Pretiosa
Die Pretiosa (lateinisch pretiosus ‚kostbar‘) ist die Glocke 2 des Kölner Domgeläuts. Sie wurde 1448 von Christian Cloit und Heinrich Brodermann in Köln gegossen und ist im Glockenstuhl des Südturmes aufgehängt. Die Pretiosa gilt als eine der klangschönsten Glocken überhaupt und zeugt von dem sehr hohen Standard mittelalterlicher Glockengießerkunst. Bis zum Guss der Kaiserglocke im Jahre 1875 war sie die größte Glocke des Domes.
Geschichte und Bedeutung
BearbeitenDie Pretiosa wurde – nach der 1418 geschaffenen Dreikönigenglocke – im noch unfertigen Südturm der Kathedrale aufgehängt. Der Guss war schwierig und gelang erst beim vierten Mal. Aus ihrer Inschrift geht hervor, dass sie drei Vorgängerinnen hatte, die, laut verschiedener Quellen, ungefähr die gleichen Proportionen hatten. Wann diese Vorgängerinnen gegossen wurden, kann nur vermutet werden. Jedoch hatte bereits die Turmöffnung zum Aufziehen der Glocke, wie der Bauplan c aus der Zeit um 1300 zeigt, die für die Pretiosa notwendige Größe. Der erste Guss kann somit sehr wohl bereits im 14. Jahrhundert erfolgt sein. Darauf weist auch die für das 14. Jahrhundert typische Majuskel hin, während in der Zeit des Neugusses von 1448 die Minuskel bereits seit einem halben Jahrhundert in Köln üblich war.
Geweiht wurde die Glocke auf die Namen der Dompatrone, den heiligen Petrus, die Muttergottes und die Heiligen Drei Könige, deren Grab sich gemäß einer Legende im Dom befindet. Einzelreliefs und die Glockeninschrift weisen auf diese Patronate hin.
Vor dem Hintergrund, dass die Pretiosa seit mehr als fünfhundert Jahren Gläubige zum Gottesdienst ruft, kann gesagt werden, dass diese Glocke ein Stück begreifbare und hörbare Kirchen- und Weltgeschichte darstellt. Zu ihrer Entstehungszeit war sie die größte läutbare Glocke des christlichen Abendlandes.
Die jüngere Schwester der Pretiosa ist die 1449 gegossene Speciosa.
Daten
BearbeitenMusikalisches
BearbeitenAlle Tonangaben in 16teln eines Halbtones.
Schlagton | Unterton | Prim | Terz | Quint | Abklingdauer (Unterton) |
Abkling- verlauf |
g0 +1 | fis −1 | g0 +1 | b0 +1 | d1 −7 | 117 Sekunden | steht |
Technisches
BearbeitenMasse | unterer Durchmesser |
Schlagringstärke (durch Abnutzung) |
Rippenkonstruktion | Aufhängung |
---|---|---|---|---|
ca. 10500 kg | 2400 mm | 207 (195) mm | überschwer | Stahljoch, eingelassene Glockenkrone |
Inschrift
BearbeitenINSIGNIS STATUS ECCLESIE PROVIDUS SENATUS * CONCILII SANCTE PARILES UOTIS CIUITATIS * HUIUS CUM RELIQUIS GEMINI SEXUS DEO NOTIS * DENUO CONFLARI DANT ME SIMUL ET RENOUARI * SUM[M]E CHRISTIFERE PETRI REGUM SUB HONORE * ◊ * ◊ * ◊ * CANTUM REDDO CHORIS UETITUM PRO SINGULIS HORIS * TERQ[ue] REFORMATA QUATRO PRECIOSA UOCATA * MILLE QUADRINGENTIS QUADRAGENIS OCTO DONATIS * DUM SONO TRISTATUR DEMON XPS UENERATUR * BRODERMAN HEINRICH CLOIT CHRISTIAN HANT GEMACHET MICH * ◊ *
Blüten (hier: *) und Rosetten (hier: ◊) dienen als Wort- und Verstrennungszeichen.
