Raphael von Pornassio (* vermutlich 1388 in Pornassio; † 26. Februar 1467 in Genua) war ein Theologe im Dominikanerorden.

Er trat zu einem unbekannten Zeitpunkt in Genua in den Dominikanerorden ein. 1421 wurde er zum Lesemeister im Dominikanerkloster in Bologna bestellt, vermutlich schloss er sein Theologiestudium dort 1424 oder 1425 als Magister ab. Während seines Studiums lernte er Tommaso Parentucelli (den späteren Papst Nikolaus V.) kennen, dem er später eine seiner Schriften widmete und der ihn förderte. 1426 wurde er Lesemeister in seinem Heimatkonvent in Genua. Von 1431 bis 1434 leitete er das Studium am Kloster Sant’Eustorgio in Mailand. 1442/1443 war er in Genua als Inquisitor tätig, ein von ihm angestrengtes Verfahren wurde jedoch vom Papst aufgehoben und Raphael von Pornassio taucht danach nicht mehr als Inquisitor in den Quellen auf. Während des Pontifikats seines Studienfreunds Nikolaus V. übte Raphael von Pornassio verschiedene Ordensämter aus und war als Klostervisitator tätig. Aus den letzten Jahren seines Lebens sind etliche theologische Schriften, oft in Briefform als Antwort auf Anfragen, von ihm erhalten, die letzte von 1466.

Werke Bearbeiten

Bald nach Raphaels Tod wurden viele seiner Werke in eine Sammelhandschrift abgeschrieben, die heute in der Bibliothek von St. Hugh’s Charterhouse in Horsham unter der Signatur D 156 aufbewahrt wird. Eine weitere Sammlung seiner Schriften ist in einer Abschrift des 17. Jahrhunderts erhalten (heute: Genua, Biblioteca Civica Berio, Fondo Antico Biblioteca Berio, m.r.I.1.22). Eine Werkliste nach diesen und weiteren Handschriften wurde von Raymond Creytens erstellt und 1979 im Archivum fratrum praedicatorum veröffentlicht.[1]

Für den Kardinal Johannes de Casanova verfasste Raphael de Pornassio einen Liber de potestate concilii und weitere Responsen, die diesem Kardinal oder dessen engem Vertrauten, dem Bischof von Bosa Julianus Tallada, als Grundlage für den Papst Eugen IV. überreichten Tractatus de potestate pape et concilii generalis diente. 1480 wurde das letztgenannte Werk von Heinrich Quentell als Werk des Juan de Torquemada gedruckt.[2]

Auf der Grundlage einer längeren Abhandlung des Juan de Torquemada verfasste Raphael von Pornassio einen Traktat gegen die Unbefleckte Empfängnis Mariens, der an die Kartäuser als mögliche Verbündete gerichtet war.[3]

Unter dem Titel De communi et proprio wurde der erste Teil einer ursprünglich längeren, von Raphael von Pornassio an seinen Neffen gerichteten Abhandlung mehrfach gedruckt.[4] Im 18. Jahrhundert bot sie Anlass zu mehreren Streitschriften zwischen observanten und konventualen Dominikanern.[5] Thematisch eng damit verwandt ist Raphaels Brief De transitu ad observantialem statum.[6]

Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 verfasste er ein Trostbuch für seine Ordensbrüder, die dort tätig gewesen waren.[7]

Brieflich äußerte er sich zum Handel mit Anleihen, wohl als Sachverständiger in einem Prozess.[8]

Eine Teiledition liegt vor für Raphaels Werk Liber de consonancia nature et gracie.[9]

Quellen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Raymond Creytens: Raphaël de Pornassio O.P. († 1467). Vie et oeuvres. In: Archivum fratrum praedicatorum 49 (1979), S. 145–192, hier S. 160–189, Ergänzungen dazu in: Thomas Kaeppeli und Emilio Panella: Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Band 4: T–Z. Rom 1993, S. 251–257 (Academia.edu). Den Hinweis auf die Handschrift in Horsham gab Paul Oskar Kristeller: The Contribution of Religious Orders To Renaissance Thought and Learning. In: The American Benedictine Review 21 (1970) Nr. 1, S. 1–55 hier S. 49 (HathiTrust).
  2. M3704460 im Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW-Nummer M3704460), danach herausgegeben von Johannes Friedrich als De potestate papae et concilii generalis tractatus notabilis Innsbruck 1871 (Digitalisat). Zur Überlieferung und zur Debatte um die Autorschaft: Josep Perarnau: Raphael de Pornaxio, Joan de Casanova o Julià Tallada? Noves dades sobre l’autor del „De potestate papae et concilii generalis“ (i obres complementàries), publicat a nom de Juan de Torquemada. In: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft. 1. Reihe 29 (1978), S. 457–482; Ulrich Horst: Autorität und Immunität des Papstes. Raphael de Pornassio und Julianus Tallada in der Auseinandersetzung mit dem Basler Konziliarismus. Paderborn 1991, ISBN 3506794361, hier besonders das 1. Kapitel (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) und Francesco Santi: Gimignano Inghirami (1370-1460) lettore del Tractatus de potestate papae di Joan de Casanova. Il manoscritto Q VIII.5 (22) della Biblioteca Roncioniana di Prato. In: Revista Catalana de Teologia 38 (2013) 2, S. 767–785, hier besonders S. 777–784 (raco.cat).
  3. Ulrich Horst: Nova Opinio und Novelli Doctores. Johannes de Montenigro, Johannes Torquemada und Raphael de Pornassio als Gegner der Immaculata Conceptio. In: Johannes Helmrath et al. (Hrsg.): Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen. Berlin/Boston 1994, ISBN 3-486-56078-6, S. 169–191, hier S. 187–191 mit Edition des Prologs auf S. 188, Anm. 71 (doi:10.1515/9783486828887-010).
  4. Eine dem Generalmagister Agustín Pipia gewidmete Fassung erschien z. B. in vierter Auflage 1851 in Orvieto (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  5. Raymond Creytens: Raphaël de Pornassio O.P. († 1467). Vie et oeuvres. In: Archivum fratrum praedicatorum 50 (1980), S. 117–157 mit Edition des übrigen Teils der Abhandlung auf S. 143–157.
  6. Raymond Creytens: Raphaël de Pornassio O.P. († 1467). Vie et oeuvres. In: Archivum fratrum praedicatorum 50 (1980), S. 157–160 mit Edition auf S. 158–160.
  7. Raymond Creytens: Raphaël de Pornassio O.P. († 1467). Vie et oeuvres. In: Archivum fratrum praedicatorum 50 (1980), S. 160–166 mit Edition von Auszügen.
  8. Julius Kirshner: An Opinion of Raphael de Pornasio, O.P. on the Market in Genoese lire de paghe. In: Raymond Creytens und Pius Künzle (Hrsg.): Xenia medii aevi historiam illustrantia oblata Thomae Kaeppeli O.P. Rom 1978 (Storia e letteratura 142), S. 507–517 mit Edition auf S. 517 (Academia.edu).
  9. Karl Michel: Der Liber de consonancia nature et gracie des Raphael von Pornaxio. Münster 1915 (archive.org). Der von Francis E. Kelley: Some observations on the «fictum» theory in Ockham and its relation to Hervaeus Natalis. In: Franciscan Studies 38 (1978) S. 260–282, hier S. 279–282, angeblich nach Vatikan, Vatikanische Apostolische Bibliothek, Vat. lat. 998, fol. 21v (Digitalisat), einer Handschrift des Liber de consonancia nature et gracie, gedruckte Text stammt aus Pal. lat. 998 (Digitalisat), fol. 21v, wie am Anfang des Aufsatzes richtig angedeutet wurde.