Protestation zu Speyer

Forderung der Ausbreitung des Protestantismus und Protest gegen die Reichsacht über Martin Luther

Am 19. April 1529 trafen sich auf dem Reichstag zu Speyer sechs Fürsten und die Bevollmächtigten von vierzehn Reichsstädten als Vertreter der evangelischen Minderheit, um gegen die Verhängung der Reichsacht über Martin Luther sowie die Ächtung seiner Schriften und Lehre zu protestieren und um die Möglichkeit der ungehinderten Ausbreitung des evangelischen Glaubens zu fordern.

Die Gedächtniskirche zur Erinnerung an die Protestation zu Speyer
Allegorie Die protestierende Speyer, Teil des Lutherdenkmals in Worms
Kurfürst Johann von Sachsen (mit der Protestationsschrift in der Hand) auf einem Fenster der Gedächtniskirche

Anlass Bearbeiten

Acht Jahre zuvor, auf dem Reichstag zu Worms 1521, war die Lektüre und Verbreitung von Luthers Schriften verboten (Wormser Edikt) und über Martin Luther sowie seine Anhänger die Reichsacht verhängt worden. Auf dem ersten Reichstag zu Speyer 1526 war dieser Beschluss teilweise revidiert worden, indem die Ausführung des Wormser Edikts den Reichsständen überlassen wurde. Jeder Fürst sollte es mit der Religion so halten, wie er es vor Kaiser und Gott verantworten könne. Auf dem zweiten Reichstag zu Speyer 1529 wollte nun Kaiser Karl V. durch die Aufhebung der Beschlüsse von 1526 die religiöse Uneinigkeit zwischen katholischer Mehrheit und evangelischer Minderheit beenden.

Die reformatorisch gesinnten Fürsten wollten sich aber nicht damit abfinden, durch Mehrheitsbeschluss zur römisch-katholischen Konfession gezwungen zu werden. Diese Protestation der Fürsten und Städte gilt mittlerweile als eine der Geburtsstunden des Protestantismus.

Verlauf Bearbeiten

Knapp drei Jahre nach dem Reichstag im Jahr 1526 schrieb Kaiser Karl V. für den 1. März des Jahrs 1529 einen neuen Reichstag aus. Er ließ sich wiederum durch seinen Bruder Ferdinand vertreten, denn er sah sich wegen des Kriegs mit Frankreich nicht in der Lage, persönlich zu erscheinen.

In seiner Eröffnungsrede gab Ferdinand den Beschluss des Kaisers, die Aufhebung des Reichsabschieds von 1526, bekannt, da daraus „großer Unrat und Mißverstand“ entstanden sei, und bedrohte jede „Verführung zu unrechtem Glauben“ mit der Reichsacht. Bis zur Klärung auf einem noch einzuberufenden Konzil sollten alle Neuerungen untersagt bleiben. Immerhin gab er noch Zugeständnisse:

„Wer bis jetzt das Wormser Edikt gehalten, soll dies auch ferner tun. In den Landschaften, wo man davon abgewichen, soll man doch keine weitere Neuerung machen und niemand verwehren, Messen zu halten. Die Sekten endlich, welche dem Sakramente des wahren Leibes und Blutes widersprechen, solle man ganz und gar nicht dulden, so wenig wie die Wiedertäufer.“

Am 19. April wurden die Bedenken gegen den Reichsabschied von 1526 von der Mehrheit der Stände angenommen. Den Evangelischen wurde dabei erklärt, sie sollten sich „dem ordentlich und gehörig behandelten Beschlusse“ der Mehrheit beugen. Daraufhin verließen die evangelischen Fürsten den Saal. Als sie etwas später wieder zurückkehrten, wollte Ferdinand den Saal verlassen und weigerte sich, sie anzuhören. So wurden ihre Einwände verlesen: Man protestiere gegen den Beschluss der Mehrheit, den Reichsabschied von 1526 aufzuheben. Ferdinand verlangte, sie sollten „den Beschluss annehmen und gehorchen“.

Die evangelischen Fürsten ließen daraufhin am 20. April die Protestationsschrift überreichen, deren Annahme Ferdinand verweigerte. So kam sie nicht zur Verlesung, gelangte aber als Druckschrift an die Öffentlichkeit.