Übersetzung: Der ausgezeichnete Stand der Kirche und der umsichtige Senat mit den Wünschen des Rates dieser heiligen Stadt sich vereinend, zusammen mit den übrigen dieser beiden Stände, die Gott unterscheidet, ließen mich wiederum gießen und erneuern, der Christusträgerin, Petrus und den Königen zu Ehren. Zu jeder Stunde gebe ich den Chören den Gesang zurück, was verhindert war. Dreimal umgeformt, beim vierten als „kostbar“ gepriesen. Eintausendvierhundertachtundvierzig [Jahre] waren gegeben. Der Teufel wird betrübt, wenn ich erklinge, aber Christus verehrt. Heinrich Brodermann und Christian Cloit haben mich geschaffen.
Läuteordnung
BearbeitenDie Pretiosa erklingt zu vielen Hochfesten des Kirchenjahres in verschiedenen Geläutekombinationen mit den kleineren Glocken des Hauptgeläutes. Dabei wird sie sowohl beim Einläuten am Vorabend um 19:30 Uhr als auch zum Hoch- bzw. Pontifikalamt, wenn der Erzbischof zelebriert, um 09:40 Uhr den übrigen Glocken für fünf Minuten vorangestellt. Dieses Vorläuten soll bezwecken, dass der Klang der Pretiosa auch solistisch wahrzunehmen ist, was ohnehin nur selten vorkommt.
Allein kündet sie nur bei Einführung bzw. beim Verschied eines Domherren oder Kölner Weihbischofs.
Feste Läutetermine
Datum/Tag | Uhrzeit | Anlass |
---|---|---|
26. Dezember | 09:40 | Fest des Hl. Stephanus |
1. Januar | 00:00 | Einläuten des neuen Kalenderjahres |
Vorabend Palmsonntag | 19:30 | Einläuten des Palmsonntages |
Palmsonntag | 09:40 | Palmsonntag |
Montag in der Karwoche | 16:10 | Chrisammesse[1] |
Gründonnerstag | 19:40 | Abendmahlsamt am Gründonnerstag |
Ostermontag | 09:40 | Ostermontag |
Pfingstmontag | 09:40 | Pfingstmontag |
Samstag nach Pfingsten | 19:30 | Einläuten des Hochfestes der Heiligen Dreifaltigkeit |
Sonntag nach Pfingsten | 09:40 | Hochfest der Heiligen Dreifaltigkeit |
Vorabend Fronleichnam | 19:30 | Einläuten des Hochfestes Fronleichnam |
Fronleichnam | 09:40 | Hochfest Fronleichnam |
23. Juni | 19:30 | Einläuten des Hochfestes der Geburt Johannes des Täufers |
24. Juni | 18:10 | Hochfest der Geburt Johannes des Täufers |
14. August | 19:30 | Einläuten des Hochfestes Mariä Aufnahme in den Himmel |
15. August | 18:10 | Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel |
31. Oktober | 19:30 | Einläuten des Hochfestes Allerheiligen |
1. November | 09:40 | Hochfest Allerheiligen |
Vorabend Christkönig | 19:30 | Einläuten des Hochfestes Christkönig |
Sonntag Christkönig | 09:40 | Hochfest Christkönig |
Literatur
Bearbeiten- Jakob Schaeben: Die Domglocken und ihr Läutewerk. In: Kölner Domblatt. Bd. 6/7, 1952, S. 96–101.
- Wilhelm Kaltenbach: Die Domglocke Pretiosa von 1448. In: Kölner Domblatt. Bd. 31/32, 1970, S. 71–80.
- Martin Seidler: Die Kölner Domglocken. = The Bells of the Cologne Cathedral. 2. Auflage. Verlag Kölner Dom, Köln 2000, ISBN 3-922442-40-4 (Dokumentations-CD mit ausführlichem Beiheft).
- Manfred Huiskes: Kölner Geläute und Glocken des Mittelalters. Teil 3: Der Gießvertrag der Pretiosa von 1448. In: Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 17/18, 2005/2006, ISSN 0938-6998, S. 375–376.
- Jörg Poettgen: 700 Jahre Glockenguss in Köln. Meister und Werkstätten zwischen 1100 und 1800 (= Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege. Bd. 61). Werner, Worms 2005, ISBN 3-88462-206-4, S. 113 ff.