Unter Radiofrequenztherapien werden Behandlungsmethoden insb. zur Schmerzlinderung bei spezifischen Rückenschmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenks verstanden. Sie zählen zu den die Nervenleitung blockierenden Methoden. Unterschieden wird dabei zwischen

  • Radiofrequenz-Neurotomie (abgekürzt häufig RFN, Syn.: perkutane Radiofrequenz-Denervation) und
  • gepulster Radiofrequenztherapie (pRF oder PRF).

Ziel der Radiofrequenz-Neurotomie ist die thermische Zerstörung (Verödung, Koagulation) des schmerzleitenden Nerven (Neurotomie bzw. Denervierung).

Bei der weniger desktrutiven Variante, der gepulsten Radiofrequenztherapie, wird ein Nerv nur geringfügig erwärmt, jedoch nicht verödet.[1]

Indikation/Anwendung

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Angewendet werden beide Therapieformen z. B. bei Arthrose sowie bei rheumatischen Erkrankungen, Osteoporose, Skoliose oder auch Muskel-Sehnen-Erkrankungen.[2] Die gepulste Radiofrequenztherapie wird darüber hinaus auch bei Krampfadern, Hämorrhoiden und in der kosmetischen Chirurgie, beispielsweise zur Hautstraffung, eingesetzt.[3]

Im Folgenden werden nur die Anwendungen an der Wirbelsäule betrachtet.

Da es nicht einfach ist, zu diagnostizieren, ob ein Schmerz von den Wirbelbogengelenken (bzw. dem Iliosakralgelenk) ausgeht, werden vor einer Radiofrequenztherapie in der Regel Testblockaden (diagnostische Umspritzungen) des verdächtigten Nervs durchgeführt, also gezielte Injektionen eines Lokalanästhetikums.[4] Ferner kommt eine Radiofrequenztherapie zum Einsatz, wenn eine Kortisoninfiltration nicht mehr den (vorher vorhandenen) Erfolg erzielt.[1]

Bei der RF-Neurotomie wird mithilfe eines Computertomografen (bildgebende Überwachung) eine Nadel oder Sonde an die zu behandelnden Nerven herangeführt. Über Radiowellen (250 kHz bis 1 MHz) wird Wärme erzeugt (75–90 °C über 60–90 Sekunden),[4] die zu den Nerven strömt und dadurch die schmerzleitenden Nervenbahnen unterbricht. Die Behandlung erfolgt in der Regel ambulant und unter lokaler Anästhesie, d. h., eine Narkose ist nicht nötig.[4][5]

Bei der gepulsten Radiofrequenztherapie werden Radiowellen mit einer Basisfrequenz von ca. 500 kHz angewendet, allerdings nicht kontinuierlich, sondern nur in sehr kurzen Phasen von wenigen Millisekunden (mit einer „Burst“-Frequenz von 2–4 Hz und einer „Burst“-Dauer von 10–20 ms).[6][2] Das Gewebe wird hierbei auf maximal 42 °C erwärmt, sodass es nicht zerstört wird. Durch diese Methode wird eine selektive Modulation der Schmerzfasern erreicht, „wahrscheinlich auf Basis ultrastruktureller Veränderungen der Zellmebranen“.[6]

Wirksamkeit

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Die Therapie heilt nicht die Ursache der Schmerzen, sondern unterdrückt lediglich die Schmerzübertragung, aber kann somit die Notwendigkeit einer operativen Nukleotomie hinauszögern bzw. verhindern oder nach Operationen, die keine gewünschte Wirkung erzielten, als alternative Methode angewendet werden.[7]

Bei der RF-Neurotomie wurden in Studien von 2001 bis 2003 bei 36 % der Patienten Schmerzreduktionen von mindestens 50 % über mindestens 6 Monate erreicht, die generelle Ansprechrate ist eher niedrig.[8] Langzeitergebnisse fehlen bislang (Stand: 2008).[8] Als Komplikationen bei der RF-Neurotomie sind Infektionen, Hämatome, Verbrennungen oder Beschädigungen umliegender Nervenstrukturen bekannt.[8][4]

Die Wirksamkeit der gepulsten Radiofrequenztherapie wird als „gut bis moderat“[6] eingestuft. Der Behandlungserfolg wird von einer durchführenden Klinik mit 60–70 % (Schmerzlinderung von 50 % über durchschnittlich 9 Monate) angegeben.[9] Die Schmerzlinderung tritt teilweise direkt nach der Behandlung ein, teilweise auch erst bis zu sechs Wochen danach.[3] Nebenwirkungen wie Lähmungserscheinungen oder Schmerzverstärkung werden nach Angaben von durchführenden Kliniken ausgeschlossen.[9] Da die Temperatur sehr kurzzeitig auch 42 Grad Celsius übersteigen kann, kann ein vorübergehendes endoneurales Ödem verursacht werden.[10]