In dieser Protestationsschrift hieß es unter anderem:

„So protestieren und bezeugen wir hiermit offen vor Gott, unserem alleinigen Erschaffer, Erhalter, Erlöser und Seligmacher, der allein unser aller Herzen erforscht und erkennt, auch demnach recht richten wird, auch vor allen Menschen und Kreaturen, daß wir für uns, die Unsrigen und aller männiglich halben in alle Handlung und vermeinten Abschied nicht gehelen noch billigen, sondern aus vorgesetzten und anderen redlichen gegründeten Ursachen für nichtig und unbündig halten.“

Unterschrieben war die Protestationsschrift von Johann, Kurfürst von Sachsen, Georg, Markgraf von Brandenburg-Ansbach, Ernst, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, Philipp, Landgraf von Hessen, und Wolfgang, Fürst von Anhalt-Köthen. Hauptverfasser der Schrift war der kursächsische Rat und ehemalige Kanzler Gregor Brück.[1]

Auf der Schlusssitzung des Reichstags am 24. April wurde der Reichsabschied noch einmal verlesen, die Protestation der evangelischen Fürsten aber mit keinem Wort erwähnt. Daher trafen sich am 25. April die Räte der evangelischen Fürsten und die Bevollmächtigten der 14 evangelischen Städte und verfassten ein Instrumentum Appellationis, in dem Beschwerden gegen diesen Reichsabschied noch einmal zusammengefasst wurden. Dieses Schreiben wurde dem Kaiser durch eine Gesandtschaft überbracht. Seit diesem Reichstag nannte man die Anhänger der reformatorischen Bewegung „Protestanten“.

Positionierung der Reichsstände Bearbeiten

Für den Reichsabschied stimmten Bearbeiten

  1. Karl V., römisch-deutscher König und erwählter Kaiser, vertreten durch
  2. Ferdinand, Erzherzog von Österreich, Kommissar und Vertreter Karls V.
  3. Johann Fabri, Domherr zu Konstanz und Basel
  4. Propst Balthasar von Waldkirch, Kommissar
  5. Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz, Kommissar
  6. Herzog Wilhelm IV. von Bayern, Kommissar
  7. Herzog Ludwig X. von Bayern
  8. Herzog Erich der Ältere von Braunschweig, Kommissar

Protestierende Reichsstände Bearbeiten

 
  • Territorien in Mitteleuropa, die die Reformation früh eingeführt hatten (bis 1530). Darunter auch protestierende Stände zu Speyer.
    1. Kurfürst Johann der Beständige von Sachsen
    2. Landgraf Philipp von Hessen
    3. Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, der Fromme, auch der Bekenner genannt
    4. Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg + Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg
      • Johann Förster, Kanzler der Herzöge Franz und Ernst von Braunschweig-Lüneburg
    5. Fürst Wolfgang von Anhalt
    6. Graf Wilhelm von Fürstenberg
    7. Reichsstadt Heilbronn
    8. Reichsstadt Isny
    9. Reichsstadt Kempten
    10. Freie und Reichsstadt Konstanz
    11. Reichsstadt Lindau
    12. Reichsstadt Memmingen
    13. Reichsstadt Nördlingen
    14. Reichsstadt Nürnberg
    15. Reichsstadt Reutlingen
      • Bürgermeister Josua (Jos) Weiß
    16. Reichsstadt St. Gallen
    17. Freie Stadt Straßburg
      • Rat Jakob Sturm
      • Ammann Matthias P(f)arrer
    18. Reichsstadt Ulm
      • Bürgermeister Bernhard Besserer
    19. Reichsstadt Weißenburg[2]
    20. Reichsstadt Windsheim
      • Bürgermeister Sebastian Hagelstein

    Die Freie und Reichsstadt Köln und die Freie und Reichsstadt Frankfurt traten dem Protest zuerst bei, zogen dann jedoch ihre Unterschriften zurück.

    Weblinks Bearbeiten

    Fußnoten Bearbeiten

    1. Ekkehart Fabian: Brück, Gregor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 653 f. (Digitalisat).
    2. Es kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob es sich nicht auch um Wissembourg gehandelt haben könnte. Für Weißenburg im Elsaß und den elsässischen Zehnstädtebund ist jedoch keine formale Zustimmung für die Protestation nachweisbar.