Rats-Apotheke (Braunschweig)

Apotheke in Braunschweig

Die Rats-Apotheke, auch Ratsapotheke, in Braunschweig war die älteste offizielle Apotheke der Stadt. Sie wurde 1479 auf einem 1476 vom Rat der Stadt erworbenen Grundstück (Nr. 446) am Eiermarkt, Ecke Garküche im Weichbild Altstadt eingerichtet. Sie war Eigentum des Rates und wurde in alten Urkunden auch seit 1476 als „des rades apoteke“ bezeichnet.[1] Es folgten 1677 die Apotheke am Hagenmarkt im Weichbild Hagen, 1720 die Hof-Apotheke in der Schuhstraße im Weichbild Sack und 1750 die Aegidien-Apotheke am Ägidienmarkt, später Stobenstraße 12. Diese vier blieben für lange Zeit die einzigen Apotheken in der Stadt.

Rats-Apotheke, Eiermarkt Nr. 1.
Eiermarkt, Grundstück 446
Braunschweig 1798
Grundstück 444–447 im Plan Braunschweig um 1798, Friedrich Wilhelm Culemann

Geschichte

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Mit der Einrichtung der Rats-Apotheke wurden alle bisherigen privaten Einrichtungen abgeschafft, wobei einige später heimlich und illegal als sogenannte „Winkelapotheken“ betrieben wurden. Die Oberaufsicht und Leitung oblag zwei oder drei Apothekenherren, die aus dem engen Umfeld der Ratsherren (möglich waren auch nahe Verwandte) stammten. Ihre Aufgabe bestand darin dafür zu sorgen, dass die Apotheke Überschüsse erwirtschaftete. In den Geschäftsräumen wurde eine Kiste aufgestellt in der alle Einnahmen gesammelt wurden und die ausschließlich von diesen Herren geöffnet werden durfte. Die Gelder wurden zum einen für die Gehälter des Stadtphysicus und des Apothekers für dessen Angestellte, zum anderen für den Erwerb der notwendigen Zutaten für die herzustellenden Medikamente verwendet. Die Einkäufe wurden zumeist durch die Apothekenherren vorgenommen, wobei sie dafür die Messen in Frankfurt am Main und in Leipzig nutzten. Zu den Pflichten des Apothekers gehörte der regelmäßige Bestandsbericht über die vorhandenen Waren an die Herren.[2]

 
Rats-Apotheke am Eiermarkt (Johann Georg Beck, um 1717)

Apothekenhandel

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Zu den Gütern, die in der Apotheke verkauft wurden, zählten neben den eigentlichen pharmazeutischen Waren vor allem Gewürze, Zucker, Honig, Südfrüchte, Weinerzeugnisse und Branntwein. Dazu kam noch der Handel mit Papier, Tinte und Bindfäden, die insbesondere für die Schreibstuben des Rates benötigt wurden. Die Arzneimittelherstellung wurde streng durch den Stadtphysikus überwacht, der dem Rat auch beratend zur Seite stand.

Des Weiteren war der Apotheker verpflichtet einen Eid zu schwören, wobei er die Apotheke stets so verwalten musste, als wäre es seine eigene. Es war ihm erlaubt im Krankheitsfall innerhalb seiner Familie Medizin aus dem Vorrat zu entnehmen. Verboten war es ihm jedoch, eigene Arzneien herzustellen und diese auf eigene Rechnung zu verkaufen. Er durfte die Medizin nur nach den genauen Vorgaben der Ärzte herstellen. Gift und Abtreibungsmittel musste er sicher verwahren und durfte sie nur nach Rücksprache und Genehmigung mit dem Arzt herausgeben. Die Preise für die Waren wurden durch den Rat bestimmt und es mussten alle Kunden den gleichen Preis zahlen, egal ob arm oder vermögend. Ausgenommen waren die Hospitäler und Beginenhäuser der Stadt, ihnen wurden die Medikamente mit Genehmigung der Apothekenherren kostenlos überlassen. Schwer zu kontrollieren war der Verkauf der nicht pharmazeutischen Güter, wie Weine, Klaret oder Krudere (Gewürze, Zucker, Früchte).

Verboten war es dem Apotheker auch, selbst Patienten zu kurieren oder eine Harnschau vorzunehmen und er musste über alle Ausgaben und Einnahmen genaustens Rechnung ablegen. Eine Mitwirkung beim Verkauf durch die Ehefrau war ihm gestattet, wobei sie, wie alle anderen Bediensteten die Einnahmen in die Geldkiste legen musste.

Zu den Angestellten der Apotheke gehörten zum einen die Destilliere, ausgebildete Apotheker, die im Laboratorium mit der Herstellung der Arzneien beschäftigt waren. Auch diese mussten einen für ihre Tätigkeit vorgesehenen Eid leisten und es war ihnen strengstens verboten eigene Präparate zu extrahieren und den Physiki Konkurrenz, etwa bei den Vorgaben für die Einnahme zu machen. Über die Entnahme aus dem Apothekenbestand musste Buch geführt werden. Die zweite Gruppe der Bediensteten waren die Apothekerknechte oder Gehilfen, Lehrjungen und Gesellen, aber teilweise auch ungelernte für einfache Arbeiten.[2]

Ratsgelage, Krieg und Konkurrenz

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Da die Rats-Apotheke verpflichtet war kostenlos Gewürze, Südfrüchte, Zuckerwaren und Weine aller Art zu den regelmäßig stattfindenden, oft üppigen Gelagen des Rates zu liefern, war ihr Betrieb nicht sehr rentabel. Das Verbot des Weinhandels für die Apotheke im Jahr 1609, die den Verkauf nur noch den städtischen Weinkellern erlaubte, verbesserte die Lage nicht wesentlich. Doch scheint der Betrieb bis ins 17. Jahrhundert hinein, dem Rat rentabel genug gewesen zu sein. Mit dem Einsetzen des Dreißigjährigen Kriegs verschlechterte sich die Wirtschaftslage zusehends. Die Apotheke verschuldete sich und bot inzwischen ein weitaus größeres Angebot an Waren. Während sie im Jahr 1508 rund 438 Sorten angeboten hatte, waren es 1671 3121. Im Jahr 1657 wurde die Rats-Apotheke, aufgrund der Verseuchung durch die Pest, für ein Jahr geschlossen.[3]

Im Jahr 1746 gab es neben den drei offiziellen Apotheken (damals die Rats-Apotheke, die Remmingersche [oder Rennigersche] Apotheke und die Hinnübersche Apotheke) eine Reihe von sogenannten Gewürzkrämern. Diese waren ausgebildete Apotheker, die sich ohne Examen und herzogliches Privilegium, jedoch mit der Genehmigung des Magistrats in der Stadt niedergelassen hatten. Daher führten die 3 Apotheken einen Kampf ums Dasein. Die in Konkurs gegangene Hinnübersche Apothene erwarb Herzog Karl I. 1746, wobei er den bisherigen Verwalter Sander als Fürstlichen Apotheker einsetzte. Er drängte bereits seit 1733 den Bürgermeister jedem der kleinen Apotheker 10 Taler Strafe aufzuerlegen und sie zudem schließen zu lassen. 1747 waren noch 8 von ihnen tätig. Der Herzog beschloss alle Apotheker durch den Dekan und Vorsitzende des am 4. Januar 1747 errichteten herzogliche „Collegium Medicum“ (das spätere Obersanitäts-Kollegium), Hofrat Maibom, einem Examen zu unterwerfen, nach dessen Bestehen sie noch 3 Jahre im Besitz ihrer Apotheke privilegiert werden sollten, danach mussten sie die Stadt verlassen und sich Orten zuwenden, wo es bisher keine Apotheke gab. Das „Collegium Medicum“ wurde bereits ab 1745 in der sogenannten „Herrenstube“ der Ratsapotheke eingerichtet worden. Geleitet wurde es ab 1749 durch den Deken Maibom aus Hannover, der zugleich zum Leibmedikus des Herzogs ernannt wurde.

Die Verstaatlichung der Apotheken

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Der Pachtvertrag für die Rats-Apotheke mit dem Pächter Koch war 1748 ausgelaufen und wurde auf Geheiß des Herzogs nicht verlängert. Er durfte sie noch bis zur Übernahme durch den Herzog am 12. Januar 1750 führen. Fortan zahlte der Herzog für die Nutzung des Gebäudes und des Inventars 500 Taler an den Rat. Zugleich wurde die Einrichtung eines zentralen Laboratoriums und einer großen Materialhandlung in den Räumen der Rats-Apotheke und im Nebenhaus beschlossen. Aus Platzmangel wurde das „Collegium Medicum“ in die Hof-Hpotheke in die Schuhstraße verlegt. Auch das Previlegium der Apotheke am Hagenmarkt war durch den Tod des Apothekers Remminger [Renniger] ausgelaufen. Aufgrund der Pläne zur Verstaatlichung wurde seinem Schwiegersoh Reichmannn trotz seines Ersuchens vom 11. Dezember 1745 kein Privileguim erteilt.[4]

Von 1750 bis 1771 gab es dann nur noch vier offizielle fürstliche Staatsapotheken in der Stadt und insgesamt 11 im Herzogtum. Doch kam es bald zu vermehrten Klagen über zu hohe Preise und schlechte Qualität der Medikamente, so wurden ab 1771 schließlich alle Apotheken wieder privatisiert und die Apotheker mit Privilegien versehen, die in der Stadt erst in den 1890er Jahren abgelöst wurden.[5]

Nach der Verstaatlichung wurde der Garten der Rats-Apotheke in einen medizinischen Kräutergarten umgewandelt. Nachdem Johann Friedrich Reichmann, der vormalige Besitzer der Apotheke am Hagenmarkt, 1752 dort entlassen und trotz seiner Kenntnisse nicht als Fürstlicher Apotheker angestellt worden war, wurde er zunächst Leiter des Laboratoriums und der Materialhandlung. Im Herbst 1759 wurde er dann als Oberapotheker und Leiter des Apothekenwesens vereidigt und kurz darauf auch Administrator der fürstlichen Apotheke am Eiermarkt. Er bezog auch die dortige Wohnung, die der Dekan Maibom ihm überlassen musste. Als die Apotheken ab 1771 wieder privatisiert wurden, erwarb Reichmann die ehemalige Rats-Apotheke am Eiermarkt für 10 000 Taler.[6]

St. Martini-Apotheke

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Seit der Übernahme der Apotheke und der Materialhandlung durch Reichmann wurde die Apotheke später auch, aufgrund ihrer nähe zur Kirche St. Martini, „St. Martini-Apotheke“ genannt. Die Gebäude umfassten die Grundstücke Ass. Nr. 445 (Garküche), 446 (Eiermarkt) bis Nr. 447 (Jacobstrasse).

Dort befanden sich zuvor zwei Bürgerhäuser. Das eine, das sich an der Ecke zur Garküche befand, stammte aus dem Jahr 1386 und gehörte seit 1458 Hennig Vischer. Er verkaufte es im Jahr 1476 an den Rat. Im Jahr 1552 wurde es ersetzt und die Apotheke durch den Rat neu aufgebaut.[1] Das Eckhaus zur Jacobstraße gehörte vermutlich anfangs einer Familie Kerkhof. 1753 wurde es mit der Fürstlichen Apotheke vereinigt. Diese Häuser erwarb dann 1777 der Apotheker Reichmann und ließ sie umbauen.[7]

Andreas Wilhelm Kahlert wurde in hier von dem Apotheker August Christian Graberg ausgebildet. Er übernahm am 1. April 1818 die Apotheke von Graberg und verkaufte sie 1836 wieder. Er hatte zugleich aus deren Bestand 1818 die „Fabrik chemisch-pharmazeutischer Präparate und Großdrogenhandlung Wilh. Kahlert“ gegründet, starb jedoch 1838 kurz nach dem Verkauf der Apotheke.[8]

Am 16. Januar 1959 zog die St.-Martini-Apotheke vom Eiermarkt in den Neubau am Altstadtmarkt um. Unter diesem Namen war sie von 1952 bis 1995 als Besitz von Kurt Fracke im Handelsregister verzeichnet.[9]

Gebäude von 1777

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Fürstlich previligierte Apotheke und Materielhandlung Joh. Friedrich Reichmann (Anton August Beck, um 1778)