Entwicklung

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Die Radiofrequenz-Neurotomie wurde Anfang der 1970er Jahre mit dem Ziel entwickelt, die Nervenversorgung der Facettengelenke der Wirbelsäule zu unterbrechen. Sie war weniger mit unerwünschten Nebenwirkungen behaftet als die kurz vorher (1970) bereits mit identischer Zielsetzung verwendete perkutane Thermokoagulation.[11]

Die Idee der gepulsten Radiofrequenztherapie entstand im Jahr 1993 und wurde 1996 erstmals erfolgreich durchgeführt.[6]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b Gepulste Radiofrequenztherapie (pRF) der Wirbelsäule, RNR Radiologie und Neuroradiologie, abgerufen am 30. Juli 2024.
  2. a b Die Radiofrequenztherapie (RF-Therapie) zur Behandlung chronischer Schmerzen
  3. a b Radiofrequenztherapie – Wirksam nicht nur bei Krampfadern, krankenkasseninfo.de, 2. Oktober 2023, abgerufen am 30. Juli 2024.
  4. a b c d Stephan Klessinger: Leitlinie Radiofrequenz-Denervation der Facettengelenke und des Iliosakralgelenks für Patientinnen und Patienten, AWMF-Register-Nr. 151/004, Deutsche Wirbelsäulengesellschaft, 1. Auflage Juli 2023, abgerufen am 13. Juli 2024.
  5. Die Radiofrequenztherapie (RF-Therapie) zur Behandlung chronischer Schmerzen, Neurochirurgische Praxis Neuss, abgerufen am 30. Juli 2024.
  6. a b c d M. Wewalka: Die gepulste Radiofrequenztherapie in der Behandlung chronischer Schmerzen, Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2014; 24-A12, Thieme, DOI:10.1055/s-0034-1389660, abgerufen am 3. Juli 2024.
  7. David W Lee, Scott Pritzlaff, Michael J. Jung, Priyanka Ghosh, Jonathan M. Hagedorn, Jordan Tate, Keith Scarfo, Natalie Strand, Krishnan Chakravarthy, Dawood Sayed, Timothy R. Deer, Kasra Amirdelfan: Latest Evidence-Based Application for Radiofrequency Neurotomy (LEARN): Best Practice Guidelines from the American Society of Pain and Neuroscience (ASPN). Journal of Pain Research, Ausgabe 14, 8. September 2021, S. 2807–2831. doi:10.2147/JPR.S325665, PMID 34526815, PMCID: PMC 8436449 (freier Volltext).
  8. a b c S. Mohadjer: Diagnose und Therapie des Iliosakralgelenk-Syndroms. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2008, S. 31–32. Dort wird unter anderem verwiesen auf die Arbeiten:
    • F. M. Ferrante, L. F. King u. a.: Radiofrequency sacroiliac joint denervation for sacroiliac syndrome. In: Regional anesthesia and pain medicine. Band 26, Nummer 2, 2001 Mar-Apr, S. 137–142, ISSN 1098-7339. doi:10.1053/rapm.2001.21739. PMID 11251137.
    • A. Gevargez, D. Groenemeyer u. a.: CT-guided percutaneous radiofrequency denervation of the sacroiliac joint. In: European radiology. Band 12, Nummer 6, Juni 2002, S. 1360–1365, ISSN 0938-7994. doi:10.1007/s00330-001-1257-2. PMID 12042940.
    • H. C. Hansen, A. M. McKenzie-Brown u. a.: Sacroiliac joint interventions: a systematic review. In: Pain physician. Band 10, Nummer 1, Januar 2007, S. 165–184, ISSN 1533-3159. PMID 17256029. (Review).
    • B. A. Zelle, G. S. Gruen u. a.: Sacroiliac joint dysfunction: evaluation and management. In: The Clinical journal of pain. Band 21, Nummer 5, 2005 Sep-Oct, S. 446–455, ISSN 0749-8047. PMID 16093751. (Review).
  9. a b Gepulste Radiofrequenztherapie, Klinik für Schmerztherapie, Fachklinik Löwenstein, abgerufen am 30. Juli 2024.
  10. David Byrd, Sean Mackey: Pulsed Radiofrequency for Chronic Pain. Current pain and headache reports. Januar 2008; 12(1), Seiten 37–41. doi:10.1007/s11916-008-0008-3. PMID 18417022; PMCID: PMC 2913603 (freier Volltext).
  11. J. Jerosch u. a.: Das lumbale Facettensyndrom, Springer eBook collection, Verlag Springer, 2005, S. 6, ISBN 3-540-27709-9, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche