliebtesten Politiker des Landes gewählt.[31][32]

Im Jahr 2020 setzte Russland Usatîi auf eine Liste von aufgrund von Finanzvergehen gesuchten Personen.[33]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Lebenslauf (Memento vom 20. November 2014 im Internet Archive) (russisch/rumänisch). Abgerufen am 1. April 2024.
  2. Moldau: Denkzettel für proeuropäische Regierung bei Lokalwahl. In: derStandard.at. 15. Juni 2015, abgerufen am 17. Dezember 2017.
  3. protv.md
  4. Renato Usatîi. Istoria unui gastarbeiter moldovean (Memento vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive). Abgerufen am 1. April 2024.
  5. allmoldova.com (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive). Abgerufen am 1. April 2024.
  6. vpt-nn.ru
  7. ziarulnational.md
  8. Steffen Dobbert: Auftritt des Möchtegern-Diktators, zeit.de 19. November 2014.
  9. Matthias Krupa: Er wäre so gern Diktator. Renato Usatii wird von Killern verfolgt. Sagt er. In Russland hat er Millionen verdient. Nun macht er in Moldau Wahlkampf – und versucht, das Land Richtung Moskau zu lenken. In: Die Zeit. 27. November 2014, S. 9.
  10. Anna Jikhareva: Putins moldauischer Freund. Basler Zeitung, 28. November 2014, abgerufen am 29. November 2014.
  11. timpul.md
  12. kommersant.md
  13. Moldau: Schicksalswahl am Rande Europas. In: DiePresse.com. 28. November 2014, abgerufen am 27. Januar 2018.
  14. (Memento des Originals vom 2. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/a-tv.md
  15. handelsblatt.com
  16. noi.md
  17. Curtea de Apel Chişinău A DECIS! Partidul "Patria" este EXCLUS din campania electorală. PUBLIKA.MD, 27. November 2014, abgerufen am 29. November 2014.
  18. Активисту Patria Николаю Циповичу продлили арест еще на 30 суток. In: Point.md. (point.md [abgerufen am 21. August 2018]).
  19. Republik Moldau – Wahl zwischen Ost oder West, DeutschlandfunkHintergrund vom 29. November 2014.
  20. FAZ über die Umstände der Wahl
  21. Curtea Supremă de Justiție A DECIS! Oficial, Partidul "Patria" a fost EXCLUS din cursa electorală. PUBLIKA.MD, 29. November 2014, abgerufen am 2. Januar 2015.
  22. Молдавское правосудие избирательно по отношению к партиям, эксперты. In: Point.md. (point.md [abgerufen am 21. August 2018]).
  23. Глава делегации ЕС в Молдове выражает озабоченность в связи с исключением «Patria» из предвыборной гонки. Abgerufen am 21. August 2018.
  24. (Memento des Originals vom 10. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.moldova.org
  25. Moldawien: Wahlausschluss der Heimatpartei unvereinbar mit demokratischen Standards. In: Andrej Hunko, MdB. (andrej-hunko.de [abgerufen am 21. August 2018]).
  26. Глава КС признал, что Patria была отстранена от выборов «слишком стремительно». In: Point.md. (point.md [abgerufen am 21. August 2018]).
  27. moldova.org
  28. ro.sputnik.md
  29. Кто если не мы??? Ренато Усатый объявил о начале бессрочного массового протеста с 27 сентября. 21. September 2015, abgerufen am 14. Januar 2020 (russisch).
  30. В Молдове за угрозы президенту открыли уголовное дело против лидера пророссийской партии. 19. Januar 2016, abgerufen am 14. Januar 2020 (russisch).
  31. unimedia.info
  32. protv.md
  33. balkaninsight.com