Das bisherige Gebäude der ehemaligen Rats-Apotheke ließ Johann Friedrich Reichmann im Jahr 1777 durch einen Neubau (Spätbarock) ersetzen. Es erstreckte sich nun von der Garküche über die Frontseite zum Eiermarkt bis in die Jacobstraße hinein. Die Keller der drei vorher vorherigen Häuser wurden als Fundamente genutzt.[10] Das Erdgeschoss war in massiver Bauweise, die Etagen darüber als Fachwerkbau ausgeführt. Dabei sind neun Achsen (Fensterfronten) zum Eiermarkt ausgerichtet und jeweils drei Achsen in den angrenzenden Straßen. Im Bereich des Daches waren geschwungene Giebel angebracht, auf denen Vasen standen. Die drei Zugänge waren über Freitreppen zugänglich. Der mittlere Eingang war für die Bewohner des Hauses bestimmt, der linke führte zum Verkaufsraum und der rechte zum Laboratorium. Die metallenen Vasen ließ der Apotheker Georg Heinrich Hermann Baesecke (um 1840 – 13. Dezember 1926) entfernen, dem das Gebäude 1920 gehörte. Die von Anton August Beck angefertigte Skizze entspricht weitgehend der späteren Umsetzung, lediglich die vollständige Bossage der Seitenrisalite wurde nicht ausgeführt.[11] Besitzer war seit 1926 der Apotheker Paul Baesecke.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b Heinrich Meier: Eiermarkt. In: Die Strassennamen der Stadt Braunschweig. Julius Zwissler, Wolfenbüttel 1904, S. 38–39 (Textarchiv – Internet Archive).
  2. a b Werner Spieß: IV. Das Apothekenwesen. In: . Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit 1491–1671. Vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende der Stadtfreiheit 1491–1671. 2. Halbband, Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag, Braunschweig 1966, S. 567–569.
  3. A. Eilers: Die Staatsapotheken in Braunschweig 1750–71. Denter & Nicolas, Berlin 1898, doi:10.24355/dbbs.084-200812160100-4, S. 6 (leopard.tu-braunschweig.de).
  4. A. Eilers: Die Staatsapotheken in Braunschweig 1750–71. Denter & Nicolas, Berlin 1898, doi:10.24355/dbbs.084-200812160100-4, S. 9–11 (leopard.tu-braunschweig.de).
  5. Julius Berendes: 18. Jahrhundert, Braunschweig (die Stadt). In: Das Apothekenwesen; seine Entstehung und geschichtliche Entwickelung bis zum XX. Jahrhundert. Enke, Stuttgart 1907, S. 193–194 (Textarchiv – Internet Archive).
  6. A. Eilers: Die Staatsapotheken in Braunschweig 1750–71. Denter & Nicolas, Berlin 1898, doi:10.24355/dbbs.084-200812160100-4, S. 47 (leopard.tu-braunschweig.de).
  7. Heinrich Meier: Nachrichten über Bürgerhäuser früherer Jahrhunderte. In: Paul Zimmermann (Hrsg.): Braunschweigisches Magazin. 3. Jahrgang. Waisenhaus Buchdruckerei, Braunschweig 1897, Abschnitt: 2. Die Michaelisbauerschaft, S. 29–30 (Textarchiv – Internet Archive).
  8. Vermischte Nachrichten. In: Chemiker-Zeitung. 42. Jahrgang. Verlag der Chemiker-Zeitung Otto v. Halem, Köthen 1918, S. 237 (Textarchiv – Internet Archive).
  9. St. Martini-Apotheke früher Ratsapotheke northdata.de.
  10. Willi Luckhaus: Das Bürgerhaus des Barock in der Stadt Braunschweig (2. Fortsetzung). In: Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen. 66. Jahrgang, Heft 7. C. V. Engelhard, Hannover 1920, Sp. 105–115, hier Sp. 113–114 (Textarchiv – Internet Archive).
  11. Willi Luckhaus: Das Bürgerhaus des Barock in der Stadt Braunschweig (6. Fortsetzung). In: Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen. 66. Jahrgang, Heft 11. C. V. Engelhard, Hannover 1920, Sp. 169–172 (Textarchiv – Internet Archive).

Koordinaten: 52° 15′ 43,2″ N, 10° 31′ 2,1″ O